
348 D. Sellin: Zum Vorkommen der Schwäne am Peenemünder Haken Zum Vorkommen der Schwäne, Gattung Cygnus im Naturschutzgebiet Peenemünder Haken, Struck und Ruden Dietrich Sellin Sellin, D. (2013): Zum Vorkommen der Schwäne, Gattung Cygnus im Naturschutzgebiet Peenemünder Haken, Struck und Ruden. Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. 47: 348-377. Für das 7.870 ha umfassende, an der Südostküste des Greifswalder Boddens im Nordosten von Mecklenburg-Vorpommern gelegene international bedeutsame Feuchtgebiet, Naturschutzgebiet (NSG) Peenemünder Haken, Struck und Ruden (gleichzeitig Teil der EU-Vogelschutzgebiete Greifs- walder Bodden und südlicher Strelasund DE 1747-402 und Westliche Pommersche Bucht DE 1649-401) werden für den Verlauf von 42 Jahren (1971-2012) die Rast- und Mauserbestände des Höckerschwans Cygnus olor sowie die Rastbestände von Sing- und Zwergschwan Cygnus cygnus, C. bewickii beschrieben. Weiterhin werden für die drei Arten die Phänologie und deren Jungenanteil sowie Nahrungspräferenzen erörtert. Mit maximalen Tagesbeständen von 6.439 Höcker-, 1.103 Sing- und 2.510 Zwergschwänen ist das Untersuchungsgebiet ein wichtiges Rastgebiet. Bei einem regelmäßigen Mauserbestand von 4.000-5.500 Höckerschwänen stellt es den wichtigsten Mauser- platz an der südlichen Ostseeküste dar. Seit dem Aufbau der Mausertradition in den 1960er Jahren war der Mauserplatz bisher durchgängig besetzt. Mit dem Anbau neuer Rapssorten (00-Raps) in der Landwirtschaft ging ab Ende der 1980er Jahre in den Herbst- und Wintermonaten ein Wechsel von ehemals fast ausschließlich im aquatischen Bereich erfolgten Nahrungserwerb auf Ackerflächen einher. Der Höckerschwan nutzt gegenwärtig zu ca. 15-20 % in der Nähe des UG gelegene Äcker, vorzugsweise Raps, während der Anteil beim Singschwan bei 39 % und beim Zwergschwan bei 38 % liegt, wobei von beiden ebenfalls Raps präferiert wird. Bei allen drei Schwanenarten wurde ein höherer Anteil junger Vögel (K1, K2) bei Nahrungserwerb auf dem UG naheliegenden Äckern gegenüber solchen, die sich im aquatischen Bereich ernähr- ten, festgestellt. Die Differenzen könnten Ausdruck unterschiedlicher Nahrungsstrategien von Schwanenfamilien sein. Beim Singschwan nahmen diese Differenzen in den letzten zwölf Jahren signifikant ab, was möglicherweise durch gezielte Störungen von auf Äckern nahrungssuchenden Singschwänen durch Landwirte zurückzuführen ist. In den letzten zwölf Jahren (2001-2012) sind für die drei Schwanenarten im UG abnehmende Mauser- und Rastbestände zu verzeichnen. Die Abnahme wird auf anthropogen bedingte Beein- trächtigungen wie Zunahme der Störquote während der Mauser und infolge Beeinträchtigung der Wasserqualität eine Abnahme der submersen Vegetation, welche die Hauptnahrungsquelle der Schwäne in dem Flachwasserökosystem ist, zurückgeführt. Für den wichtigsten Mauserplatz des Höckerschwans an der südlichen Ostseeküste ist dies ein erhebliches Manko, ebenso für den Sing- und Zwergschwan. Für beide nordische Arten ist das UG für den Zug in die Brutgebiete der letzte bedeutende Rastplatz (Trittstein) an der deutschen und polnischen Ostseeküste, sodass diese Entwicklung besonders kritisch zu beurteilen ist, zumal mit weiteren Beeinträchtigungen durch geplante Industrieprojekte (z. B. Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke, Kabelanlandung von Offshorewindparks, Salzsoleeinleitung aus einem Gasspeicherprojekt) bei Lubmin zu rechnen ist. Sellin, D. (2013): The occurrence of swans, genus Cygnus in the Nature Reserve Peenemünder Haken, Struck and Ruden. Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. 47: 348-377. This paper describes the development of resting and moulting populations of the Mute Swan Cygnus olor and the resting populations of Whooper and Bewick’s Swans Cygnus cygnus, C. bewickii during a 42 year period (1971-2012) in the Nature Reserve (NSG) Peenemünder Haken, Struck and Ruden, located on the southeastern coast of the Greifswalder Bodden (Bay of Greifswald) in north- eastern Mecklenburg-Western Pomerania. With a size of 7,870 hectares, the area is also a Wetland of International Importance and forms part of the EU Bird Sanctuaries Greifswalder Bodden and southern Strelasund DE 1747-402 and Western Pomeranian Bay DE 1649-401. In addition, the paper elaborates on the phenology, the ratio of juvenile birds and food preferences of the three species. With maximum daily counts of 6,439 Mute, 1,103 Whooper and 2,510 Bewick’s Swans the area constitutes an important resting site. The regular presence of 4,000-5,500 moulting Mute Swans marks the area as the most important moulting site on the southern Baltic coast. Since the onset of the moulting tradition in the 1960s, the area has been used continually as a moulting site until today. Ornithol. Rundbr. Mecklenbg.-Vorpomm. Band 47, Heft 4, S. 348-377, 2013 349 The cultivation of new rape varieties (00 rape) in agricultural areas since the late 1980s led to a shift in foraging behaviour from the previous, almost exclusive use of aquatic habitats to an increased use of agricultural fields in the fall and winter months. Currently, Mute Swans spend 15-20 % of their foraging time on agricultural fields near the study area (with a preference for rape fields); the ratios are 39 % for Whooper and 38 % for Bewick’s Swans, respectively, with both spe- cies preferring rape, as well. In all three species, a higher proportion of immature birds (K1, K2) utilized agricultural fields near the study area for feeding, compared with birds foraging in wetlands. This difference may possibly be explained by different foraging strategies within individual swan families. In Whooper Swans, these differences have decreased significantly in the past twelve years, which may be due to the deliberate disturbances employed by farmers to scare foraging Whooper Swans away from their fields. During the past twelve years (2001-2012), the resting and moulting populations of all three spe- cies have decreased in numbers. This decrease is attributed to anthropogenic circumstances, such as an increased disturbance rate during the moult, and a decrease in submersed vegetation – the swans’ main food source in the shallow wetland ecosystem - as a result of reduced water quality. For the Mute Swan’s most important moulting site on the southern Baltic coast this represents a serious shortcoming, and the same applies for Whooper and Bewick’s Swans. For the latter two species, the study area constitutes the final resting area (stepping stone) along the German and Polish Baltic coast on their way to the breeding grounds. Therefore, this development must be evaluated even more critically, especially in view of the additional, potentially detrimental impact of planned industrial projects (e.g., gas and steam power plants, cable-laying in front of offshore wind farms, brine induction from a gas storage project) near Lubmin. Dietrich Sellin, Dubnaring 1a, 17491 Greifswald, E-Mail: [email protected] 1. Einleitung Das Gebiet an der Südostküste des Greifswal- benennen. Interessanterweise berichtet dann der Boddens zwischen dem Freesendorfer Otto (1806) in seiner Übersetzung von Buffons Haken, dem Ruden und dem Peenemünder Naturgeschichte der Vögel über das Übersom- Haken ist offenbar bereits seit dem 16. Jh. als mern von nicht brütenden Höckerschwänen bemerkenswertes Rastgebiet von Wasservögeln am Peenemünder Haken und über den Fang bekannt. Die wohl älteste schriftliche Überlie- der flugunfähigen Mauserschwäne mit einem ferung hierüber liegt von Thomas Kantzow Schwanenhaken in der Zeit von Jacobi (25. (1538), Schreiber am Hof der pommerschen Juli) bis Bartholomäus (24. August) – also in Fürsten in Wolgast vor, der in seiner Chronik der Hauptmauserzeit – durch Fischer. Die Brüs- von Pommern im Abschnitt „Von Weydewerck“ te der gefangenen Schwäne wurden dann ge- über „… ein seltzam weydewerck mit den wilden räuchert. gensen dan um pfingsten wan die wilden gense be- Die (illegale) Jagd auf Schwäne scheint in Pom- ginnen zu mausen …“ berichtet. Ob diese Netz- mern recht verbreitet gewesen zu sein, denn fänge bzw. das Erschlagen mausernder Vögel schon in der „Renovirte und verbesserte Pom- von Booten nur Gänse oder auch Schwäne mersche Holtz-Mast- und Jagd-Ordnung“ von betrafen, ist nicht überliefert. Auf Kantzow be- 1719 wird für das „ungebührliche Wild-Schies- zieht sich wohl auch Dunkel (1930), der die sen“ eines Schwanes 50 Taler Strafe angedroht1. seltsame Gänsejagd in historischer Zeit, ohne Auch in der „Wildpretstaxe für Vor- und Hin- eine Quelle zu nennen, als Beweis für früheren terpommern“ für 1788 wurde für die (geneh- Vogelreichtum wertet und über die in nach- migte) Jagd auf den Schwan die Abgabe einer folgender Zeit stetig zunehmende Raubjagd Taxe von 1 Reichstaler und 8 Groschen zuzüg- sowie Vogelmord und Eierraub am Peenemün- lich ein Schießgeld von 8 Groschen angesetzt 2. der Haken klagte. Später wird von Benthin 1 Landesarchiv Greifswald, Rep. 38b, Anklam IVc, (1968) der Aufenthalt pommerscher Herzöge Nr. 62. bei Freesendorf zur Schwanen- und Entenjagd 2 Landesarchiv Greifswald, Rep. 38b, Anklam IVc, erwähnt, jedoch ohne dafür eine Quelle zu Nr. 81. 350 D. Sellin: Zum Vorkommen der Schwäne am Peenemünder Haken Hohe Taxe für die legale Jagdausübung bzw. ter 1954/55 war die Zahl der Höckerschwäne empfindliche Strafe bei illegaler Ausführung am Struck jedenfalls noch vergleichsweise haben Jagd und Fang im Gebiet aber offen- gering. Für den 21.11.1954 schätzten Oehme bar wenig einschränken können, wie Hübner und Gothe (1957) für das Gebiet etwa 2.000 (1913) und Dunkel (1930, 1931) anschaulich Schwäne
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