CSU-LG – 8. WP Landesgruppensitzung: 13. 11. 1978 13. November 1978: Sitzung der Landesgruppe ACSP, LG 1978: 20. Überschrift: »Protokoll der 151. Sitzung der CSU-Landesgruppe am 13. November 1978«. Zeit: 20.00–23.00 Uhr. Vorsitz: Zimmermann. Anwesend: Althammer, Becher, Bötsch, Dollinger, Engelsberger, Gerlach, Glos, Handlos, Hartmann, Höffkes, Höpfinger, Graf Huyn, Jaeger, Jobst, Kiechle, Klein, Kraus, Krone- Appuhn, Kunz, Lemmrich, Niegel, Probst, Rainer, Regenspurger, Riedl, Röhner, Rose, Schedl, Schleicher, Schneider, Spilker, Spranger, Graf von Stauffenberg, Stücklen, Voss, Waigel, Warnke, Wittmann, Zimmermann. Sitzungsverlauf: A. Bericht des Landesgruppenvorsitzenden Zimmermann über das Problem der Beschäftigung Radikaler im öffentlichen Dienst, die Vorwürfe gegen Bundestagspräsident Carstens wegen dessen Mitgliedschaft in der NSDAP und den FDP-Parteitag. B. Erläuterungen des Parlamentarischen Geschäftsführers Röhner zum Plenum der Woche. C. Allgemeine Aussprache mit besonderer Berücksichtigung der Beratungen im Vermittlungsausschuss über das Steueränderungsgesetz 1979. D. Ergänzungswahlen für den Wirtschaftsausschuss des Bundestages, für den Landesgruppenvorstand und für den Europarat. E. Aussprache über die geplante Änderung des Wehrpflicht- und Zivildienstgesetzes. F. Bericht und Aussprache über die geplante Änderung der Verjährungsvorschriften für Mord. G. Verschiedenes. [A.] TOP 1: Bericht des Landesgruppenvorsitzenden Dr. Zimmermann begrüßt den ehemaligen Abgeordneten Herrn Notar Seidl1. Er weist dabei darauf hin, daß das vorweihnachtliche Treffen der ehemaligen Abgeordneten am 8. Dezember 1978 von 16.30 Uhr bis 18.00 Uhr im Palais Preysing in München stattfindet. Er lädt dazu, auch im Namen von Herrn Notar Seidl, die jetzigen Mandatsträger ein. Wichtigste Frage sei zur Zeit das Problem Beschäftigung Radikaler im öffentlichen Dienst.2 Der Bundeskanzler sei dabei, auf die CDU/CSU-Linie einzulenken. Letzte Woche habe das Kabinett eine diskussionswürdige Vorlage verabschiedet.3 Dennoch 1 Franz Seidl, 1953–1965 MdB (CSU). 2 Der Gemeinsame Runderlass der Ministerpräsidenten und aller Landesminister vom 18. Februar 1972 zielte auf eine einheitliche Behandlung der Frage der Verfassungstreue im öffentlichen Dienst, um eine Beschäftigung von Extremisten im öffentlichen Dienst zu verhindern. Der Erlass stellte eine Antwort auf die Aktivitäten der Außerparlamentarischen Opposition und ihren angekündigten »Marsch durch die Institutionen« dar. Vgl. das Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen, Nr. 20 vom 29. Februar 1972, S. 342. Ferner Dominik RIGOLL: Staatsschutz in Westdeutschland. Von der Entnazifizierung zur Extremistenabwehr, Göttingen 2013, S. 335–371. 3 Das Bundeskabinett verabschiedete am 8. November 1978 die »Darstellung des rechtlichen, insbesondere verfassungsrechtlichen Rahmens für die Verfassungstreueprüfung im öffentlichen Copyright © 2019 KGParl 1 CSU-LG – 8. WP Landesgruppensitzung: 13. 11. 1978 laufe die Kampagne auf der politischen Ebene unvermindert weiter. Weiter sei festzustellen, daß sich der Bundeskanzler in allen entscheidenden innenpolitischen Fragen, wie Extremismus, Wehrpflicht und Verjährung, um eine Entscheidung herumlavieren möchte. Die Kampagne um die Neuwahl des Bundespräsidenten4 habe einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Vorwürfe gegen Carstens seien von uns bereits im Ansatz gestoppt worden.5 Auch Scheel, Schmidt und Vetter6 seien NSDAP-Mitglieder gewesen. Diese unwürdige zweite Entnazifizierungsdiskussion müsse unbedingt verhindert werden. Keine der demokratischen Parteien könne davon profitieren. Die Kommentare in den überregionalen Zeitungen, wie zum Beispiel in der »FAZ« oder in der »Welt« seien anfangs sehr mißverständlich gewesen.7 Die Kommentatoren, die sich bereits auf Carstens eingeschossen haben, schwenken nach den Verlautbarungen Scheels um. Carstens habe das einzig Richtige getan. Er habe die Kampagne aktiv nach vorne angetreten. Dazu habe ich ihm bei einer Unterredung auch dringend geraten. Die Debatte sei nunmehr beendet. Einem Allparteiengespräch, welches Genscher 8 fordert, könne nicht zugestimmt werden. Dr. Zimmermann berichtet, daß er aus mehreren Gesprächen mit dem Bundespräsidenten wisse, daß Scheel kein Kandidat einer Minderheit sein werde. Er bereite sich auf die Zeit nach seiner Legislaturperiode schon heute sehr gut vor. Die Berichte im »Spiegel« lassen dies ganz deutlich erkennen.9 Im übrigen weist Dr. Zimmermann auf seine heutige Pressemitteilung zum Verwirrspiel hin.10 Dienst«. Vgl. die 98. Sitzung des Bundeskabinetts, SVP 3; DIE KABINETTSPROTOKOLLE DER BUNDESREGIERUNG 1978, online. 4 Die Amtszeit von Bundespräsident Walter Scheel (FDP) lief 1979 aus. Die Wahl des deutschen Bundespräsidenten fand am 23. Mai 1979 statt. 5 Bundestagspräsident Karl Carstens (CDU) war 1937 Mitglied des NS-Rechtswahrerbundes geworden und hatte im selben Jahr die Mitgliedschaft in der NSDAP beantragt. Vgl. Tim SZATKOWSKI: Karl Carstens. Eine politische Biographie, Köln/Weimar/Wien 2007, S. 36 f. 6 Heinz Oskar Vetter, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes. 7 Vgl. den Kommentar von Peter Boenisch »Alte Sache neu auf dem Tisch«; »Die Welt« vom 10. November 1978, S. 1: Die Union werde noch einmal darüber nachdenken müssen, ob sie Carstens als Kandidaten für das Bundespräsidentenamt aufstellen solle. »Denn die offenen und versteckten Feinde der Bundesrepublik Deutschland werden nicht sagen, daß unser Staatsoberhaupt in der Nazi- Partei war, aber …, sondern sie werden das ›Aber‹ weglassen. Mit allen Mitteln der Agitation und Propaganda wird man dem Bundesadler wieder ein Stückchen Hakenkreuz an die Krallen hängen.« – Vgl. auch den Artikel von Karl Feldmeyer »Wie Karl Carstens durch die Zeit des Nationalsozialismus kam«; »Frankfurter Allgemeine« vom 10. November 1978, S. 2. Ferner den Artikel »Carstens: ›Ich habe so dunkle Erinnerungen‹«; »Der Spiegel«, Nr. 46 vom 13. November 1978, S. 21–23. 8 Hans-Dietrich Genscher, Bundesaußenminister, Vizekanzler, Bundesvorsitzender der FDP. 9 Vgl. die Artikel »Bundespräsident. Eine Mordsmasche«; »Der Spiegel«, Nr. 41 vom 9. Oktober 1978, S. 20 f.; »Bundespräsident. Freudige Pflicht«; »Der Spiegel«, Nr. 44 vom 30. Oktober 1978, S. 35 f. 10 Vgl. die Pressemitteilung vom 13. November 1978 »Schluß mit dem Präsidententrick«. Von Dr. Friedrich Zimmermann, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag; ACSP, Z- LG, CSU-Presse-Miteilungen. Nachrichten aus der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag: »Die FDP ist dabei, einen Wahlschwindel besonderer Güte vorzubereiten. In Mainz hat soeben der Parteivorsitzende Genscher zur Wiederwahl Walter Scheels aufgerufen und erneut den Versuch unternommen, pseudo-plebiszitäre Elemente einzuführen. Er tut dies im klaren Wissen um die eindeutige Verfassungslage, die in der Frage der Bundespräsidentenwahl kein Plebiszit zuläßt.« Copyright © 2019 KGParl 2 CSU-LG – 8. WP Landesgruppensitzung: 13. 11. 1978 Zum FDP-Parteitag11 könne gesagt werden, daß Genscher, der Parteivorsitzende, drei Niederlagen habe einstecken müssen: Dies sei erstens die Nichtwahl von Graf Lambsdorff12 ins FDP-Präsidium. Statt dessen sei der linke Bremer Vorsitzende Lahmann13 gewählt worden. Zweitens, die knappe Bestätigung Verheugens14 zum Generalsekretär. In der Regel werde der Generalsekretär auf Vorschlag des Vorsitzenden mit großer Mehrheit gewählt. Dies müsse als Niederlage von Genscher betrachtet werden. Und drittens, die beifallumrauschte Borm15-Rede mit den harten Attacken auf die FDP-Spitze.16 Im weiteren Verlauf gibt Dr. Zimmermann das Wahlergebnis für die Mitglieder des Gesamtvorstandes bekannt. Es zeige sich, daß hier die Linken eindeutig im Vormarsch seien. In der Frage des Extremismus habe sich die Linie Baums17 durchgesetzt. Ertl18 und Hirsch19 seien mit ihren Vorstellungen unterlegen. Zur Energiefrage zeige sich Graf Lambsdorff verärgert. Der Minister werde aber wohl keine dramatischen Schritte einleiten. Eines habe der Parteitag bis heute gezeigt, die FDP werde über 1980 hinaus fest an die SPD gebunden sein. Sie müsse als eine echte Block-Partei, eine Mehrheitsbeschaffungspartei, angesehen werden. Der FDP-Politiker aus dem Saarland, Klumpp20, habe in einem Rundfunkgespräch die Situation sehr gut dargestellt: »Ein Parteitag, der meint, er könne auf den Bundeswirtschaftsminister, Graf Lambsdorff – dem profiliertesten FDP-Politiker neben dem Bundesvorsitzenden Genscher – im Präsidium verzichten, dieser Parteitag spricht sich damit selbst ein Urteil.« [B.] TOP 2: Plenum der Woche Röhner gibt einen kurzen Überblick über das Plenum der Woche. Er sagt, daß über die Rednerfolge noch nichts vereinbart worden sei. Er bittet alle Landesgruppenmitglieder, an den Arbeitskreissitzungen teilzunehmen und dafür Sorge zu tragen, daß die CSU- Landesgruppe entsprechend vertreten ist. Darüber hinaus gibt er den voraussichtlichen Termin für die zweite und dritte Lesung zum Bundeshaushalt 1979 bekannt.21 Die 11 Der Bundesparteitag der FDP fand vom 12. bis 14. November 1978 in Mainz statt. Vgl. EUROPA- ARCHIV 1978, Z 218. 12 Otto Graf Lambsdorff, Bundesminister für Wirtschaft (FDP). 13 Horst-Jürgen Lahmann, Md Bremer Bürgerschaft, Vorsitzender der FDP-Bürgerschaftsfraktion, Landesvorsitzender der Bremer FDP. 14 Günter Verheugen. 15 William Borm, 1965–1972 MdB (FDP), 1960–1969 Landesvorsitzender der Berliner FDP, 1960–1982 Mitglied des FDP-Bundesvorstands. 16 Vgl. dazu auch den Artikel »Deutschland. FDP: Genschers Ritt auf dem Igel«; »Der Spiegel«, Nr. 47 vom 20. November 1978, S. 21 f., hier S. 21: »Mit einem kräftigen Linksruck überraschten
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