Postadresse: Erdbergstraße 192 – 196 1030 Wien Tel: +43 1 601 49 – 0 Fax: +43 1 711 23 – 889 15 41 E-Mail: [email protected] www.bvwg.gv.at W158 2194446-1/13E IM NAMEN DER REPUBLIK Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI- HASENÖHRL über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht: A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE: I. Verfahrensgang: I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. I.2. Am selben Tag wurde der BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Tirol niederschriftlich erstbefragt. Befragt nach seinen Fluchtgründen führte der BF aus, dass er von seiner Stiefmutter gequält worden sei. Ebenfalls habe er Schwierigkeiten mit den Taliban. I.3. Am XXXX wurde der BF von der zur Entscheidung berufenen Organwalterin des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Der BF wurde dabei u.a. zu seinem Gesundheitszustand, seiner Identität, seinen Lebensumständen in Afghanistan, seinen Familienangehörigen und seinen Lebensumständen in Österreich befragt. Nach den Gründen befragt, die den BF bewogen hätten, seine Heimat zu verlassen, gab dieser an, seine Stiefmutter habe ihn sehr schlecht behandelt. Diese sei sehr religiös gewesen, während der BF nicht oft gebetet und gelegentlich Alkohol getrunken hätte, sodass es deswegen oft zu Streitereien gekommen wäre. Der BF habe mit einem paschtunischen sunnitischen Mädchen telefoniert und sei dabei von seiner Stiefmutter belauscht worden. Die Stiefmutter sei gegen eine Beziehung gewesen, da eine Beziehung zwischen Sunniten und Schiiten nicht funktioniere. Der BF habe das Mädchen mit dessen Mutter am Bazar gesehen und habe um seine Hand angehalten. Die Mutter habe das mit Verweis auf die unterschiedlichen Religionszugehörigkeiten abgelehnt und habe den BF gewarnt, dass Blut fließen würde, wenn der Vater des Mädchens etwas 2 davon erführe. Die Stiefmutter des BF habe jedoch innerhalb der Familie über die Beziehung diskutiert, wobei die gesamte Familie gegen eine solche Beziehung gewesen sei, da der BF damit die Ehre und den Stolz der Familie nicht berücksichtigen würde. Im Zuge eines Streitgesprächs mit seinem Onkel habe ihn dieser mit einem Messer verletzt. Der BF habe trotz ärztlicher Behandlung eine noch immer sichtbare Narbe davongetragen. Auch der Vater des Mädchens habe inzwischen von dem Heiratsantrag erfahren, dieser habe gesagt, dass er ihn finden und umbringen werde. Der BF habe keine andere Wahl gehabt als zu fliehen. Als Beilage zur Niederschrift wurde ein Konvolut an Integrationsunterlagen genommen. I.4. Mit Bescheid vom XXXX , dem BF am XXXX zugestellt, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). Begründend führte das BFA aus, dass das Vorbringen des BF nicht glaubhaft sei, der Status eines Asylberechtigten habe ihm daher nicht gewährt werden können. Auch liege keine Situation vor, die die Gewährung subsidiären Schutzes rechtfertigen würde, da dem BF eine Rückkehr nach Kabul möglich und zumutbar sei. Gemäß § 57 AsylG sei auch eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nicht zu erteilen, da die Voraussetzungen nicht vorlägen. Letztlich hätten auch keine Gründe festgestellt werden können, wonach bei einer Rückkehr des BF gegen Art. 8 Abs. 2 EMRK verstoßen würde, weswegen auch eine Rückkehrentscheidung zulässig sei. I.5. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt. I.6. Am XXXX erhob der BF durch seinen Vertreter Beschwerde in vollem Umfang wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens und beantragte, dem BF den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, jedenfalls die Rückkehrentscheidung aufzuheben, in eventu den Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Angaben des BF wären im Gegensatz zur Ansicht des BFA glaubhaft. Die private Verfolgung sei religiös motiviert und der Staat sei weder schutzfähig noch -willig. Unabhängig von der Frage der Glaubhaftigkeit der Angaben des BF wäre ihm aufgrund der Sicherheitslage in Afghanistan, auch in Kabul, subsidiärer Schutz zu gewähren. I.7. Am XXXX langte die gegenständliche Beschwerde samt dem Verwaltungsakt 3 beim Bundesverwaltungsgericht ein. I.8. Am XXXX führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der der BF und sein Rechtsvertreter teilnahmen. Das BFA blieb der Verhandlung entschuldigt fern. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde der BF im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari u.a. zu seiner Identität und Herkunft, zu den persönlichen Lebensumständen, zu seinem Gesundheitszustand, seinen Familienangehörigen, seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen sowie zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich befragt. II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch: -Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend den BF; insbesondere in die Befragungsprotokolle und die vom BF vorgelegten Unterlagen; -Befragung des BF im Rahmen einer öffentlich mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX ; -Einsicht in die in das Verfahren eingeführte Länderberichte zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat; -Einsicht in das Strafregister, das Melderegister und das Grundversorgungssystem. II.1. Sachverhaltsfeststellungen: II.1.1. Zum BF und seiner Situation im Falle einer Rückkehr: Der BF ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Er gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist schiitischer Moslem. Er praktiziert seine Religion derzeit nicht. Seine Muttersprache ist Dari. Die Identität des BF kann nicht festgestellt werden. Der BF stammt aus dem Distrikt XXXX in der Provinz Bamyan, wo er bis zu seinem fünften oder sechsten Lebensjahr lebte. Der BF verließ Afghanistan mit seiner Familie aufgrund des damals herrschenden Krieges und der unsicheren Lage in den Iran, wo er für fünf Jahre in XXXX , in Islamshahr in Teheran lebte. Anschließend wohnte der BF gemeinsam mit seiner Familie in XXXX in Kabul in einem Miethaus. Er hat keine Schule besucht und ab seinem fünfzehnten Lebensjahr als Bauarbeiter bei verschiedenen Dienstgebern gearbeitet. Der Vater des BF, seine Stiefmutter, ein Halbbruder und drei Halbschwestern leben nach wie vor im Mietshaus der Familie in Kabul. Sein Vater ist in Pension, seine Stiefmutter arbeitete als einfache Angestellte beim Bildungsministerium. Weiters wohnt eine Schwester und drei Brüder des BF im Iran in den Städten Teheran und Maschad. Der BF hat keinen Kontakt zu seiner in Afghanistan oder im Iran lebenden Familie. Er hat losen Kontakt via Facebook zu Freunden und Bekannten in Afghanistan. 4 Ein weiterer Bruder des BF, dessen Frau und eine Tochter sind mit dem BF ins Bundesgebiet eingereist und stellten ebenfalls Anträge auf internationalen Schutz, die vom BFA abgewiesen und Rückkehrentscheidungen erlassen wurde. Die Verfahren sind beim Bundesverwaltungsgericht anhängig. Der BF sieht seinen Bruder und dessen Familie täglich, ist von ihm jedoch weder finanziell noch in einer sonstigen Weise abhängig. Auch umgekehrt besteht kein solches Abhängigkeitsverhältnis. Der BF führte keine Beziehung zu einem paschtunisch sunnitischen Mädchen und machte diesem keinen Heiratsantrag. Der BF hatte vor seiner Ausreise innerfamiliäre Probleme mit seiner Stiefmutter, die sich durch verbale Streitigkeiten äußerten. Grund für den Streit mit seiner Stiefmutter waren die verschiedenen Ansichten über die Religion, da der BF gelegentlich Alkohol trank und keine Moschee besuchte und nicht fastete, während seine Stiefmutter sehr religiös und konservativ war. Der BF wurde von anderen Personen weder innerhalb noch außerhalb der Familie aufgrund dieser Verhaltensweisen bedroht oder verfolgt noch sonst wie schikaniert. Dem BF droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr in seine Geburtsprovinz Bamyan oder in die Städte Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif Gefahr läuft, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht
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