ORIGINALARBEIT / ORIGINAL PAPER 259 Randomisierte Studien der deutschen universitären Allgemeinmedizin Ergebnisse einer systematischen Übersichtsarbeit Randomized Trials Performed by German University Departments of Family Medicine Results of a Systematic Review Stefan Heinmüller, Antonius Schneider, Klaus Linde für das DFG-Netzwerk Klinische Studien in der Allgemeinmedizin Hintergrund: Im Rahmen eines systematischen Reviews Background: We performed a systematic review to pro- sollte eine Übersicht der Fragestellungen, Methoden, vide an overview of the objectives, methods, quality and Qualität und Ergebnisse der von deutschen, universitären results of randomised controlled trials (RCTs) performed Abteilungen für Allgemeinmedizin durchgeführten rando- by German university departments of family medicine. misierten klinischen Studien (RCTs) erarbeitet werden. Methods: RCTs and protocols of RCTs published be- Methoden: In die Analyse wurden zwischen 2000 und tween 2000 and 2014 were included in the analysis if the 2014 veröffentlichte RCTs und publizierte Protokolle von first or last author was affiliated to the family medicine RCTs eingeschlossen, bei denen der Erst- oder Letztautor department of a German Medical School. Trials were an eine Allgemeinmedizinabteilung einer deutschen Uni- searched in the database Scopus and by checking pub- versität angebunden war. Die Identifikation von RCTs er- lication lists of the departments. folgte über Suchen in der Literaturdatenbank Scopus und Results: Thirty-three RCTs (62 publications) for which at die Durchsicht verfügbarer Publikationslisten der Institute. least preliminary results were available and 17 study Ergebnisse: 33 RCTs (62 Publikationen), zu denen zu- protocols (17 publications) were included in the analysis. mindest erste Ergebnisse vorlagen, sowie 17 Studienpro- The number of completed trials and protocols markedly tokolle (17 Publikationen) wurden eingeschlossen. Die increased between 2000 and 2014. Cluster-randomized Zahl der publizierten Studien und Studienprotokolle health service research studies investigating process- nahm zwischen den Jahren 2000 und 2014 stark zu. Ein oriented interventions were the most frequent type of Forschungsschwerpunkt lag auf zum Teil sehr großen, studies, with some trials being very large. Fifteen of the clusterrandomisierten Versorgungsforschungsstudien zu 36 existing departments were involved in at least one prozessorientierten Interventionen. 15 von 36 Abteilun- trial. The risk of bias was high in many trials; however, gen waren bei mindestens einer RCT beteiligt. Das Risiko this was at least partly due to the fact that often complex von Verzerrungen (Bias) war bei einem relevanten Teil der interventions were investigated for which blinding was Studien hoch; dies liegt aber mindestens zum Teil daran, not feasible. Published study protocols suggest that in- dass bei Versorgungsforschungsstudien in der hausärzt- creasing methodological expertise and networking will lichen Praxis eine Verblindung häufig nicht möglich ist. lead to better quality of future studies. Die analysierten Studienprotokolle legen darüber hinaus Conclusions: An increasing number of German family nahe, dass Vorerfahrungen mit RCTs, zunehmende me- medicine departments is able to perform high quality thodische Expertise und Vernetzung in der Zukunft zu ei- RCTs. ner weiteren Verbesserung führen dürften. Schlussfolgerungen: Eine zunehmende Zahl universitä- Keywords: Randomized Controlled Trials; Family rer Abteilungen für Allgemeinmedizin in Deutschland ist Medicine; Bias; Systematic Review; Germany in der Lage, hochwertige RCTs durchzuführen. Schlüsselwörter: Randomisierte kontrollierte Studien; Allgemeinmedizin; Bias; systematische Übersicht; Deutschland Institut für Allgemeinmedizin, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München Peer reviewed article eingereicht: 19.04.2016, akzeptiert: 03.05.2016 DOI 10.3238/zfa.2016.0259–0264 © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2016; 92 (6) ■ Heinmüller, Schneider, Linde für das DFG-Netzwerk Klinische Studien in der Allgemeinmedizin: Randomisierte Studien der deutschen universitären Allgemeinmedizin 260 Randomized Trials Performed by German University Departments of Family Medicine Einleitung Mit Ergeb- Ohne Er- Gesamt nissen gebnisse n = 50 Eine hohe Forschungsaktivität ist von er- n = 33 n = 17 heblicher Bedeutung für das Ansehen ei- Art der Studienteilnehmer ner Disziplin an Universitäten und in der - Patienten 28 17 45 (90 %) akademischen Öffentlichkeit. Experimen- - Ärzte/MFAs/Studenten 5 - 5 (10 %) - Gesamtzahl* 190 690 347 telle Grundlagenforschung – in Deutsch- (20–7.807) (144–46.000) (20–46.000) land besonders angesehen – ist in einem Krankheitsbezug Fach wie der Allgemeinmedizin praktisch - definierte einzelne Diagnose 24 12 36 (72 %) nicht möglich. Im Bereich der klinischen - Krankheits-/Symptomgruppe 3 5 8 (16 %) Forschung und mit Einschränkungen in - keiner bzw. kein unmittelbarer 6 - 6 (12 %) der Versorgungsforschung gelten rando- Intervention misierte kontrollierte Studien (engl. ran- - prozessorientiert 16 15 31 (62 %) - definierte Behandlungen 12 2 14 (28 %) domized controlled trials = RCTs) als Kö- - sonstige 5 - 5 (10 %) nigsweg [1]. Methodisch hochwertige Clusterrandomisiert 17 12 29 (58 %) und klinisch relevante RCTs können prak- Finanzierung** tisch relevante Fragen klären und somit - Ministerien (gesamt/Teil) 15 14 29 (58 %) auch für die Patientenversorgung von un- - Krankenkassen (gesamt/Teil) 3 3 6 (12 %) mittelbarer Bedeutung sein [2]. Die Pla- - Industrie (gesamt/Teil) 3 - 3 (6 %) - sonstige 5 3 8 (16 %) nung, Durchführung und Auswertung - unklar 8 - 8 (16 %) solcher Studien setzt jedoch ausreichende Anzahl der beteiligten Abteilungen Infrastruktur, Finanzmittel, methodische - eine 26 10 36 (72 %) und praktische Kenntnisse und Erfahrun- - zwei 7 5 12 (24 %) - drei - 2 2 (4 %) gen voraus. Im Vergleich zu Großbritannien, den Autoren - Zahl insgesamt 6 (2–13) 9 (5–18) 7 (2–18) USA oder den Niederlanden ist die Förde- - Zahl Allgemeinmedizinabteilung 4 (1–8) 6 (1–14) 4 (1–14) rung von allgemeinmedizinischen Uni- - Erstautor aus Allgemeinmedizin 30 17 47 (94 %) versitätsabteilungen, Forschungspraxis- - Letztautor aus Allgemeinmedizin 28 14 42 (84 %) - Erst- u. Letztautor aus Allgemeinmed. 27 14 41 (82 %) Netzwerken und konkreten Einzelpro- - Mitautor aus Biometrie 17 14 31 (62 %) jekten in Deutschland gering [3]. Den- - Mitautor international 8 4 12 (24 %) noch hat es in den vergangenen 20 Jah- *Bei Protokollen die geplante Anzahl an Teilnehmern; **Mehrfachnennungen möglich ren große Fortschritte gegeben und eine beträchtliche Zahl von RCTs konnte rea- Tabelle 1 Merkmale der eingeschlossenen Studien mit Ergebnissen und der Studienprotokolle lisiert werden [4–6]. Auf Anregung des ohne Ergebnisse. Angegeben sind absolute Häufigkeiten (Prozent) bzw. Mediane (Minimum/ DFG-Netzwerkes Klinische Studien in der Maximum). Allgemeinmedizin (www.degam.de/netz werk-klinische-studien.html) hat unsere Arbeitsgruppe primär im Rahmen einer Methoden sucht worden [5, 6]; später publizierte Dissertation eine systematische Über- Arbeiten wurden durch Aktualisierungs- sicht der zwischen den Jahren 2000 und Eine detaillierte Beschreibung der ver- suchen identifiziert. Die Studienselekti- 2014 von deutschen Universitätsabtei- wendeten Methoden findet sich in [7]. on, die Extraktion von Informationen lungen für Allgemeinmedizin durch- In die Analyse wurden zwischen Januar aus den eingeschlossenen Studien und geführten und geplanten RCTs erstellt. 2000 und Dezember 2014 veröffentlich- die Bewertung des Risikos von Verzer- Damit sollte ein Überblick zu Fragestel- te randomisierte Studien und publizier- rungen mit dem Risk of Bias Tool der lungen, Methoden, Qualität und Ergeb- te Protokolle zu derartigen Studien ein- Cochrane Collaboration [8] erfolgte nissen der Studien ermöglicht werden, geschlossen, bei denen der Erst- oder durch den Erstautor; bei Unsicherheiten der auch bei der Planung zukünftiger Letztautor an ein Allgemeinmedizin- wurde ein zweiter Reviewer hinzugezo- RCTs genutzt werden kann. Die Metho- institut bzw. eine Allgemeinmedizin- gen, der die Arbeit insgesamt super- den des Reviews und Ergebnisse in Bezug abteilung einer deutschen Universität vidierte und die Risk-of-Bias-Bewertun- auf Studien, für die bis Ende 2014 Ergeb- angebunden war. Die Identifikation von gen überprüfte. nisse vorlagen, wurden in einer interna- RCTs erfolgte über Suchen in der Litera- tionalen, methodisch orientierten Zeit- turdatenbank Scopus, die Durchsicht schrift publiziert [7]. In der vorliegenden verfügbarer Publikationslisten der deut- Ergebnisse Publikation werden zum einen zusätz- schen Universitätsinstitute und Abtei- lich die zahlreich vorliegenden ver- lungen für Allgemeinmedizin sowie Literatursuche und Studienselektion öffentlichten Studienprotokolle berück- über die Durchsicht zitierter Quellen in sichtigt, zum anderen werden für eine eingeschlossenen Studien. Die bis 2010 Nach Prüfung von insgesamt 2.228 deutsche allgemeinmedizinische Leser- publizierten Artikel waren ursprünglich durch die Literatursuche identifizierten schaft relevante Aspekte in den Vorder- für eine weiter gefasste Analyse all- Quellen erfüllten insgesamt 60 RCTs, be- grund gestellt. gemeinmedizinischer Publikationen ge- schrieben in 95 relevanten Publikatio- ■ © Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2016; 92 (6) Heinmüller, Schneider, Linde für das DFG-Netzwerk Klinische Studien in der Allgemeinmedizin: Randomisierte Studien der
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