Eveline Brugger/Birgit Wiedl Regesten zur Geschichte der Juden in Österreich im Mittelalter Band 1: Von den Anfängen bis 1338 Herausgegeben vom Institut für Geschichte der Juden in Österreich Eveline Brugger / Birgit Wiedl Regesten zur Geschichte der Juden in Österreich im Mittelalter Band 1: Von den Anfängen bis 1338 unter Mitarbeit von Manfred Anselgruber, Susanne Fritsch, Ulrike Hauer, Sabine Hödl, Martha Keil, Julia Kleindinst, Harald Krahwinkler, Klaus Lohrmann, Germana Mayer, Claudia Reichl- Ham, Brigitte Resl, Juraj Šedivý, Shlomo Spitzer, Bettina Walzer, Markus Wenninger Veröffentlicht mit Unterstützung des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung © 2005 by Studienverlag Ges.m.b.H., Amraser Straße 118, A-6020 Innsbruck e-mail: [email protected] Internet: www.studienverlag.at Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar. ISBN 3-7065-4018-5 Alle Rechte vorbehalten. Inhalt Einleitung 7 Regesten von den Anfängen bis 1338 15 Abkürzungsverzeichnis 353 Literaturverzeichnis 357 Register 393 5 6 Einleitung Eine Sammlung mittelalterlicher Quellen zur Geschichte der Juden im gesamten Gebiet des heutigen Österreich existierte bisher nicht. Die noch auf die Monarchiezeit zurück- gehenden Sammlungen für Ungarn und Böhmen1 besitzen für den österreichischen Raum keine Entsprechung. Die 1862 erschienene, bis 1500 reichende Regesten- sammlung Meir Wieners2, dessen Augenmerk allerdings auf dem gesamten Reich lag, ist der erste Versuch einer Zusammenfassung des bis dahin bekannten Urkundenmaterials, darunter auch einige Belege für den heute österreichischen Raum. Österreichische Belange finden sich auch im 1902 erschienenen Werk von Julius Aronius3, in dem ebenfalls das ganze Reichsgebiet behandelt wird; auch diese Sammlung enthält lediglich bereits zuvor bekannte Quellen und wurde nur bis zum Jahr 1273 geführt. Neben diesen Werken, die einen großräumigen Gesamtüberblick zum Ziel haben und österreichische Betreffe nur am Rande behandeln, gibt es einige Arbeiten zu österreichi- schen Beständen, die jedoch unter verschiedenen Aspekten nur begrenzte Ausschnitte bieten.4 Das für den deutschsprachigen Raum insgesamt bedeutendste Sammelwerk ist die 1903 begonnene Germania Judaica (GJ), die in drei Abteilungen "alle Landschaften und Orte des deutschen Reiches, wo [...] jüdische Ansiedlungen bestanden oder hervorragende Juden gelebt haben", von den Anfängen bis 1519 verzeichnet und neben einer knappen Darstellung der jüdischen Geschichte jedes Ortes eine Auflistung der wichtigsten Quellen bietet, ohne jedoch auf die Quellen selbst näher einzugehen. Eine umfassende Sammlung und Erschließung des weit verstreuten Urkundenmaterials, das für eine Darstellung der Geschichte der Juden Österreichs im Mittelalter im Kontext ihrer gesamten Umwelt unverzichtbar ist, war bisher jedoch noch ausständig. Zur Schließung dieser Forschungslücke wurde 1988 das Unternehmen der Erfassung und Aufbereitung der mittelalterlichen Quellen zur Geschichte der Juden in Österreich in Form von Regesten am Institut für Geschichte der Juden in Österreich ins Leben ge- rufen. Es handelt sich dabei um den ersten Versuch, jüdische und auf Juden bezogene mittelalterliche Quellen im geographischen Rahmen des heutigen Bundesgebietes in einem Gesamtwerk zusammenzufassen und zugänglich zu machen. Die beiden wichtigsten Auswahlkriterien für die Aufnahme von Quellen in diese Sammlung waren einerseits das personelle, also die Nennung eines oder mehrerer Juden im Quellentext, andererseits das geographische Kriterium des Österreichbezugs. 1 Für Ungarn siehe MHJ 1, 5/1; für Böhmen siehe Bondy/Dworský, Juden in Böhmen. 2 Wiener, Regesten 1. 3 Aronius, Regesten. 4 So behandelt z. B. Herzog, Regesten Steiermark nur den Zeitraum von 1475 bis 1585, greift also schon über das Mittelalter hinaus. Spitzer, Hebräische Urkunden bzw. ders., Hebrew Deeds ediert einige hebräische Urkunden aus dem 13. und 14. Jahrhundert. Eine Zusammenstellung von – hauptsächlich historiographischen – Quellen zur Pulkauer Judenverfolgung von 1338 bringen Anselgruber/Puschnik, Pulkau. 7 Zeitlich reicht der vorliegende erste Band von den ersten Nachrichten über Juden auf österreichischem Gebiet bis zum Jahr 1338, dem Jahr der großen, von Pulkau in Nieder- österreich ausgehenden Judenverfolgung. Den Grundstock des Materials bilden urkundliche Aufzeichnungen, wobei Original- urkunden und Kopialüberlieferungen ebenso gesammelt wurden wie Stücke, die nur mehr in Drucken oder Regesten vorliegen. Dieses urkundliche Quellenmaterial ist im europäischen Vergleich für Österreich ungewöhnlich reichhaltig überliefert, jedoch – vor allem ab dem 14. Jahrhundert – bisher nur zu einem sehr kleinen Teil bearbeitet. Während die meisten Regestenwerke nur Urkunden enthalten, soll diese Quellen- sammlung aufgrund ihrer thematischen Einzigartigkeit einen möglichst breiten Überblick bieten. Daher wurden auch zeitgenössische5 historiographische, literarische und theologische Quellen in die Sammlung aufgenommen. Diese sind zwar anderen Quellengattungen zuzuordnen als das urkundliche Material, sie sind jedoch einerseits unerläßlich für einen historischen Gesamtüberblick über die Geschichte der Juden im mittelalterlichen Österreich, andererseits – im Gegensatz zu den seriellen Quellen – von so geringer Zahl, daß sich eine gesonderte Publikation als unökonomisch erwiesen hätte. Als nicht in die gewählte Form der Darstellung integrierbar erwiesen sich serielle Quellen, v. a. Wirtschaftsaufzeichnungen wie Urbare und Rechnungsbücher, die eine andere Art der Aufarbeitung und Präsentation erfordern, um den Charakter dieses Quellentyps nicht zu verfälschen.6 Dies trifft ebenso auf die rabbinischen Quellen zu, deren eigenständigem Charakter ebenfalls in einer gesonderten Bearbeitung Rechnung getragen werden soll. Eines der beiden Hauptkriterien für die Aufnahme eines Stücks in die Regestensamm- lung, die Nennung jüdischer Personen(gruppen) in der betreffenden Quelle, ist mit dem Auftreten konkreter Personen näher zu spezifizieren. Dies bedeutet, daß – abgesehen von der direkten Beteiligung eines Juden bzw. einer Jüdin – auch alle jene Urkunden Aufnahme fanden, in denen auf Juden, wenn auch ohne namentliche Nennung, hinge- wiesen wird. Dies betrifft neben allgemeinen Erwähnungen von Juden wie beispielsweise in Privilegien oder Stadtrechten vor allem Verkäufe von Grundstücken, die zuvor an oft nicht namentlich genannte Juden verpfändet gewesen waren, und die sogenannte Aufnahme von Geld auf "Judenschaden", das heißt die Aufnahme eines verzinslichen Darlehens bei Juden. Im zweiten Fall ist eine Unterscheidung zwischen der Nennung konkreter Personen und einem Auftreten von Juden in rein formelhaften Wendungen oft schwer zu treffen. Aufgenommen wurden prinzipiell jene Urkunden, in denen explizit eine Aufnahme auf Judenschaden vorgesehen war, also eine potentielle Beteiligung von 5 Diese Richtlinie bedingte den Wegfall späterer, oft sehr phantasievoller historiographischer Werke, die über angebliche Judenansiedlungen der Frühzeit berichten, so zum Beispiel die "Chronik der 95 Herrschaften", deren Herrscherlisten bis zu angeblichen jüdischen Herrschern in biblischer Zeit zurückreichen. Ebenfalls nicht aufgenommen wurden deutlich später entstandene annalistische Werke und Berichte über Judenverfolgungen, vor allem über die Verfolgung des Jahres 1338, die noch in die Historiographie des 15. Jahrhunderts ihren Eingang fand. 6 Eine getrennte Publikation der seriellen Quellen ist am Institut für Geschichte der Juden in Österreich geplant. 8 Juden an dem weiteren Verlauf des Geschäftsganges gegeben war, wenn auch diese Juden in der Urkunde nicht näher spezifiziert wurden.7 Ausgeklammert hingegen blieben jene Urkunden, in denen kein Hinweis auf eine tat- sächlich mögliche Beteiligung von Juden zu finden ist. Dies betrifft zum einen jene (seltenen) Urkunden, in denen der "Judenschaden" lediglich zur näheren Bestimmung eines Zinssatzes diente8, zum anderen die wesentlich häufiger anzutreffenden Urkunden, in denen Juden im Rahmen der sogenannten Juden-Christen-Formel Erwähnung finden. Diese Formel tritt ab dem Ende des 13. Jahrhunderts auf und ist meist als Bestandteil der Schadlos-, Gewährleistungs- oder Schutz- und Schirmformel zu finden. Als geradezu klassisches Beispiel ist etwa eine Urkunde Adelheids von Ternberg aus dem Jahr 1318 anzuführen, in der sie ihrem Schwiegersohn Ludwig von Zelking einen Hof gegen eine jährliche Zahlung überläßt; die Urkunde enthält für den Fall einer Zahlungs- verweigerung neben konkreten Einlagerbestimmungen auch eine Schutzübernahme durch die Herzöge von Österreich, die Adelheid allen Schaden der mir der auf get mit zerung oder mit poten ze juden oder ze christen aus dem gesamten Gut ihres Schwieger- sohnes ersetzen sollen.9 Die Juden-Christen-Formel trat in den Urkunden jedoch nicht nur im obengenannten Zusammenhang mit einer Schadlos- oder Gewährleistungsformel auf, sondern konnte auch im Sinne von "jedem/jedermann" Verwendung finden. So versprach etwa Otto von Weißenegg in seinem Vergleich mit dem Bischof von Bamberg diesem unter anderem, jedwede Streitigkeiten mit Untertanen des Bischofs, es seyn christen oder juden, vor den Lavanter Bischof Konrad zu bringen.10 Eines der gravierendsten Probleme stellt sich mit der Frage nach der "Identifizierung" einer Person als Jude/Jüdin. Üblicherweise wird die betreffende Person in den Quellen
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