Lebenslinien »Ich wollte alles am e..Igenen leIb spUren« Sie sprengte die Kommune 1, verdrehte Mick Jagger den Kopf, experimentierte mit Drogen, reiste als Aussteigerin um die Welt: Uschi Obermaiers Leben ist eine einzige Grenzerfahrung. Im DONNA-Interview spricht die Ikone der 68er über die abenteuerliche Reise zu sich selbst FOtos: gabO/ageNtur focus. INteRvIeW: KAtja heRtin, mark kuntz Leben nach dem Lustprinzip: Uschi Obermaier scherte sich nie um Konventionen. Davon zeugt auch der auffällige Abstand von Kopf- und Lebenslinie über dem Daumen – der steht für Spontaneität und einen Menschen, der neue Wege geht 7/2011 =>Donna 91 Lebenslinien »trauern zu können, wäre mal ein Anfang. »Sex ist meine Das habe ich nie Religion. gemacht« Aber nur mit Liebe. Sex ohne Liebe ist traurig und verzweifelt« Giefer Schal: taiana 7/2011 =>Donna 93 Lebenslinien DONNA: Die wilden Zeiten Ihrer er ist nicht gekommen, obwohl wir Lebenslinie beginnen Anfang der verabredet waren. 60er-Jahre in München. Was war Sie waren früh unabhängig? das für eine Zeit? Ja, musste ich. Meine Mutter und Uschi Obermaier: Miefig, kleinbür- ich, wir lebten in getrennten gerlich, spießig. Leute, die den Welten. Sie wollte, dass ich Sekre- »Die Stones Zum InterviewZ rauscht Uschi ganzen Tag aus dem Fenster hin- tärin werde. Ich wollte nicht mehr waren so, Obermaier mit Hut und souve- gen: „Sie da, da dürfen S’ aber net auf die Schule, sondern Grafikerin ränem Hüftschwung in die Lounge parken“, in der Art. Alles war un- werden. Dann hat mich meine wie ich immer im elften Stock eines Berliner Ho- glaublich eng, mir hat es die Luft Mama in die Lehre gesteckt. Tief- tels ein. Sie sei am Vorabend mit zum Atmen genommen. druckretusche. Kataloge. Morgens sein wollte. einer Freundin ein bisschen ver- Wenn einem die Luft zum Atmen um sieben vor den anderen da sein, So frei, so wild« sackt, erzählt sie. Sie spricht ange- fehlt, muss man ja schon früh ein Bild die dreckigen Patronen auswa- nehm offen, uneitel und authen- von einem anderen Leben im Kopf schen, der Chef ein Nazi, es war die tisch. Wie sehr sie das Fotoshoo- haben, oder? Hölle, eine Vergewaltigung. Da ting in der Orangerie von Schloss Ich wollte schon als Kind in die habe ich mir gedacht: Für den Rest Sanssouci genossen hat und dass Welt hinaus, ich hatte einfach im- meines Lebens will ich Herrin über sie mit der Fotografin vereinbart mer den Drang. Doch leider bin meine Zeit sein, will mich nicht hat, die Bilder nicht am Computer ich nur bis zum Starnberger See mehr von anderen bestimmen las- bearbeiten zu lassen. Dass man gekommen, da hatte mein Onkel sen. Das hat relativ gut geklappt. sehen soll, dass sie 64 Jahre alt ist, ein Haus. Mein Traum war, dort zu Sie sind dann ziemlich konsequent und dass es „eine Unverschämtheit leben, wo Palmen sind und Zypres- in die angesagten Münchner Clubs den anderen erwachsenen Frauen sen. Jetzt wohne ich wirklich da (im ausgegangen. Kann man sagen: gegenüber wäre“, die Bilder zu ma- Topanga Canyon bei Los Angeles). Über die Musik kamen Sie raus aus nipulieren. Ganz schön mutig für Auf meinem Grundstück stehen der beklemmenden Enge? eine Frau, die mal das schönste Ge- eine Palme und drei Zypressen. Ich Ja, es war eine Revolution! Mode, sicht der 60er-Jahre war, einer Zeit, bin da, wo meine Mama mich im- Musik, Gesinnung, alles war total tion als sich eine neue Generation gegen mer hingewünscht hat, wenn ihr neu. Als ich zum ersten Mal die K olle die biedere Aufbau- und Wir-sind- was mit mir nicht gepasst hat: „Geh Beatles gehört habe mit „Love me K wieder-wer-Generation auflehnte. doch dahin, wo der Pfeffer wächst.“ do“ war ich wie vom Blitz getrof- An meiner Einfahrt entlang wach- fen. Die Beatles waren der Anfang, sen Pfefferbäume. aber erst die Stones waren wirklich chi obermaier Ihre Eltern haben sich getrennt, als so, wie ich immer sein wollte. So S : u USchI ObermaieR wurde 1946 in München- Sie sechs waren. Wie haben Sie das frei, so wild. Damals kam man ja K Sendling geboren. eine Ausbildung zur Retu- damals empfunden? auch noch viel leichter an Musiker chmuc scheurin brach sie ab und widmete sich dem S Es war schlimm für mich, denn ich ran. Immer wenn ich in den Zei- aufblühenden Münchner Nachtleben. Als Mo- del wurde sie zunächst für die zeitschrift „twen“ habe meinen Vater danach nur tungen Typen gesehen habe und entdeckt, später schaffte sie es auf den titel der noch unregelmäßig gesehen. Ich dachte: „Der gefällt mir, den will : lala berlin. amerikanischen vogue. Darüber hinaus wurde war ja wahnsinnig verliebt in mei- ich“, hat das geklappt. Es gab back- S sie 1968 durch überwiegend inszenierte Fotos in nen Vater. Er war mein Idol. stage zwar auch Kontrollen, aber der berliner Kommune 1 mit Rainer Langhans Ein schöner Mann? nicht so streng wie heute. bekannt. Legendär sind ihre Affären mit Mick leid recht Ja, ein schöner Mann. Und das Stimmt die Geschichte, dass Sie Rai- K Jagger und Keith Richards in den 70er-Jahren schwarze Schaf in der Familie, aber ner Langhans eifersüchtig machen uche. sowie ihre turbulente beziehung zu dem ham- a burger Kiezkönig Dieter bockhorn. Nach seinem das heiß geliebte schwarze Schaf. wollten, indem Sie mit Jimi Hendrix tod beginnt Uschi Obermaier, mit Silberschmuck Ich bin noch Jahre nach der Tren- in der Kommune 1 auftauchten? zu arbeiten, und findet ein neuesz uhause in Ka- nung mit der Straßenbahn zu ihm Ja. In der Kommune hieß es ja im- 90: Kaviar G 90: Kaviar lifornien. Die Designerin (www.schmuck.de) lebt gefahren, hab auf der großen Ei- mer, es dürfe keine Eifersucht mehr heute in den bergen bei Los Angeles. sentreppe, die rauf zu seiner Woh- geben. Also musste ich zusehen, nung führte, auf ihn gewartet, und wie mein Lover Rainer mit einer Kleid auf S. 94 =>Donna 7/2011 7/2011 =>Donna 95 Lebenslinien anderen auf der Matratze nebenan mein Ding ist, fand ich den Ansatz wenn du mein Zuhälter wirst.“ sensitiv. Aber es hält nicht lange an, zugange war. Ich habe mir gedacht: richtig: Eigentlich haben wir alle Aber das war ihm unangenehm, er es geht sehr schnell nur noch dar- Gut, einen Versuch war’s wert, aber die gleichen Probleme, aber jeder wollte sein Geld selbst verdienen. um, das Level zu halten. ich merkte, dass ich trotzdem eifer- macht das in seinem Kämmerchen Eigentlich war er ein Aktions- High kann man auch anders wer- süchtig bin wie Hölle. Das Nächs- mit sich allein ab. Wir wollen das künstler, sein ganzes Leben war ein den: Mick Jagger und Keith Richards te, was ich hörte, war, dass Jimi nicht, wir wollen darüber sprechen. Happening, er hat es halt nur nicht haben mal im Abstand von fünf Mi- 1970: Mit Mick Jagger Hendrix in der Stadt war. Also fuhr Das war schon sehr gut. so in Worten ausdrücken können. nuten an Ihrer Tür geklingelt. Nicht in München ich in sein Hotel und wartete un- In den 70er-Jahren wurde Ihr Liebes- Sie sind dann zwischen Bockhorn in so schlecht. Wer durfte bleiben? ten. Jimi kam die Treppe runter, leben vorübergehend etwas un- Hamburg und den Stones hin- und Mick. Mit Keith habe ich mich am sah mich, nahm meine Hand und übersichtlich: Mick Jagger, Keith hergependelt. nächsten Tag verabredet. Ja, un- 1969: Natürlich und stark. So lieben die nahm mich mit. Richards, Dieter Bockhorn. Auf den Na ja, so war die Zeit. Man war für schlagbarer Augenblick für mein Fotografen das Model Und, hat’s geklappt? Wurde Rainer ersten Blick haben die drei ja nicht alles offen. Und außerdem habe ich Ego, kann ich nicht anders sagen. eifersüchtig? so viel gemeinsam. immer gedacht: Wenn ihr Männer Sie haben sich dann aber letztend- Der war ja immer Ich mag Männer, von denen ich das könnt, dann kann ich das schon lich schon sehr klar für einen Mann eifersüchtig, hat es was lernen kann. Rainer zum Bei- lange. Aber dann kamen wieder die entschieden. »Ich habe aber nie zugege- spiel hat mich immer total ermu- alten Verletzungen hoch, diese Er- Ja, für Dieter Bockhorn. Bei Keith ben. Als ich Jimi tigt, hat immer nach meiner Mei- fahrung: Der hält jetzt nicht wirk- kam erst die Musik, dann die Mu- gedacht: mitgeschleppt habe nung gefragt und oft auf mich ge- lich zu mir. Das ist schon mein Le- sik, dann noch mal die Musik, dann in die Kommune, hört. Das rechne ich ihm hoch an. bensthema, dass ich nie einen die Drogen und erst dann ein an- Was ihr waren alle total ab- Für die anderen war ich ja nur das Mann finde, der total zu mir hält. derer Mensch. Da wollte ich mich 2006: Die Schmuckdesignerin 1973: Auf dem Cover weisend. Wir sind depperte Model, das schon mit 13 Hätten Sie denn so einen Mann nicht hinten anstellen. Bockhorn könnt, kann am Strand von Santa Monica 1974: Keith Richards ist von Andy Warhols dann auch bald runter von der Schule ist. überhaupt gewollt? hatte sich damals einen Bus wie ei- bei einem Elle-Shooting eine große Liebe Magazin „Interview“ ich auch« wieder gegangen. Was haben Sie von Keith gelernt? Ich weiß es nicht. Einerseits wollte nen kleinen Palast ausgebaut, mit Warum sollten wir Seinen Humor, seine Bodenstän- ich immer die ganz Wilden. Aber dem sind wir durch die ganze Welt uns das antun? Ich wollte mit Jimi digkeit. Der ist ein Gentleman. mit denen ist es ja so: Wenn man gefahren. Am Ende waren wir in allein sein. Und Jimi war wirklich Und er ist immer er selbst, egal, wo den richtigen Schlüssel findet, sind .com; Mexiko.
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