TV-Formate Richtung Geprägt

TV-Formate Richtung Geprägt

Erschienen in: Thomas Hecken und Marcus Kleiner (Hg.): Handbuch Popkultur. Stuttgart: Metzler, 2017. - S. 159–163. D Fernsehen 29 TV-Formate richtung geprägt. Hierin unterscheidet sich das For- mat vom übergeordneten Begriff des >Genres< (vgl. Der >Format<-Begriff rangiert als Typus zwischen Hickethier 2010,152 f.). >Sendung< (singuläres Produkt) und >Genre< (überge- Ein Fernsehformat ist durch fixe optische und ordneter Typus). Ein Genre ist durch etablierte For- akustische Gestaltungsmerkmale (z. B. Logo, Titelme- men des Erzählens und der fernsehästhetischen Dar- lodie) und durch eine unveränderte Dramaturgie be- stellung gekennzeichnet. In Bezug auf gesellschaftli- ziehungsweise einen konstanten Sendungsablauf ge- che Erwartungen stellt ein Fernsehgenre eine Form kennzeichnet. Die gleichbleibenden ästhetischen der kulturellen Praxis dar, durch die eine Orientierung Merkmale und Strukturen dienen als Grundlage der zwischen Programmausrichtung, Sendungsinhalt und jeweiligen Episoden oder Shows (vgl. Mikos 2015, Zuschauererwartung geboten wird. Fernsehgenres 255 ff.). Zusätzlich haben Formate oftmals einen fest werden im deutschsprachigen Raum zunächst nach vorgesehenen Sendeplatz im Fernsehprogramm (z. B. Informationssendung, Unterhaltungssendung oder Samstag-Abend-Show, Vorabend-Serie) (vgl. Lünen- fiktionaler Sendung unterschieden (vgl. Faulstich borg 2013, 94). 2008, 33 ff.). Aufgrund der nationalen Adaptionen kommt Fern- Für das Fernsehen spielt der Formatbegriff eine be- sehformaten in der non-fiktionalen Unterhaltung deutsame Rolle, weil er auf die ökonomische Dimensi- (z. B. Reality-Shows) eine größere Bedeutung als in der on des Fernsehmarkts verweist. Der Formatbegriff fiktionalen Unterhaltung (z. B. Serien) zu. Vor allem gründet in der Optimierung der (internationalen) die Subgenres der Spielshow, der Quizshow und des Vermarktung von Unterhaltungssendungen und in Reality-TV bringen populäre und international erfolg- der Ausrichtung des Fernsehens auf Einschaltquoten. reiche Unterhaltungsformate hervor (vgl. Pluschko- Format ist so z. B. als lizensiertes Remake, Anleitung witz 2010, 157). Fiktionale Formate werden als kom- (Formatbibel), Produktionsmethode undproof of con- plett vorproduzierte und unveränderbare Sendungen cept zu verstehen (vgl. Chalaby 2015). Formate tragen zumeist in Staffeln gehandelt. Somit können Sitcoms der medialen Spezifik des Fernsehens in besonderer oder Quality Drama Series ebenso als Formate ver- Weise Rechnung, unter anderem dessen Serialität, standen werden. Die nationale Adaption besteht hier dessen Innovationsdruck und dessen Suche nach ver- lediglich in der Einpassung in das Sender-Design (z. B. lässlicher Zuschauerbindung. Formate schaffen daher Platzierung des Senderlogos) und im Ersetzen des durch erwartbare Strukturen ein stabiles Publikum Tons mit einer entsprechenden Sprachsynchronisati- (vgl. Türschmann/Wagner 2011). on. Einzelne Sendungen können folglich als Format In Programmanalysen wird >Format< definiert als identifiziert und einem übergeordneten Genre zu- ein Programm, das aus dem Land, in dem es ent- geordnet werden (vgl. Mikos 2015,261). wickelt wird, in ein anderes Land oder in mehrere Dabei kann Format in dreifacher Weise verstanden Länder weiterverkauft und dort adaptiert wird (vgl. werden: (1) als entwickeltes Programmkonzept, das Esser 2010, 502). Die in den Lizenzen festgelegten international vertrieben und national umgesetzt wird Merkmale und Strukturen eines Formats werden (= non-fiktionale Unterhaltungsshows); (2) als in- dann individuell umgesetzt, z. B. über Darsteller/in- haltliche Adaption eines Programmkonzepts, das in- nen oder Moderator/innen. Ein Fernsehformat ist so- ternational vertrieben und national umgesetzt wird mit durch das Verhältnis von internationaler Wieder- (= fiktionale Unterhaltungsserien); (3) als unver- erkennbarkeit und kultureller, nationaler Adaption änderbares, komplett produziertes Programm, das gekennzeichnet und durch seine kommerzielle Aus- international vertrieben und national, in manchen 160 li Gattungen und Medien - D Fernsehen Fällen synchronisiert, gesendet wird (= fiktionale Un- in 18 Länder verkauft. Am populärsten war die US- terhaltungsserien). amerikanische Version »Ugly Betty« (2006-2010), die Fernsehformate werden durch das Fernsehen mas- wiederum in anderen Ländern im Original oder syn- senmedial verbreitet und sind als standardisierte, chronisiert gezeigt wurde (vgl. Weber 2013). kommerzielle Produkte Teil der populären Kultur. Das Aufkommen von Videoplattformen wie Net- Fernsehserien und Unterhaltungsshows können sich flix und Hulu birgt ein Veränderungspotential für die in vielfacher Weise auf aktuelle popkulturelle Trends Distribution und Lizensierung von Fernsehformaten. und Themen beziehen. Serienfiguren und -ereignisse Netflix bietet Eigenproduktionen von Quality-Dra- können selbst wiederum Teil eines popkulturellen Ka- ma-Series an, z. B. die Crime-Doku »Making a Mur- nons werden. Vor allem durch das Einbinden von Pop- derer« (2015—), die Comedy-Drama Serie »Orange Is musik wird in fiktionalen Formaten und in non-fiktio- the New Black« (2013—) oder »The Crown« (2016-), nalen Unterhaltungsformaten auf Popkultur verwie- eine Biopic-Serie über die frühen Jahre der eng- sen. Die (inter-)nationale Kommerzialisierung von lischen Königin Elizabeth II. Die Vertriebsrechte die- Popkultur durch Fernsehformate wird dabei durchaus ser Serien liegen ausschließlich bei Netflix. Ein Wei- als kritisch angesehen. Dies gilt vor allem für die >cele- terverkauf des Programms als Formatkonzept, For- brificatiom von Popkultur durch Reality-TV-Formate, matadaption oder komplett produziertes Format ist die sich dem Alltag (semi-)prominenter Personen wid- hier genauso wenig möglich wie eine Ausstrahlung men oder diese zu Protagonist/innen unterhaltsam in- auf anderen Sendern oder Videoplattformen (vgl. szenierter, alltagsnaher Geschichten machen. Lindsey 2016). Umgekehrt kann Netflix jedoch die Lizenzen für fremdproduzierte Formate wie der US- amerikanischen Polit-Drama-Serie »House of Cards« Fiktionale Formate: Serien (2013-) erwerben. Zudem führt Netflix ehemalige oder länger zurück- Für die fiktionale Fernsehunterhaltung sind vor allem liegende Fernsehsendungen in Eigenproduktion fort, serielle Fernsehformate kennzeichnend (s. Kap. 30). etwa die Sitcom »Füller House« (2016) als Sequel zur Der prinzipiell offene Handlungsverlauf, wiederkeh- beliebten US-Sitcom-Serie »Full House« (1987-1995). rende Charaktere sowie deren wechselseitige Verflech- Neue Formate adaptieren die Ästhetik früherer Sen- tung in Konfliktstrukturen sind zentrale Merkmale dungen und überführen diese in gegenwärtige Erzähl- fortlaufender Serien (vgl. Plake 2004, 148 ff.). Zu un- konventionen und reichern sie mit popkulturellen Re- terscheiden sind Episodenserien (z. B. »Der letzte Bul- ferenzen an (z. B. bei der Adaption des Spielfilms le«), Mehrteiler (z. B. »Das Boot«), die Sendereihe »Westworld« aus dem Jahr 1973 durch die gleichna- (z. B. »Tatort«), die Endlos-Serie (z. B. »Dallas«) und mige Science-Fiction-/Western-Drama-Serie »West- die (Daily) Soap Opera (z. B. »Gute Zeiten, schlechte world« im Jahr 2016). Zeiten«). Letztere ist eine spezifische Form der Fortsetzungs- serie, weil hier alltägliche Themen wie Partnerschaft, Non-fiktionale Formate: Unterhaltungs- Familie, Beruf oder Sexualität in emotionalen, drama- shows tischen Handlungsszenarien präsentiert werden (vgl. Faulstich 2008, 108 f). Soap-Opera-Formate zählen Die non-fiktionale Unterhaltung ist von Unterhal- zu den international erfolgreichsten und am längsten tungsshows bestimmt, die eine televisuelle Eigenwirk- fortlaufend produzierten Serien. Solche langlebigen lichkeit generieren, indem sie non-fiktionale, aller- Formate drehen sich meist um das alltägliche Leben dings selbsterzeugte Ereignisse zeigen (vgl. Schmidt einer Gruppe junger Leute, die, je nach Dramaturgie 2011). Entsprechende Formate werden nach ihrer the- des länger angelegten Story-Verlaufs, stets um neue matischen und konzeptionellen Ausrichtung unter- Personen ergänzt oder reduziert wird. schieden. Mögliche Unterteilungen sind unter ande- Im Gegensatz dazu erzählen Telenovelas längere rem Musikshows (z. B. »Die ultimative Chartshow«), Geschichten, meist aus Sicht einer weiblichen Haupt- Quizshows (z. B. »Wer wird Millionär?«), Spielshows figur, mit klar definierten Anfangs- und Endpunkten. (z. B. »Glücksrad«), Wettkampfshows (z. B. »Schlag Telenovelas stellen eine ideale Basis für nationale For- den Star«), Comedy-Shows (z. B. »Verstehen Sie matadaptionen dar. Die kolumbianische Telenovela Spaß?«) und Talkshows (z. B. »Markus Lanz«) mit den »Yo soy Betty, la fea« (1999-2001) z. B. wurde bis 2010 Unterformen Late-Night-Shows (z. B. »Die Harald 29 TV-Formate 161 Schmidt Show«) und Polit-Talkshow (z. B. »Hart aber stilistischen Auslegungen durch die Kandidat/innen fair«) (vgl. Hickethier 2010, 282 f.). verbunden. Gleichartige Abläufe und Show-Regeln Zu den international erfolgreichsten und populärs- schaffen Gemeinsamkeiten einer (trans-)nationalen ten Unterhaltungsshows zählen die Formate »Who Popkultur, die durch z. T. vorgegebene musikalische Wants to Be a Millionaire?«, »Got Talent«, »Come Kompositionen, Styles, Images etc. abgesichert und Dine with Me«, »Dancing with the Stars« und »Big verbreitet werden und so identitätsstiffend wirken Brother« (vgl. Chalaby 2015, 141 f.). Quizshows grei- können. fen zur Unterhaltung auf popkulturelle Themen und Im Rahmen des europäischen Musikwettbewerbs das Abfragen von popkulturellem

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