Schriften zur Zukunft der Öffentlichen Sicherheit Das Undenkbare denken „Seit Menschengedenken ist dies das erste Mal, dass die Welt so einen komplexen Notfall erlebt, der einen Tsunami, ein Erdbeben und eine nukleare Krise beinhaltet. Obwohl dieses Szenario noch nie da gewesen ist, könnte es sein, dass es kein Einzelfall bleibt. Denn ein Anstieg dieser komplexen Art von Katastrophen ist fast sicher. Um uns zu schützen, müssen wir das Undenkbare denken. Wir müssen große Investitionen im Bereich der Katastrophenbereitschaft tätigen, Risiken reduzieren – eingeschlossen nukleare Risiken – und den Gemeinden helfen, sich selbst zu schützen. Das ist Vorsorge. Die einzige Antwort auf solch eine Tragödie ist schließlich wechselseitige Hilfe und ein Geist der Gemeinschaft – in meinem Land, in Ihrem Land und in allen Ländern – und eine Entschlossenheit, uns besser vorzubereiten, damit wir im An­ gesicht dieser brutalen Katastrophen Leben schützen können.“ Aus einem offenen Brief von Tadateru Konoé, Präsident des Japanischen Roten Kreuzes1 1 Quelle: www.drk.de/news/meldung/5691-japan-eine-herausforderung- fa14r-die-vorstellungskraft-ein-appell-an-das-gewissen.html Seite Versicherungswirtschaft und öffentliche Sicherheit: 1. Vorwort Das Undenkbare berechenbarer machen Der Mensch ist fehlbar, aber lernfähig Dr. Bernhard Gause, GDV. 18 Dr. Konstantin von Notz, MdB. 4 Kreditwirtschaft und öffentliche Sicherheit Dr. Ibrahim Karasu, BdB . 22 2. Geleitwort des Vorstands Das Undenkbare denken Sicherheit ist unser Geschäftszweck Prof. Dr. Hermann J. Thomann, Axel Dechamps, Clemens Graf von Waldburg-Zeil, Dieter Kaden, DFS. 24 Dr. Sandra Schulz. 6 LÜKEX – das „Undenkbare“ denken und üben Christoph Unger, BBK. 26 3. Bestandsaufnahme Forschung für zivile Sicherheit Verwundbarkeiten und Bewältigungsmöglichkeiten in komplexen Lagen Interview mit Dr. Wolf Junker, BMBF . 30 Marie-Luise Beck und Dr. Clemens Gause . 8 mit Einwürfen der Forumsredner aus dem Jahr 2011, sowie flankierenden Beiträgen Komplexität, Unsicherheit und Ambiguität – von Albrecht Broemme, THW, und Michael Hange, BSI vom mühsamen Umgang mit systemischen Risiken Marie-Luise Beck und Dr. Lars Gerhold, FOES. 32 4. Fortführung der Fachdiskussion Bevölkerungsschutz in Deutschland – Bilanz und Perspektiven Zuverlässige Stromversorgung als eine Säule der öffentlichen Sicherheit Norbert Seitz, BMI . 36 Interview mit Hildegard Müller, BDEW. 14 Informations- und Kommunikationstechnologie als Beitrag zur öffentlichen Sicherheit 5. Ergebnisbewertung Prof. Dieter Kempf, Bitkom . 16 Chancen für die Sicherheit, Chancen durch Sicherheit Prof. Dr. Hermann J. Thomann, ZOES. 38 6. Nachwort und Ausblick auf das Jahresthema 2012 Demographischer Wandel – Herausforderungen für ländliche Räume, Städte und Deutschland in Europa Clemens Binninger, MdB. 40 Mitwirkende Impressum 1. Vorwort 4 5 Vorwort Der Mensch ist fehlbar, aber lernfähig In unserer hoch technologisierten Welt treffen Na- turereignisse auf Kritische Infrastrukturen, deren Schädigung ihrerseits katastrophale Folgen nach sich ziehen kann. Naturereignisse erscheinen zwar unausweichlich, doch wie sich unsere Gesellschaft Bewältigungsfähigkeiten Bei allen Innovationen den gegen Katastrophen wappnet, ist planbar. Vor dem verbessern, Infrastrukturen Bürgerrechtsgesichtspunkt Hintergrund des Klimawandels erscheinen aller- robuster machen mitdenken dings gehäuft auftretende Extremwetterereignisse durchaus nicht mehr als rein natürliche Phänome- Wir sollten meines Erachtens katastrophenvorbeu- Ein ähnlich hoher Dialogbedarf mit den Menschen ne, sondern bis zu einem gewissen Grad auch als gende Maßnahmen ganz oben auf die politische wird sich im Bereich des Smart Metering ergeben: menschengemacht. Es verlangt daher einen klaren Agenda setzen. Dazu gehört auch, unsere Infra- Wenn es darum geht, die Stromversorgung mit In- politischen Willen, um zu beeinflussen, was sich strukturen robuster zu machen. Schon ein schein- ternettechnologie leistungsfähiger zu machen, sehe wirklich beeinflussen lässt. bar trivialer Stromausfall würde in Deutschland ich den Datenschutz als die Voraussetzung dafür, nach wenigen Stunden große, nach wenigen Tagen dass sich der Standort Deutschland in diesem Punkt Unsere Verletzlichkeit steigt in dem Maße, wie die massivste Sicherheitsprobleme hervorrufen. Der weiterentwickelt. Wenn wir die fortschreitende Technologisierung unserer Alltagswelt und die In- Verbesserung unserer Bewältigungsfähigkeiten Digitalisierung in der Energieversorgung wollen, so Dr. Konstantin von Notz terdependenz von kritischen Infrastrukturen zuneh- dient auch die Modernisierung des Stromnetzes. ist Datenschutz kein Hemmschuh, sondern die con- ist Mitglied des Deutschen men. Politik im Dienste der öffentlichen Sicherheit Föderalismus und effizienter Nun werden allenthalben Bedenken laut, dass die ditio sine qua non für einen Erfolg dieser verbesser- Bundestages von BÜNDNIS muss stets im Auge behalten, dass der Mensch Bevölkerungsschutz: ein notwendigen Maßnahmen nur gegen hohe Wider- ten Technologien. Wir müssen smarte Infrastruk- 90/DIE GRÜNEN und in und alles Menschengemachte fehlbar sind und Widerspruch? stände von Seiten der Bürger durchzusetzen sein turen grundrechtskonform gestalten, damit sie ihr diesem Jahr Beirats- dass Technologien immer so ausgelegt sein müs- werden. Ich finde, da wird manches in der Diskussi- volles Potenzial für die Energieeffizienz entfalten vorsitzender des ZOES. sen, dass sie keine unabsehbaren, katastrophalen Deutschland mit seinen zahlreichen Hilfs- und Ret- on überzeichnet. Die Verantwortlichen müssen sich und eine sichere, umweltschonende Stromversor- Folgen nach sich ziehen. Das ist der Grund dafür, tungsorganisationen hat durchaus sehr positive in die Menschen hineinversetzen, die sagen: Wir gung gewährleisten können. Der Staat muss auf warum der Deutsche Bundestag mit breiter Mehr- Seiten im Bevölkerungsschutz zu verzeichnen. Die wollen keine Starkstromleitung über unserem Kopf der einen Seite Sicherheit gewährleisten, auf der heit beschlossen hat, aus der Atomenergie auszu- durch Ehrenamt und Hauptamt geprägte Struktur haben. Dann müssen Leitungen dort, wo es prob- anderen Seite müssen sämtliche Maßnahmen der steigen. bei den Rettungsdiensten, THW und Feuerwehren lematisch ist, unter die Erde verlegt werden, auch Sicherheitsgewährleistung rechtsstaatlich geerdet ist grundsätzlich gut und sollte erhalten werden. wenn das etwas teurer ist. Der Ausbau des Strom- sein. Auch bei neuen Technologien gilt es, mögliche Risi- Wir müssen aber auch klar sehen, dass unsere fö- netzes und seine Anpassung an erneuerbare Ener- ken vorauszusehen, die Fehlbarkeit von Systemen derale Struktur, die viele unbestrittene Vorteile hat, gien ist eine Zukunftsinvestition: sie wird sich über und technologischen Mechanismen im Auge zu sich im Bevölkerungsschutz als limitierender Faktor viele Jahrzehnte auszahlen und ist jede politische behalten und Sicherheit von vornherein als integ- auswirken kann: bei Schadensfällen durch Natur- und wirtschaftliche Anstrengung wert. Dr. Konstantin von Notz, MdB ralen technologischen Bestandteil zu konzipieren. ereignisse, die häufig überregional wirken, können Berlin, im Januar 2012 Folgekosten, die beispielsweise aus einer klimaun- sich Zuständigkeitsprobleme auftun, die sich auf Noch ein Wort zum so genannten Wutbürger, vor verantwortlichen Energiepolitik resultieren, müs- der kommunalen und Kreisebene fortsetzen und dem sich einige politische Vertreter zu fürchten sen, so weit sie auch in der Zukunft liegen mögen, letztlich auch bei der internationalen Zusammenar- scheinen: Dass Menschen sich darum kümmern, in Wirtschaftlichkeitsberechnungen einfließen. Eins beit von Rettungsdiensten relevant werden können. was in ihrer Region geschieht, ist zuallererst Aus- muss klar sein: Nur sichere Technologien sind wirk- Sich einfach mit dieser Situation zufrieden zu ge- druck einer bürgerschaftlichen Wachheit und in- lich ausgereift. ben, ist keine Lösung. Sind wir für den Fall vorberei- sofern etwas Positives. Menschen wollen Einfluss tet, dass auch wir einmal Hilfe benötigen werden? nehmen auf die Gestaltung ihrer Lebenswelt. Das Ich sehe da einen dringenden Nachholbedarf, denn ist ihr gutes Recht. Politik muss in einen Dialog tre- Deutschland ist nicht unverletzlich. So gut eine ten und versuchen, solche Prozesse zu moderieren dezentrale Gefahrenabwehr ist: Je größer die Scha- und die Menschen zu beteiligen. Zum Wutbürger denslage, desto wichtiger ist ein zentrales überge- wird nur derjenige, der das Gefühl bekommt, es wird ordnetes Krisenmanagement. über ihn hinweg regiert. Portraitfoto: von-notz.de, Foto Umspannwerk: Verband kommunaler Unternehmen e.V. (VKU) 2. Geleitwort des Vorstands 6 7 Geleitwort des Vorstands Das Undenkbare denken Die Katastrophenkaskade in Japan hat Menschen auch hierzulande – von den Bürgern an den Bild- schirmen bis zu den Verantwortlichen in Politik und den öffentlichen und privaten Institutionen des Be- völkerungsschutzes – verunsichert, zumindest aber nachdenklich gemacht: Wie würden wir in einer Situation reagieren, die niemand für möglich gehalten hat? Wären unsere Einsatzkräfte ausreichend ge- schult und belastbar, um Katastrophen eines solchen Ausmaßes zu bewältigen? Infrastrukturen stärker in den Blick genommen Für den zweiten Teil haben wir nicht nur Akteure Wie ist es um die Selbsthilfefähigkeit unserer und mögliche kaskadierende Effekte mit bedacht der öffentlichen Sicherheit um eine Stellungnah- Bevölkerung bestellt? werden müssen, darauf hat bereits das Grünbuch
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