REVIER • ARCHIPEL VON ZADAR & KORNATEN Törn Zwischen gestern und morgen Zeitreise. Ob Rundblick vom Gipfel oder Grundblick unter die Meeresoberfläche – Jürgen Preusser spürte auf einem Segeltörn ab Murter der wechselhaften Geschichte der zerklüfteten Inselwelt Norddalmatiens nach yare1804_Kroatien.indd 20 22.03.18 17:13 Friedvoll. Ja, es gibt sie, die einsamen Ankerplätze, wie hier im Süden von Sušica. Selten allerdings und nicht zu jeder Jahreszeit verfügbar s ist, wie es ist – also auf zur In- Landgang, obwohl wir in der 180-Seelen- Jasmin wird hervorragende Zweite, die sel Ist. 24 Stunden lang sind wir Gemeinde quasi Heimatboden betreten Allegro muss sich leider mit dem vorletz- nach unserem Nass- und Kalt- würden. Der Uferweg ist nämlich im 19. ten Platz begnügen. In den Pausen fnden start aus der Marina Betina auf Jahrhundert erbaut worden, als Ist noch keine Protestverhandlungen, sondern Murter bei waagrechtem Dauer- Ost hieß und zur Österreichisch-Ungari- Badestopps in den Buchten der Inseln Eregen in diversen Cafés und Konobas der schen Monarchie gehörte. Tramerka und Škarda statt. allseits beliebten Metropole Zadar gehockt. Nachdem wir alle brav aufgegessen ha- Auf Škarda stehen zwar ein paar Häu- Einige von uns haben sogar unfreiwillig ben, dreht sich das Wetter endgültig zu un- ser, doch selbst im Hochsommer verirren auf den spiegelglatten Straßensteinen der seren Gunsten: Ein herrlicher Segeltag sich nur die Nachkommen der ehemali- Altstadt Platz genommen. Doch jetzt ver- kreuz und quer durch die unbewohnten gen Einwohner sowie eine Handvoll Tou- ziehen sich die Unwetter langsam und wir Inseln rund um Ist entschädigt uns für den risten hierher. Was aussieht wie eine Fes- können endlich die Leinen lösen. holprigen Törnbeginn. An Bord der beiden tung – übrigens mit Kanone –, ist ein ehe- Wieder auf See beschließen wir, in der baugleichen Bavaria Cruiser 40s aus der maliges Herrenhaus, das ab und zu als weitläufgen Südbucht von Ist unterhalb Pitter-Flotte kommt Regatta-Feeling auf, Grillrestaurant geöfnet haben soll. Wann, des kleinen Klosters zu ankern und an als Bahnmarken dienen uns die Felsen weiß keiner. Eine Bürgerinitiative mit dem Bord zu kochen. Wir verzichten auf den Funestrala, Galiola und Duzac. Unsere Ziel, die Fährverbindung nach Škarda wie- yare1804_Kroatien.indd 21 22.03.18 17:13 REVIER • ARCHIPEL VON ZADAR & KORNATEN Törn der aufeben zu lassen, verlief im Sand. Oder besser gesagt im Karst. Erschöpft von den schlussendlich aus- geglichenen Wettfahrten, gehen wir im Hafen der Insel Olib an die Außenmole und ergattern zwei der 15 Murings. Sofort wer- den wir von einem Fischer vor dem ansatz- losen und unberechenbaren Weststurm Ne- vera gewarnt, doch wir bleiben verschont. Unser Quotenburgenländer unterhält sich einstweilen mit ebendiesem Fischer in schichte der Insel greifar: Reste von Stein- Fahrräder verboten. Die Konoba Alavija einer undefnierbaren Sprache. Es stellt mauern und Häusern, verwilderte Weingär- und die Taverne Žalić wirken besonders sich heraus, dass es sich dabei um den süd- ten, trotzige Steineichen, knorrig verwach- verlockend. Doch unsere Zeit reicht nur slawischen Dialekt Čakavisch handelt, der sene Olivenbäume – viele davon älter als für einen Spaziergang, bei dem wir fest- nicht nur von den knapp 140 Bewohnern der älteste Inselbewohner Jarko, der im Mai stellen müssen, dass der östliche Hafen auf Olib, sondern auch in einigen Gemein- seinen hundertsten Geburtstag feiert. Ein- in jeder Hinsicht besser gewesen wäre. den im Südburgenland gesprochen wird. mal in der Woche geht er auf den Berg um Manchmal soll man der einschlägigen Sachen gibt’s. Kräuter zu sammeln. „Für Medizin?“, frage Literatur einfach glauben ... Im 15. Jahrhundert fohen zahlreiche ich. „Nein, für Schnaps“, lacht der Uropa aus Ab Mittag kreuzen wir unter wolken- Menschen aus der südkroatischen Fest- New Jersey. „Das schmeckt besser und hält losem Himmel bei zwanzig Knoten West- land-Stadt Vrlika vor den Osmanen und jung.“ Von hier oben erkennt man auch die wind Richtung Premuda. Ein weiteres span- landeten schließlich auf Olib. Diese Flücht- Untiefen, die das Ankern in der Doppel- nendes Hobby-Rennen nimmt seinen Lauf, linge wurden in Folge immer wieder von bucht Slatina im Osten der Insel riskant vorbei an den in einer Linie aufgefädelten, Piraten aus Senj überfallen, weshalb sie ei- machen. Ein fulminantes Sepia-Risotto in unbewohnten Greben-Felseninseln und ih- nen Wehrturm errichteten, der bis heute der Konoba Bočvica direkt am Westhafen ren gefährlichen Untiefen. Auch vor dem vollständig erhalten ist. In den 1920er Jah- beschließt einen lehrreichen Tag. Hafen Luka Krijal im Nordwesten von Pre- ren lebten hier über 2.000 Menschen von muda spannt sich eine schnurgerade Insel- Wein und Oliven. Dann kam die Reblaus – Wie Perlen auf der Schnur kette. Sie sorgt dafür, dass man hier auf ei- damals ein unbezwingbarer Feind. Jetzt Carpe diem, nütze den Tag. Die Botschaft ner sehr großen Fläche geschützt ankern reichte es endgültig: Fast alle wanderten in begrüßt uns als Grafti an der Kaimauer kann. Mit dem Segelboot ist keine einzige die Vereinigten Staaten aus. Nur die Alten der Römer-Insel Silba. Gern gesehen ist der vier Durchfahrten zwischen den Inseln blieben. Ein paar Nachfahren der Auswan- man im westlichen Hafen Žalić nicht ge- möglich. Beim Ankern sollte man auf Fel- derer kamen zurück, um hier ihren Lebens- rade. Ein Uniformierter – mehr Briefträ- sen und Betonblöcke achten, da hier bis vor abend zu verbringen. Im Hochsommer ger als Polizist – verweist uns freundlich Kurzem zahlreiche Bojen ausgelegt waren. werden sie nicht selten von ihren Enkeln auf Luka Silba an der Ostseite der Insel. 500 „Aber jetzt gibt es Streit mit den Behörden“, und Großenkeln besucht. Dann wird hier Meter Luftlinie, aber etwa sechs Meilen per schnaubt Vjelko, der Wirt der Konoba Ma- weder Čakavisch noch Kroatisch, sondern Schif. Auch auf Silba lebten einst fast 2.000 sarine. Der Sachverhalt ist ofenbar so kom- American English gesprochen. Menschen; jetzt sind es gerade einmal 300. pliziert, dass er seinen Erklärungsversuch Für jene, die sich durch die Macchia auf Hier ist mehr los als auf der Zwillingsinsel fuchend abbrechen muss. den nicht einmal hundert Meter hohen Olib, obwohl es kein Auto, nicht einmal Der Zorn ob der verweigerten Bojen-Li- Berg Kalac durchschlagen, wird die Ge- ein Moped gibt. Im Sommer sind sogar zenz wirkt sich zum Glück nicht auf seine 22 yachtrevue.at • 4|18 yare1804_Kroatien.indd 22 21.03.18 17:29 Wertvoll. Private Marina und Restau- rant Levrnaka auf einer Landenge mit zwei Meerzugängen (oben) Sinnvoll. Für eine Handvoll Kuna er- spart der Fährmann von Zadar den Yachties den langen Weg in die Altstadt (links) Stilvoll. Wer in Ist (ganz li.) die Prome- nade entlang spa- ziert, wandelt auf k.u.k.-Spuren Kochkünste aus. Spezialität von Vjelko, nem Unterwasser-Höhlensystem mit porö- dem man ansieht, dass ihm sein Essen sem Dach, liegt in 15 Metern Tiefe. Nur Pro- auch selbst schmeckt, ist der immer popu- fs mit Sondergenehmigung kommen in lärer werdende Eintopf Peka, der in einem den Genuss der zauberhaften Lichtspiele. Spezialgefäß aus Ton und Eisen direkt in der Holzkohlen-Glut vor sich hin schmur- Zeugen der Vergangenheit gelt. Leider haben wir nicht vorbestellt und Die Gewässer rund um Premuda sind fsch- sind auch noch spät dran. „Eine gute Peka reich, voll von Delfnen und geschichts- braucht fast sechs Stunden“, winkt Vjelko trächtig: Die Szent István, ein gewaltiges ab. Zum Glück schmeckt auch seine reich- Schlachtschif der k.u.k Kriegsmarine, wur- haltige und preisgünstige Fischplatte. de am 10. Juni 1918 bei der Insel Lutroš- Premuda ist eine Kräuterinsel. Es riecht njak an der Nordspitze der Insel von zwei nach Thymian, Salbei und Lavendel. Torpedos getrofen, sank auf Position 44° 12’ „Kommt doch zum Frühstück auf ein Spar- 7’’ N, 014° 24’ 5’’ E westlich von Škarda und gel-Omelette“, schlägt Vjelko vor. Wilder liegt heute auf 66 Meter Tiefe. Ein beein- Spargel und ganz spezielle rötliche Erdäp- druckender Kurzflm vom Untergang der fel, diese Spezialitäten gibt es nur hier; sie Szent István ist übrigens auf YouTube zu fn- locken Gourmets aus aller Herren Länder den. Der Kommandant der beiden Torpedo- an. Die Bewohner der Insel – heute sind es boote, Luigi Rizzo, gilt als italienischer knapp 70 – blieben vor keinem Krieg ver- Nationalheld. Er hatte auf einer völlig er- schont. Piratenkriege, Weltkriege und Bal- eignislosen Patrouillenfahrt die mächtige kankriege hinterließen ihre Spuren. „Wir Rauchfahne der Szent István bemerkt. Die haben gelernt, uns selber zu versorgen“, er- Kohle war feucht geworden – vielleicht hat- zählt Vjelko. Obst und Gemüse gibt es in te es ja zuvor so stark geregnet wie neulich Hülle und Fülle und in bester Qualität. in Zadar. Auch ein Seemann aus Premuda Neulich geschah ein kleines Wunder: „Wir befand sich an Bord der Szent István. Er haben ein Wildschwein gesehen“, lacht der überlebte im Gegensatz zu 85 anderen Ma- volksnahe Wirt, „kein Schwein weiß, wie es trosen und vier Ofzieren den Untergang auf die Insel gekommen ist. Leider sind wir und durfte zurück auf seine Heimatinsel. als Jäger ziemlich untalentiert.“ So wie wir Hundert Jahre später verläuft unser als Taucher: Der Eingang zur Katedrala, ei- Segel-Duell vergleichsweise friedlich. Ziel yachtrevue.at • 4|18 23 yare1804_Kroatien.indd 23 21.03.18 17:29 REVIER • ARCHIPEL VON ZADAR & KORNATEN Törn ist die große Bucht Pantera bei Leuchtfeu- er Veli Rat im Nordwesten von Dugi Otok. Die Allegro bewältigt die 15 Seemeilen als Schmetterling platt vor dem Wind, wir auf der Jasmin kreuzen vor dem Wind, legen 22 Meilen zurück und nehmen der Allegro trotzdem eine halbe Stunde ab. Spätestens jetzt haben alle begrifen, warum Regatta- segler die Schmetterlingsfahrer gerne be- lächeln. Außerdem sind wir ziemlich genau über das Wrack der Szent István gesegelt. Besonders die beiden perfekt geschützten ziert. Eine echte Institution der Insel fnan- Bei einem anderen Wrack – dem Frachter Buchten Lučina und Podgarbe sind Revier- ziert sich hingegen selbst: Die Konoba Lanterna (siehe auch Kasten auf Seite 26) – kennern (und Tauchern) wohl bekannt und Mandrac.
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