Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg Ulm e. V. – KZ-Gedenkstätte – Mitteilungen Heft 50 / November 2008 Wegbereiter und Akteure des Ulmer Doku-Zentrums Inhalt Heft 50: Traditionen des DZOK 1 Die 50. Ausgabe der Mitteilungen „Als die Nazis die Kommunisten holten“ 2 Lina Haag, Waclawa Galazka, Reinhold Settele 2 Julius Schätzle, Hans Gasparitsch 4 20. Juli – Weiße Rose – politischer Widerstand 5 Gedenkstättenarbeit in Deutschland 6 K.-A.Schmauder – G. Ludwig – W. Keck 8 Die Ehrenamtliche Dagmar Orths 10 Pädagogik am DZOK gesichert 11 A. Fried, P. Probst: Reaktionen auf „Schuhhaus Pallas“ 12 „Eindeutschungsfähig?!“ Neues DZOK-Buch 14 Gedenkbuch „Ulms Opfer des Holocaust“ 15 Edmundo Lebrecht 16 Freiwillige bei ASF und im DZOK 18 Silvester Lechner, Leiter des Doku-Zentrums und Herausgeber der Mitteilungen Schirmeck im Elsaß 20 von 1991 bis 2009, räumt eine Bahn in die Ulmer KZ-Gedenkstätte anlässlich Neue Gedenkstätte Leonberg 21 eines Lehrerseminars im April 2006. Rückblick 2008 22 Schnee von gestern – oder doch etwas, das bleibt …? Neues in Kürze 27 In diesem Heft wird der Traditionen gedacht, in denen das Doku-Zentrum steht. Barbara Distel - Briefe aus Chicago - Lehrer- (A-DZOK, Veranstaltungen 2006; A. Lein) Seminar - Helden - Arolsen - Rockkonzert - Gesamtverzeichnis Juden in D, 33-45 - Max Bill - hfg und Fort - Schüler 2008 - Thor Steinar - Archiveingänge Tadeusz Zulczyk - Freund und Feind - Druckplatten - KZ-Aufseher Franz L. - Gedenkstunde in der Ulmer KZ-Gedenkstätte Heinz Brenners letzter Wille - zeitgemäße Bil- für den Widerstand von 1933 bis 1945 dungskonzepte - Manfred Eger 80 und die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft Neue Bücher 32 Sonntag, 16. November 2008, 11 Uhr Friedenskonzeptionen 1945 bis 55 - Juden in Buchau - Ba-Wü-Gedenkstätten als Lernorte - Antsemitismus - Vergangenheitsbewältigung Vor 75 Jahren: - Bilder zu Israel - Plantage in Dachau - Ranco Brantner - Heinsel Rein - Versteckspiel Nazis an der Macht und das KZ Oberer Kuhberg Veröffentlichungen des DZOK 36 Silvester Lechner Veranstaltungen 37 schtzngrmm – die dritte Generation Stellenausschreibung 39 Eine szenische Collage von Zigeunersoße in deutschen Küchen Beitrittserklärung 39 Carolin Brendel, Lisa Dorn, Charlotte Grief, Stefan Vogt; Svenja Dobberstein (adk) Impressum / Besuchszeiten 39 Förderer dieser Nummer 40 30 30 12 und 14 Uhr: Führungen durch die Gedenkstätte Liebe/-r Leser/-in 40 „Als die Nazis die Kommunisten holten...“ Zur Herkunft von Martin Niemöllers berühmtem Zitat Stichworte zur Biographie Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen, Martin Niemöllers (1892 - 1984): ich war ja kein Kommunist. Deutschnational orientiertes Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, Elternhaus, Vater Pfarrer; U- ich war ja kein Gewerkschafter. Boot-Kommandant im Ersten Als sie die Sozialisten einsperrten, habe ich geschwiegen, Weltkrieg; 1920 Freikorps-Kom- ich war ja kein Sozialist. mandant; 1924 Ordination zum Als sie die Juden einsperrten, habe ich geschwiegen, Pfarrer; 1933/34 Mitbegründer ich war ja kein Jude. der „Bekennenden Kirche“; 1937 Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte. Verhaftung; 1938 Einlieferung ins KZ Sachsenhausen, später ins KZ Dachau; 1945 Befreiung in Dachau; Oktober 1945 Mit- Wenige Zitate zur Durchsetzung und Es gibt Dutzende von Varianten dieses unterzeichner des „Stuttgarter zur Wirkungsmacht des Nationalsozia- Zitats und deshalb immer wieder die Schuldbekenntnisses“ der ev. lismus haben in den Jahrzehnten nach Frage: wann und wo wurde es aus- Kirche; 1947 Kirchenpräsident 1945 eine solch weltweite Resonanz gesprochen, wie lautet es im „Urtext“ von Hessen-Nassau; 1954 Prä- erzielt wie diese Aussage von Martin und wo ist der niedergelegt? sident der „Deutschen Friedens- Niemöller. Sie ist zweifellos auch eine Auch ans DZOK wurden diese Fragen gesellschaft“; in der gesamten Schlüsselaussage, die die Arbeit des mehrfach gerichtet und es konnte Nachkriegszeit Exponent der Ulmer Dokumentationszentrums bis bisher – selbst mit Hilfe verschiedener Friedensbewegung gegen Wieder- heute begleitet. Darum soll sie auch theologischer Fakultäten – nicht ant- bewaffnung und Atomrüstung. in dieser Jubiläums-Nummer zitiert worten. und historisch-quellenkritisch erläutert Nun aber half uns der gelernte Ulmer werden. Die Aussage – manchmal als Theologe Dr. Manfried Wüst mit dem Die, die es genau wissen wollten, Gedicht bezeichnet – stellt einerseits Hinweis auf www.martin-niemoeller- mögen nun enttäuscht sein. Es bleibt die Frage nach dem Schweigen der stiftung.de auf die Sprünge. Auf dieser aber der zeitlose Appell – gespeist vermeintlich „unbeteiligten Zuschauer“ Website steht u. a., dass es sich nach inbesondere aus den Erfahrungen der nationalsozialistischen Verbrechen; persönlichen Aussagen Niemöllers mit dem Nationalsozialismus – nach und andererseits stellt sie implizit die um eine mündliche – von ihm auch Aufmerksamkeit, Widerspruch, Wider- Forderung nach Engagement gegen variierte – Äußerung handelt, die keine stand, wo immer Menschenwürde und offensichtliches Unrecht. schriftlich niedergelegte Urfassung Menschenrechte verletzt werden. hat. (sl) Lina Haag, Waclawa Galazka, Reinhold Settele Drei, die die Nazizeit erlebt, erlitten, überlebt haben Dem Aufruf in der letzten Nummer der Machtübernahme der Nazis bisch Gmünd nach Ulm gezogen der Mitteilungen, Rückblick und Aus- Landtagsabgeordneter der KPD und und hat dort geheiratet. Zusammen blick angesichts dieser Nummer 50 u. a. Häftling im KZ Oberer Kuhberg mit meinem Fred hat er wohl mit die zu formulieren, sind auch drei Men- war. Ihr Buch „Eine Hand voll Staub“, ersten und wichtigsten Ansätze zu schen gefolgt, die am eigenen Leib geschrieben bei Kriegsende und in einer Gedenkstätte auf dem Oberen Verfolgungen in der NS-Zeit erlitten einer Gesamtauflage von mehr als Kuhberg in Ulm in die Wege geleitet. und Widerstand geleistet haben. Sie 500.000 Exemplaren seither ver- Das hat viel Arbeit – gegen den Strom begleiten unsere Arbeit seit vielen breitet, gehört bis heute zum Kern der der damaligen Zeit, die nichts von KZs Jahren. Sie sind zusammen 260 Geschichtserzählungen von Verfol- mehr wissen wollte – gekostet. Heute Jahre alt - ein Meer von Erfahrungen, gung und Widerstand. steht das Mahnmal am Kuhberg und Lehren, Schlüssen. zeigt, dass die Nazizeit zu Krieg und „Wenn ich euer Mitteilungsblatt Nr. 49 Untergang führen musste. Lina Haag, geboren 1907 bei mit dem Aufsatz zu Ernst Rohleder Wenn du nächstes Jahr gehst, Sil- Schwäbisch Gmünd lese, fühle ich mich sehr in die Ver- vester, hoffe ich, dass alles in gute Sie lebt heute in München. Sie ist gangenheit versetzt. Ich kannte ja alle. Hände kommt, ehrlich bleibt und die Witwe von Alfred Haag, der vor Otto Hornischer z. B. war von Schwä- nichts verwässert wird. Und dass den 2 DZOK-Mitteilungen Heft 50, 2008 3 Besuchern weiter vermittelt wird, dass Herz und Engagement. Ich glaube man im Leben lernen muss, kritisch fest, dass dank solcher Menschen die zu denken, sich zu wehren gegen nächste Generation nie so ein unerbitt- Unrecht, Gewalt, Lügen, Kriege.“ liches Schicksal wird erleben müssen (Juli 2008) und nie Nationalismus und Rassismus akzeptieren wird. Dank dem DZOK Waclawa Grabowska-Galazka, konnte ich meinen Kindern die Orte geboren 1929 in Lodz zeigen, die Zeugen meiner Geschichte Sie lebt heute in Lodz. Sie war im waren und an denen heute Menschen Krieg Zwangsarbeiterin bei Telefunken leben, die bereit zur Freundschaft und in Lodz und Ulm/Wilhelmsburg. 1996 zur gegenseitigen Achtung sind.“ war sie nach Ulm eingeladen und (Juli 2008) gründete danach in Lodz den „Verein der ehemaligen Zwangsarbeiter in Reinhold Settele, der Firma Telefunken“. Anwesend geboren 1928 in Ulm war sie auch bei der Enthüllung einer Er lebt heute in Heidenheim. Er Gedenktafel an der Wilhelmsburg im stammt aus sozialdemokratischem September 1999. Elternhaus. Deshalb war er auch nicht Lina Haag an ihrem 100. Geburtstag, 18.1.2007. durch die HJ NS-infiziert. Im letzten (A-DZOK, Veranstaltungen 2007) „Ich will Ihnen von den Ängsten Kriegsjahr realisierte er mit jugendli- erzählen, die die Erfahrung des chen Freunden (Fritz Bauknecht, Heinz Krieges in mir weckte. Als junger Feuchter) in Ulm Widerstandsaktionen. Mensch erlebte ich körperliches Nach der Befreiung bis heute war und Leiden und emotional-psychische ist er radikaldemokratisch auf vielfache Erniedrigung: Verschleppung in die Weise engagiert. Wilhelmsburg, Arbeit unter unmensch- lichen Bedingungen, Trennung von „Der Türmer geht! Die Ankündigung der Familie, Verlust der Gesundheit. des Leiters der Ulmer KZ-Gedenk- Ich habe Angst gehabt, dass diese stätte, Silvester Lechner, er werde Grausamkeiten Spuren in meiner nach 18 arbeits- und erfolgreichen Psyche hinterlassen. Ich habe Angst Jahren im nächsten Jahr die Leitung gehabt, dass ich den Hass auf meine des DZOK altershalber abgeben, Peiniger auf das ganze deutsche Volk erinnert uns nachdrücklich daran, wie übertrage, auch auf die Nachkommen wichtig diese Einrichtung für uns alle, jener Generation. für die ganze Gesellschaft ist. Jahre lang habe ich darum gekämpft, Heute, da weltweit nicht nur der meine Familie vor meinen Ängsten Faschismus wieder sein verbreche- zu schützen. Es hat sich gelohnt. risches Haupt erhebt, sondern auch Ich habe meine Nächsten nicht mit die herrschende Wachstums-, Wett- meinen negativen Erinnerungen ange- bewerbs- und Standort-Ideologie die Waclawa Galazka im Oktober 1996 in der Wil- steckt. Meine Tochter und ihre Kinder Menschen erfolgreich in der Gefan-
Details
-
File Typepdf
-
Upload Time-
-
Content LanguagesEnglish
-
Upload UserAnonymous/Not logged-in
-
File Pages40 Page
-
File Size-