Mastering Russian Spaces Raum und Raumbewältigung als Probleme der russischen Geschichte Schriften des Historischen Kollegs Herausgegeben von Lothar Gall Kolloquien 74 R. Oldenbourg Verlag München 2011 Mastering Russian Spaces Raum und Raumbewältigung als Probleme der russischen Geschichte Herausgegeben von Karl Schlögel unter Mitarbeit von Elisabeth Müller-Luckner R. Oldenbourg Verlag München 2011 Schriften des Historischen Kollegs herausgegeben von Lothar Gall in Verbindung mit Peter Funke, Johannes Fried, Hans-Werner Hahn, Karl-Heinz Hoffmann, Martin Jehne, Claudia Märtl, Helmut Neuhaus, Friedrich Wilhelm Rothenpieler, Martin Schulze Wessel und Andreas Wirsching Das Historische Kolleg fördert im Bereich der historisch orientierten Wissenschaften Ge- lehrte, die sich durch herausragende Leistungen in Forschung und Lehre ausgewiesen haben. Es vergibt zu diesem Zweck jährlich bis zu drei Forschungsstipendien und zwei Fördersti- pendien sowie alle drei Jahre den „Preis des Historischen Kollegs“. Die Forschungsstipendien, deren Verleihung zugleich eine Auszeichnung für die bisherigen Leistungen darstellt, sollen den berufenen Wissenschaftlern während eines Kollegjahres die Möglichkeit bieten, frei von anderen Verpflichtungen eine größere Arbeit abzuschließen. Professor Dr. Karl Schlögel (Frankfurt/Oder) war – zusammen mit PD Dr. Claire Gantet (Berlin/Paris), Prof. Dr. Karl-Joachim Hölkeskamp (Köln) und Prof. Dr. Tilman Nagel (Göttingen) – Stipendiat des Historischen Kollegs im Kollegjahr 2005/2006. Den Obliegen- heiten der Stipendiaten gemäß hat Karl Schlögel aus seinem Arbeitsbereich ein Kolloquium zum Thema „Mastering Space. Raum und Raumbewältigung als Probleme der russischen Geschichte“ vom 13. bis 15. Juli 2006 im Historischen Kolleg gehalten. Die Ergebnisse des Kolloquiums werden in diesem Band veröffentlicht. Das Historische Kolleg wird seit dem Kollegjahr 2000/2001 – im Sinne einer „public private partnership“ – in seiner Grundausstattung vom Freistaat Bayern finanziert, die Mittel für die Stipendien stellen gegenwärtig die Fritz Thyssen Stiftung, der Stiftungsfonds Deutsche Bank, die Gerda Henkel Stiftung und der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft zur Verfü- gung. Träger des Historischen Kollegs, das vom Stiftungsfonds Deutsche Bank und vom Stif- terverband errichtet und zunächst allein finanziert wurde, ist die „Stiftung zur Förderung der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und des Histo- rischen Kollegs“. Kaulbachstraße 15, D-80539 München Tel.: +49(0)89 28663860 Fax: +49(0)89 28663863 Email: [email protected] Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2011 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Internet: oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzu- lässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikrover- filmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Umschlagbild: Gesandtschaft mit Schlitten auf dem Weg nach Moskau (aus den Memoiren Herbersteins), in: Hans von Eckhardt: Russland, Leipzig, Bibliographisches Institut AG, 1930, S. 48. Einbandgestaltung: hauser lacour Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706 Satz: Schmucker-digital, Feldkirchen b. München Druck: Memminger MedienCentrum, Memmingen Bindung: Buchbinderei Klotz, Jettingen-Scheppach ISBN 978-3-486-70445-7 Inhalt V Inhalt Verzeichnis der Tagungsteilnehmer . VII Karl Schlögel Raum und Raumbewältigung als Probleme der russischen Geschichte. Zur Einführung . 1 Carsten Goehrke Raum als Schicksal? Geographische und geopolitische Entwicklungs- bedingungen in der Geschichte Russlands . 27 Mark Bassin Eurasian Visions of Russian Nationhood in Space . 47 Susi K. Frank „Wandern“ als nationale Praxis des „mastering space“. Die Entwicklung des semantischen Feldes um „“ und „“ zwischen 1836 und 1918 . 73 Roland Cvetkovski Russlands Wegelosigkeit. Semiotiken einer Abwesenheit . 91 Frithjof Benjamin Schenk Die Produktion des imperialen Raumes. Konzeptionelle Überlegungen zu einer Sozial- und Kulturgeschichte der russischen Eisenbahn im 19. Jahrhundert . 109 Katharina Kucher Der Fall Noril’sk. Stadt, Kultur und Geschichte unter Extrem- bedingungen . 129 Susan E. Reid Building Utopia in the Back Yard. Housing Administration, Participatory Government, and the Cultivation of Socialist Community . 149 Christian Noack „Andere Räume“ – sowjetische Kurorte als Heterotopien. Das Beispiel Sotschi . 187 Wladislaw Hedeler Die Präsenz staatlicher Gewalt inmitten einer urbanen Umwelt. Das Beispiel Moskau . 199 VI Inhalt Oksana Bulgakowa Symbolische Topographie des neuen Moskau im Film. Wie eine Stadt im Kopf entsteht . 253 Klaus Gestwa Zwischen Erschöpfung und Erschließung. Zur Aneignung von Raum und Macht in der Sowjetunion . 279 Kurzbiografien der Autoren . 313 VII Verzeichnis der Tagungsteilnehmer Prof. Dr. Mark Bassin, Birmingham, [email protected] Prof. Dr. Oksana Bulgakowa, Berlin, [email protected] Prof. Dr. Susi Frank, Berlin, [email protected] Prof. Dr. Klaus Gestwa, Tübingen, [email protected] Prof. em. Dr. Carsten Goehrke, Zürich, [email protected] Prof. Dr. Gassan Gusejnov, Moskau, [email protected] Dr. Wladislaw Hedeler, Berlin, [email protected] Dr. Katharina Kucher, Tübingen, [email protected] Prof. Dr. Christian Noack, Maynooth, Maynooth Co. Kildare, Irland, [email protected] Prof. Dr. Susan E. Reid, Sheffield, s.e.reid@sheffield.ac.uk Prof. Dr. Frithjof Benjamin Schenk, Basel, [email protected] Dr. Wolfgang Schivelbusch, Berlin Prof. Dr. Karl Schlögel, Frankfurt/Oder (Stipendiat des Historischen Kollegs 2005/2006), [email protected] VIII Zur Einführung 1 Karl Schlögel Raum und Raumbewältigung als Probleme der russischen Geschichte Zur Einführung „Wo von Russland die Rede ist, rückt unweigerlich der ,russische Raum‘ ins Blickfeld, dessen Einzigartigkeit als größtes Staatsterritorium der Erde oft zur Er- klärung, auch zur Rechtfertigung des ,russischen Wegs‘ hervorgehoben wird, ei- nes historischen und politischen Sonderwegs, der nicht allein die Staatlichkeit und die Kulturentwicklung Russlands, sondern auch die Mentalität des Russentums (,russkost‘) zutiefst geprägt habe“, heißt es in einer unlängst erschienenen großan- gelegten Kulturgeschichte Russlands1. Vom „russischen Raum“ ist es dann meist nicht weit zur „russischen Seele“. Überhaupt scheint alles philosophische Nach- denken über Russlands Stellung in der Welt mit dem berühmten kategorischen Satz Petr Cˇ aadaevs anzuheben, mit dem das Manuskript seiner „Apologie eines Wahnsinnigen“ aus dem Jahre 1837 abbricht: „Es gibt ein Faktum, das unseren Gang durch Jahrhunderte hindurch beherrscht, unsere ganze Geschichte durch- zieht, in gewissem Sinne ihre ganze Philosophie in sich enthält, in allen Epochen unseres sozialen Lebens sich zeigt und ihren Charakter bestimmt; ein Faktum, das gleichzeitig das Wesenselement unserer politischen Größe und die wahre Ursache unserer geistigen Ohnmacht ist: das geographische Faktum.“2 In den modernen wissenschaftlichen Diskursen hat es der „russische Raum“ und erst recht „die russische Seele“ nicht leicht. Es ist nicht schwierig, sie als zu vage, als holistisch und für eine Analytik kaum brauchbar zurückzuweisen und sie einer Ideengeschichte zuzurechnen, in der es noch möglich war, mit völkerpsy- chologisch konzipierten Kollektivmentalitäten oder deterministischen Ableitun- gen zu operieren – seien sie nun biologischer oder geographischer Provenienz. Sie sind zudem semantisch vielfach kodiert, besonders in Deutschland, wo das Den- ken in räumlichen Kategorien durch den Nazigebrauch kontaminiert ist, und „Ostraum“ oder „russischer Raum“ immer noch Assoziationen zur nationalso- 1 Felix Philipp Ingold, Russische Wege. Geschichte, Kultur, Weltbild (München 2007) 7. Es handelt sich um die bisher gründlichste und ausführlichste Darstellung des Komplexes „rus- sischer Raum“ und „russische Seele“. 2 Peter Tschaadajew, Apologie eines Wahnsinnigen. Geschichtsphilosophische Schriften (Leipzig 1992) 174. 2 Karl Schlögel zialistischen Vision von einem bis an den Ural ausgeweiteten, deutsch-arisch be- herrschten Großraum auslösen kann3. Den wichtigsten Rückhalt aber schien die Rede vom russischen Raum seit jeher aus dessen schierer Evidenz zu beziehen – durch Tausende und Abertausende, immer wieder und aufs Neue gemachte Erfah- rungen mit dem Raum selbst, auf Reisen durch die Sowjetunion und den postsow- jetischen Raum, den Mythos der Transsib, die Zeiterfahrung auf der transkonti- nentalen Route zwischen Atlantik und Pazifik, die „Unberührtheit“ und die „Weite“ Sibiriens, die Menschenleere der durchquerten Räume. Die Weite der Landschaften, die schiere Grenzenlosigkeit des Territoriums, die Unzugänglich- keit von Naturräumen, der Eindruck, dass man mit einer Reise dorthin die zivili- sierte Welt hinter sich lasse, die Monotonie und Gleichförmigkeit des Raumes und die allgemeine Verlangsamung des Lebensrhytmus – all dies schienen auf der Hand liegende, offensichtliche Charaktere Russlands zu sein, die keiner weiteren Begründung oder argumentativen Unterstützung bedurften. Von der Fixierung
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