![Hans Tietmeyer (* 18. August 1931 † 27. Dezember 2016)](https://data.docslib.org/img/3a60ab92a6e30910dab9bd827208bcff-1.webp)
Hans Tietmeyer (* 18. August 1931 † 27. Dezember 2016) 29. Dezember 2016 In Memoriam Ludwig-Erhard-Stiftung | 1 Hans Tietmeyer (* 18. August 1931 † 27. Dezember 2016) Hans Tietmeyer (* 18. August 1931 † 27. Dezember 2016) Am 27. Dezember 2016 ist Prof. Dr. Hans Tietmeyer im Alter von 85 Jahren verstorben. Die Ludwig-Erhard-Stiftung trauert um ein langjähriges Mitglied und eine herausragende Persönlichkeit, die sich viele Jahrzehnte für die Soziale Marktwirtschaft eingesetzt hat. In Würdigung dieser Lebensleistung veröffentlichen wir nachfolgend erneut die Laudatio, die Prof. Dr. Otto Schlecht, damaliger Vorsitzender der Stiftung, anlässlich der Verleihung der Ludwig-Erhard- Medaille für Verdienste um die Soziale Marktwirtschaft an Hans Tietmeyer am 20. März 2000 in Frankfurt gehalten hat. Laudatio auf Hans Tietmeyer Von Staatssekretär a.D. Prof. Dr. Otto Schlecht Ludwig Erhard hatte die Medaille 1975 gestiftet. Sie ist seither an elf Persönlichkeiten verliehen worden, die sich – so steht es in der Satzung – durch beispielhafte Leistungen um das Gesamtwohl, den Bestand und die Fortentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft verdient gemacht haben. Die Laudatio hält traditionell der Vorsitzende der Ludwig-Erhard-Stiftung. Aber bei Hans Tietmeyer kommt eine Menge mehr dazu, und deshalb freue ich mich ganz besonders, lieber Herr Tietmeyer, dass ich die Verleihung begründen darf. Wir waren ein Vierteljahrhundert ein eingeschworenes Team, ein Tandem – haben Sie einmal gesagt – in Sachen Sozialer Marktwirtschaft. Vielleicht darf ich salopp sagen: Auf dem Tandem saß im BMWi ich vorne, und hinten strampelte Hans Tietmeyer, und als er Staatssekretär im Finanzministerium wurde, saß er vorn, aber er strampelte auch dann noch. Ich weiß aus ganz persönlicher Erfahrung und langjähriger Zusammenarbeit: Er ist exakt einer von denen, die Ludwig Erhard gemeint hat, als er die Medaille stiftete. Erhard hat einmal gesagt: „Die Währung an sich ist kein Selbstzweck. Aber wir wissen doch aus bitterster Erfahrung gut genug, dass eine gedeihliche wirtschaftliche Entwicklung sich nur auf der Grundlage einer gesunden Währung vollziehen kann.“ Meine Damen und Herren, nun weiß ich natürlich, es wäre viel sinnvoller, Eulen nach Athen zu tragen oder Wasser in den Main zu gießen, als eine so bekanntermaßen um die Währung verdiente Persönlichkeit wie Hans Tietmeyer für Verdienste um die Sicherung des Geldwertes ehren | 2 Hans Tietmeyer (* 18. August 1931 † 27. Dezember 2016) zu wollen. In seiner Funktion als Mitglied des Direktoriums und Vizepräsident und später als Präsident hat er einen konsequent stabilitätsorientierten Kurs vertreten. Jeder weiß, dass er das mit beispiellosem Erfolg in schwieriger Zeit getan hat und dass er sich dabei gegen vielerlei nationale und internationale Widerstände zum Wohle des vereinten Deutschlands und Europas durchgesetzt hat. Die großartigen Erfolge von Hans Tietmeyer wurden – die meisten von Ihnen haben das gehört – in der Feierstunde anlässlich seines Abschieds von der Deutschen Bundesbank im letzten Herbst in nicht weniger als sechs Laudationes herausgestellt, und beim anschließenden Empfang habe ich mir mindestens noch einmal so viele Laudationes anhören dürfen. Es war – wie wir alle wissen – eine sehr eindrucksvolle Veranstaltung, und die können wir heute gar nicht überbieten. Ich möchte also in meiner heutigen Laudatio deshalb einen anderen Schwerpunkt setzen. Ich meine nämlich: Das Verständnis von Hans Tietmeyer für das Anliegen, die Idee und das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft ist grundlegend für sein geldpolitisches Wirken, und nur aus diesem Verständnis heraus lässt sich sein so unzweifelhaft klares Engagement für die Geldwertstabilität verstehen. Ich muss deshalb ein wenig zurückgreifen. Eine seiner geistigen Wurzeln liegt ohne Zweifel im münsterländischen Katholizismus und einem entsprechenden Elternhaus. Nach dem Abitur begann Hans Tietmeyer zunächst das Studium der katholischen Theologie und beschäftigte sich zudem mit christlicher Sozialwissenschaft und Sozialpolitik. Das bereitete schließlich das Fundament für seine Entscheidung, die den Werdegang des damals 22 Jahre alten Hans Tietmeyer bestimmen sollte. Rückblickend sagte er in einem Interview: „Ich merkte, dass das alles nicht reicht, man kann nicht nur von der sozialpolitischen Seite der Verteilung und Absicherung herkommen, man muss an die Grundlage der Ökonomie heran. Zu meiner christlichen Motivation stehe ich bis heute, nur wurde mir im Laufe der Zeit immer deutlicher, dass das soziale Engagement eine ökonomische Basis braucht. Deswegen habe ich mich in das Wirtschafts- und Finanzwesen eingearbeitet, aus diesem Grunde ging ich zum Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften nach Köln.“ Dort hatte er bereits als Schüler von Alfred Müller-Armack das wissenschaftliche Konzept der Sozialen Marktwirtschaft verinnerlicht. Mit ihm hat er diese Ordnung nicht nur als Wettbewerbsordnung, sondern als umfassenden Gesellschaftsentwurf verstanden. Seine geistigen Wurzeln treffen sich in seiner Diplomarbeit bei Müller-Armack über „den Ordobegriff in der katholischen Soziallehre“. Für den Ökonomen Tietmeyer war die Verbindung von Markteffizienz und - freiheit mit sozialem Ausgleich stets auch die Versöhnung von liberalem Gedankengut mit christlicher Soziallehre. Nun, es konnte nicht anders sein: Mit dieser Motivation musste aus Hans Tietmeyer ein überzeugter marktwirtschaftlicher Ordnungspolitiker werden. Eine klare Ordnung, die das | 3 Hans Tietmeyer (* 18. August 1931 † 27. Dezember 2016) menschliche Handeln zu einem vernünftigen Ergebnis bringt, ist notwendig, um die Welt in Gang und für nachfolgende Generationen lebensfähig zu erhalten. Er hat die Rolle des Ordnungspolitikers immer so verstanden, auf die langfristigen Folgen von Grundverstößen gegen die Wirtschaftsordnung hinzuweisen. Die Prinzipien der Marktwirtschaft – so sein Credo – müssen gegen alle organisierten Partikularinteressen durchgesetzt werden. Hans Tietmeyer begann seine wirtschaftspolitische Karriere 1962 im wirtschaftspolitischen Grundsatzreferat des BMWi, also noch unter Ludwig Erhard. Und eine seiner ersten Aufgaben war – und ich weiß das als sein damaliger Referatsleiter – die Erarbeitung eines Vorschlags zu den Möglichkeiten einer breiten Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen. Ludwig Erhard hatte ja damals die Vision, die Soziale Marktwirtschaft auch zu einer „Gesellschaft von Teilhabern“ fortzuentwickeln. Leider ist dies bis heute nur unzureichend gelungen. Wir haben in diesem Referat auch das Sachverständigenratsgesetz entworfen, erste Überlegungen zu einem Stabilitätsgesetz veranstaltet und federführend die Konzentrations-Enquete betreut, die ja auch dann zur Fortentwicklung der Wettbewerbspolitik beigetragen hat. Sie erinnern sich, Ludwig Erhard hatte dann als Bundeskanzler seine Vorstellung von der „Formierten Gesellschaft“ entwickelt. Hans Tietmeyer und ich fanden den Begriff missglückt, den Inhalt viel zu vage, aber die Grundidee ganz gut. Wir wollten ihr einen konkreten und ordnungskonformen Inhalt verschaffen und legten dem Minister Kurt Schmücker und er dann dem Kanzler ein Memorandum für die Etablierung eines regelmäßigen wirtschaftlichen und sozialen Dialogs vor. Daraus wurde dann wegen des baldigen Endes der Regierung Erhard nichts, aber Karl Schiller fand Vorarbeiten für seine Konzertierte Aktion. Auch unter dem neuen Wirtschaftsminister dauerte die fruchtbare und in der gleichen ordnungspolitischen Tradition stehende Zusammenarbeit an. Herr Tietmeyer, ich denke, wir können nicht abstreiten, dass auch wir beide dem wissenschaftlichen und politischen Zeitgeist unterlagen, den der eloquente Karl Schiller in die einprägsame Formel brachte „Synthese von Freiburger Ordnungsimperativ und Keynesianischer Botschaft“. Wir legten aber, und ich gestehe, Herr Tietmeyer mehr als ich, mehr Wert auf den ersten Teil dieser Synthese und konnten den Minister auch von einigen überzogenen Vorhaben für das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz und für die Konzertierte Aktion abbringen. Bis zum Ende der 60er Jahre hatte sich Hans Tietmeyer auch als pointierter und kompetenter Europa- und Währungspolitiker profiliert. Folgerichtig wurde er Mitglied und Mitgestalter der sogenannten Werner-Gruppe. Sie alle wissen, dass die nach dem damaligen luxemburgischen Ministerpräsident Pierre Werner benannte Arbeitsgruppe 1970 das erste Konzept für eine Europäische Währungsunion, den Werner-Plan, entwarf. Da Hans | 4 Hans Tietmeyer (* 18. August 1931 † 27. Dezember 2016) Tietmeyer Mitglied dieser Werner-Gruppe war, müssen wir ihm heute neidlos bescheinigen: Keiner hier im Saal war so früh wie er an der Grundlegung der Europäischen Währungsunion beteiligt. Und er war nicht nur beteiligt, Hans Tietmeyer hat damals die unverzichtbaren Anforderungen an eine funktionstüchtige Währungsunion in den Werner- Plan einbringen können. Sein wesentliches Anliegen war die dreifache Parallelität, die er so formulierte: „Nur wenn die Währungsunion ökonomisch fundiert ist und funktioniert, kann sie integrations- und friedensstiftend wirken. Sie braucht ein stabiles und auf Dauer angelegtes ökonomisches und politisches Fundament.“ An dieser Überlegung von Hans Tietmeyer hat sich prinzipiell nichts geändert. Sie hat seine Position zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion geprägt und sie stellt auch heute noch die Bedingung für das Gelingen der Europäischen Währungsunion dar. Als 1973 Hans Friderichs neuer Bundeswirtschaftsminister wurde, da waren er und ich uns absolut einig, dass Herr Tietmeyer der beste
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