Der Weg Zum Anschluss. Burgenlandschicksal 1928 – 1938

Der Weg Zum Anschluss. Burgenlandschicksal 1928 – 1938

INHALTSVERZEICHNIS Vorwort Kulturlandesrat Helmut Bieler . 4 Einleitung . 5 Pia Bayer Burgenländische Landespolitik 1928–1933. 6 Pia Bayer, Dieter Szorger Das Burgenland im Ständestaat 1933–1938 ■ Die politische Entwicklung . 16 ■ Der 12. Februar 1934 . 23 ■ Die Organisationsstruktur der Vaterländischen Front . 31 ■ Die Arbeiterbewegung im Untergrund. 35 Der Beginn der politischen Verfolgung Der Aufbau der Untergrundorganisation der Revolutionären Sozialisten und Kommunisten Die Volksfront gegen Hitler ■ Die Entwicklung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) . 43 Pia Bayer, Dieter Szorger Die Machtergreifung der Nationalsozialisten ■ Die Anatomie der Machtergreifung . 54 ■ Der Beginn der Verfolgungsmaßnahmen. 66 Die erste Verhaftungswelle Das NS-Terrorsystem Die NSDAP Die Geheime Staatspolizei (Gestapo) Die Sicherheitsdienst-Außenstelle (SD) Eisenstadt Die Kriminalpolizei (Kripo) Die Opfer der politischen Verfolgung Die Verfolgung der jüdischen Burgenländer Die Verfolgung der burgenländischen Roma ■ Die Volksabstimmung vom 10. April 1938 . 85 ■ Die Auflösung des Burgenlandes . 95 Dieter Szorger Biografien führender burgenländischer Nationalsozialisten . 97 Zeittafel 1928–1938. 104 Literaturverzeichnis. 110 Danksagung . 113 VORWORT Sehr geehrte Damen und Herren! er kennt sie nicht, jene Propa- genstaatlichkeit hinnehmen. Das Burgen- gandafilme aus den 30er Jah- land verlor seine Selbstständigkeit, wurde Wren des vorigen Jahrhunderts? aufgeteilt und verschwand von der Land- Zu sehen ist meist ein kleiner Diktator auf karte. ein Podest gestellt vor einer großen Men- Intoleranz und Chauvinismus führten schenmenge, die ihm freudig zujubelt. Die Österreich in jene Sackgasse, die in den An- kleinen Männer Hitler, Mussolini, Dollfuß schluss von 1938 und in den Zweiten Welt- gewannen durch die Massen an Größe. Die krieg mündete. Die Hoffnungen vieler zu- jubelnden Menschenmengen sollten jene nächst jubelnder Menschen wurden ebenso Einigkeit des Volkes demonstrieren, von zunichte gemacht wie das Leben Tausender der ein großer Teil der Bevölkerung auf Gegner der beiden Diktaturen. Grund ihrer politischen Überzeugung so- Die Geschichte unseres Landes von 1928 wie ihrer ethnischen und religiösen Her- bis 1938 soll daher als Mahnung für heu- kunft ausgeschlossen wurde. tige Generationen aufgearbeitet und ver- Der Weg zum Anschluss von 1938 mittelt werden. Ähnliche Verhältnisse wie wurde vorbereitet durch das systematische damals dürfen in einer modernen Demo- Ausschalten Andersdenkender. Der diktato- kratie ebenso wenig Platz haben wie Kriege rische christlichsoziale Ständestaat austrofa- in der Europäischen Union als größtem schistischer Prägung führte ab 1934 Verhaf- Friedensprojekt auf unserem Kontinent. To- tungen durch. Der junge österreichische leranz, Gesprächsbereitschaft und das Ak- Staat war jedoch nicht in der Lage, sich ge- zeptieren anderer Meinungen sind jene genüber den Annexionsbemühungen von Grundlagen, auf denen Österreich nach Nazi-Deutschland zu behaupten und 1945 wiedererrichtet wurde. Wir müssen musste in der Folge den Verlust seiner Ei- auch in Zukunft ihre Gültigkeit bewahren. Helmut Bieler Kulturlandesrat 4 EINLEITUNG ie Dekade von 1928 bis 1938 später – als Resultat des 12. Februar 1934 hat die Republik Österreich und – wurde sie verboten und 38% der Burgen- Ddas Land Burgenland nachhaltig länder verloren ihre politische Heimat. geprägt. Eine hartnäckige Wirtschaftskrise An die Stelle der politischen Parteien und die zwei Bürgerkriege des Jahres 1934 trat die „Vaterländische Front“. Sie ver- machten das Land sturmreif für den Natio- mochte die in sie gesteckten Hoffnungen – nalsozialismus. über ideologische Grenzen hinweg Sam- melbewegung für alle patriotischen Öster- Nach dem politischen Verständnis der reicher zu werden – nie zu erfüllen. Die handelnden Personen war das Einschlagen Sozialdemokraten blieben ihr weitestge- eines autoritären Kurses ein zeitgeistiger hend fern und die Nationalsozialisten ver- Lösungsansatz zur Bewältigung der politi- suchten sie zu instrumentalisieren. schen Krisen, und Österreich befand sich damit in guter Gesellschaft. Italien und Nach nur 17 Jahren seines Bestehens Deutschland hatten den Weg vorgezeich- und ohne die Chance einer politischen, net und in der Zwischenkriegszeit faschis- wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen tische Systeme etabliert. Konsolidierung verschwand das Land am Zu einer Zeit, als das Parlament in Wien 15. Oktober 1938 von der politischen sich bereits längst „selbst ausgeschaltet“ Landkarte. hatte (4. März 1933), warnten namhafte Sozialdemokraten in den letzten Landtags- Die Geschichte des Burgenlandes in der sitzungen vor dem Bürgerkrieg, den Weg Ersten Republik war geprägt von Phasen des demokratischen Miteinander nicht zu des Konsenses und Konflikten, von Aufbau verlassen. Ein letztes Mal bot sich die Sozi- und Zerstörung, von Verfolgung und Wi- aldemokratie als Kampfgefährte gegen den derstand. Der Weg führte direkt in den Nationalsozialismus an. Wenige Wochen „Anschluss“ des Jahres 1938. Auf Grund der besseren Lesbarkeit wurden geschlechtsneutrale Formulierungen unterlassen. 5 BURGENLANDISCHE LANDESPOLITIK 1928-1933 „Den entscheidenden Sieg über die Sozialdemokraten kann nur die ‚Christlich- soziale Partei-Heimwehr’ erringen. Jeder, der die kleinen Splitterparteien wählt, der trägt dazu bei, daß in unseren Gemeinden und im ganzen Lande die Sozial- demokraten ihren schädigenden Einfluß beibehalten. Wenn dieser Einfluß uns nicht paßt, so sollen wir nicht schimpfen, sondern uns gegen die Sozialdemo- kraten stellen und nicht die kleinen Parteien unterstützen, die nur den Sozial- demokraten Schützendienst leisten (…).“ Wahlpropaganda der „Christlichsozialen Partei-Heimwehr“ für die Landtagswahl am 9. November 1930 BURGENLÄNDISCHE LANDESPOLITIK 1928–1933 on den „Schüssen von Schatten- ton Schreiner, der nach der Demission Jo- dorf“ 1927 bis zu den Jahren sef Rauhofers am 10. Jänner 1928 ins Amt V1933/34 vollzogen sich in Öster- gewählt worden war, im Juni 1929 ein all- reich ein Prozess der systematischen Zer- gemeines Aufmarschverbot mit folgender schlagung der Demokratie und eine zuneh- Begründung: mende Radikalisierung der Innenpolitik, die letztendlich 1934 in einen Bürgerkrieg „Da sich in letzter Zeit in vielen Orten und zur Ermordung des amtierenden Bun- anlässlich von Aufmärschen arge Ruhestö- deskanzlers Dr. Engelbert Dollfuß führte. rungen ereignet haben, die auch von der Obwohl die burgenländische Landespoli- Verletzung von Menschenleben begleitet tik – traumatisiert durch das Ereignis von waren und die Länder Wien und Nieder- Schattendorf – gewillt war, den „politi- österreich Aufmarschverbote erlassen ha- schen Kampf mit geistigen Waffen auszu- ben, somit die Wahrscheinlichkeit besteht, tragen“ (Zitat Ludwig Leser), war sie damit dass das Burgenland infolge seiner Lage konfrontiert, dass immer mehr Wehrver- das Aufmarschgebiet der verschiedenen bände gegründet wurden und sich somit Selbstschutzverbände werden könnte, der Kampf unweigerlich auf die Straße ver- wäre – um die Ordnung und Ruhe im lagerte. Die ersten Zwischenfälle zwischen Lande zu erhalten, gleichfalls ein Auf- dem Republikanischen Schutzbund und marschverbot zu erlassen. den Heimwehren ereigneten sich im Okto- Um angesichts des in der Sommerzeit ber 1928. Da weitere Auseinandersetzun- zu gegenwärtigen Fremdenzustromes et- gen folgten, erließ Landeshauptmann An- waige Ruhestörungen, die sich aus Anlass 6 BURGENLANDISCHE LANDESPOLITIK 1928-1933 von öffentlichen Aufmärschen u. dgl. er- demissionierte Schreiner aus „persönlichen geben könnten, hintanzuhalten, sowie um Gründen“. Ihm folgte am 24. Juli 1929 der Störungen des Wirtschaftslebens in der Neusiedler Pfarrer Prälat Johann Thullner Zeit des gesteigerten Verkehrs und der ins Amt. Ernte zu verhindern, werden die Herren Foto: BLA Leiter der Bezirkshauptmannschaften und der Herr Leiter des Polizeikommissariates in Eisenstadt (…) angewiesen, alle Auf- märsche uniformierter Selbstschutzver- bände (…) in militärischer Ordnung unter freiem Himmel sowie alle Versammlungen unter freiem Himmel (…) vom 16. Juni bis 15. September 1929 zu untersagen.“ Die Regierung Schreiner war trotz der zunehmenden wirtschaftlichen Schwierig- keiten die stabilste und eine der erfolg- reichsten burgenländischen Regierungen während der Ersten Republik. Allerdings scheiterte sie an ihrer größten Aufgabe: der Bodenreform. Mitten in diesen Debatten Landeshauptmann Johann Thullner Foto: BLA 24. Juli 1929 – 10. Dezember 1930 In Thullners Amtszeit fällt die Schluss- steinlegung des Landhauses in Eisenstadt am 14. Dezember 1929. Der feierliche Einzug der Landesregierung in die neuen Räumlichkeiten erfolgte schließlich am 31. März 1930. Das Jahr 1930 brachte für die burgenlän- dische Heimwehrbewegung eine Wende, die vom Landesführer Franz Binder durch seine Weigerung, den „Korneuburger Eid“* zu leisten, eingeleitet wurde. Binder Landeshauptmann Anton Schreiner legte seine Stellung als Landesführer nie- 10. Jänner 1928 – 24. Juli 1929 der, sein Nachfolger wurde der bisherige 10. Dezember 1930 – 28. Oktober 1931 Stellvertreter Michael Vas, der bereit war, 7 BURGENLANDISCHE LANDESPOLITIK 1928-1933 Foto: BLA Schlusssteinle- gung des Land- hauses in Eisen- stadt, 14. Dezem- ber 1929, von li. nach re.: LAD Dr. Karl Heger, LH Johann Thullner, LH-St. Ludwig Leser. den Eid auf das faschistische Programm ab- der Christlichsozialen Partei und den Heim- zulegen. Im Zuge der Diskussion über das wehren waren nicht mehr zu übersehen Korneuburger Heimwehrprogramm

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