Studia Austriaca XXIX

Studia Austriaca XXIX

Studia austriaca XXIX Arthur Schnitzler • Richard Dehmel Franz Grillparzer • Veza Canetti Kathrin Röggla • Daniel Glattauer Gaito Gasdanow • Hugo von Hofmannsthal Editor-in-chief: Fausto Cercignani Co-Editor: Marco Castellari Editorial Board Achim Aurnhammer (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) Cornelia Blasberg (Westfälische Wilhelms-Universität Münster) Alberto Destro (Università degli Studi di Bologna) Konstanze Fliedl (Universität Wien) Sylvie Le Moël (Université Paris-Sorbonne) Hubert Lengauer (Universität Klagenfurt) David S. Luft (Oregon State University) Patrizia C. McBride (Cornell University) Marisa Siguan (Universitat de Barcelona) Ronald Speirs (University of Birmingham) S t u d i a a u s t r i a c a An international journal devoted to the study of Austrian culture and literature Published annually in the spring Hosted by Università degli Studi di Milano under OJS ISSN 2385-2925 Vol. XXIX Year 2021 Editor-in-chief: Fausto Cercignani Co-Editor: Marco Castellari Editorial Board: Achim Aurnhammer (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) Cornelia Blasberg (Westfälische Wilhelms-Universität Münster) Alberto Destro (Università degli Studi di Bologna) Konstanze Fliedl (Universität Wien) Sylvie Le Moël (Université Paris-Sorbonne) Hubert Lengauer (Universität Klagenfurt) David S. Luft (Oregon State University) Patrizia C. McBride (Cornell University) Marisa Siguan (Universitat de Barcelona) Ronald Speirs (University of Birmingham) Founded in 1992 Published in print between 1992 and 2011 (vols. I-XIX) On line since 2012 under http://riviste.unimi.it Online volumes are licensed under a Creative Commons Attribution- NonCommercial-NoDerivs 3.0 Unported License. The background image of the cover is elaborated from the first page of a manuscript by Peter Handke entitled “Der Donnerblues von Brazzano in Friaul” (Robert Musil-Institut der Universität Klagenfurt / Kärntner Literaturarchiv – Bestand Edizioni Braitan). Studia austriaca Vol. XXIX – Year 2021 Table of Contents Julia Ilgner – Wiener vs. Berliner Moderne. Die kompetitive “Dichter- freundschaft” zwischen Arthur Schnitzler und Richard Dehmel p. 5 [Viennese vs. Berlin Modernism. The competitive “poet friendship” between Arthur Schnitzler and Richard Dehmel] Xiaohu Jiang – Spaces of Contrast. A Spatial Analysis of Franz Grill- parzer’s «Der arme Spielmann» p. 69 Teresa Vinardell Puig – Wien als Blickgewebe. Überlegungen zu Veza Canettis «Die Gelbe Straße» p. 87 [Vienna’s interwoven glances. On Veza Canetti’s «Die Gelbe Straße»] Rosa Coppola – «Der Konjunktiv hat sein Hauptlager in Österreich aufgestellt». Echi austriaci nella raccolta “die alarmbereiten” di Ka- thrin Röggla p. 113 [«The subjunctive has set up its main camp in Austria». Austrian echoes in the collection “die alarmbereiten” by Kathrin Röggla] Stefano Apostolo – Reitergeschichten. Gaito Gasdanow und das Phan- tom des Hugo von Hofmannsthal p. 137 [Cavalry Tales. Gaito Gasdanow and the Spectre of Hugo von Hof- mannsthal] Massimo Salgaro – «Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen». Die virtuelle Liebe in “Gut gegen Nordwind” (2006) von Daniel Glattauer p. 159 [«Writing is like kissing, only without lips». Virtual love in “Gut gegen Nordwind” (2006) by Daniel Glattauer] Call for Papers p. 185 * * * S t u d i a a u s t r i a c a ISSN 2385-2925 Julia Ilgner (Kiel) Wiener vs. Berliner Moderne Die kompetitive “Dichterfreundschaft” zwischen Arthur Schnitzler und Richard Dehmel [Viennese vs. Berlin Modernism. The competitive “poet friendship” between Arthur Schnitzler and Richard Dehmel] ABSTRACT. The following article reconstructs the almost 25-year-long relationship between the two fin de siècle poets Arthur Schnitzler and Richard Dehmel. The analysis is based on the assumption that the rival “artist friendship” is determined by a constitutive generic competition. Schnitzler admired Dehmel’s genius in forms of poetry that he himself had not mastered, first and foremost lyric poetry, but otherwise regarded him critically where he himself had succeeded, namely in the genre of drama. This early resentment forms a lifelong paradigm of Schnitzler’s perception of Dehmel and prevented a sincere apprecia- tion of Dehmel as an artistic equal. Die Beziehung zwischen dem Wiener Schriftsteller Arthur Schnitzler (1862-1931) und seinem erst in Berlin, dann in Hamburg ansässigen Dich- terkollegen Richard Dehmel (1863-1920) war nicht frei von Spannungen und gegenseitigen Ressentiments1. Einerseits anerkannte man die epochale 1 Arthur Schnitzler, Tagebuch 1879-1931. Hrsg. von Werner Welzig unter Mitwirkung von Peter Michael Braunwarth, Susanne Pertlik und Reinhard Urbach von der Kommis- sion für literarische Gebrauchsformen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften u. a., 10 Bde., Bd. 6, Wien 1981-2000, S. 267 (Tb 28.6.1919), bzw. Arthur Schnitzler: Ta- gebuch. Digitale Edition, Samstag, 28. Juni 1919, LINK [Stand: 1.3.2021] PID: LINK. Im Folgenden zitiert unter dem Kürzel «Tb» sowie der Datumsangabe. Da der vorliegende Beitrag wesentlich im Wintersemester 2020/21 geschrieben wurde, während viele Archive und Bibliotheken aufgrund der Covid-19-Schutzmaßnahmenverordnungen geschlossen _________________________________________________________ Studia austriaca XXIX (2021), 5-68 ¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯ 6 Julia Ilgner Bedeutung des jeweils Anderen für die moderne Literatur, andererseits verhinderte jedoch zumindest auf Seiten Schnitzlers die allzu proklamative Selbstinszenierung Dehmels die störungsfreie Wahrnehmung des literari- schen Werks hinter der Person. Vielmehr scheint die Verbindung beider Repräsentanten der Klassischen Moderne, so die Leitthese der hier erstmals unternommenen vergleichen- den Betrachtung2, von einer konstitutiven “generischen Dialektik” geprägt gewesen zu sein: Schnitzler bewunderte das künstlerische Genie Dehmels in Dichtungsformen, die er selbst nicht beherrschte, allen voran der Lyrik, sah ihn umgekehrt jedoch dort kritisch, wo er selbst triumphierte, mithin im Bereich der Dramatik und Bühnenkunst. Ausgehend von dieser Grund- disposition soll im Folgenden diskutiert werden, ob sich das gegenseitige Wohlwollen und die Partizipation an Person und Werk des jeweils Anderen lediglich in konventionellen Höflichkeits- und Gefälligkeitsritualen des kol- legialen Miteinanders erschöpft oder ob es zumindest phasenweise an das Modell einer “Dichterfreundschaft”3 heranreicht. Jenseits ihrer autorspezi- fischen Relevanz fungiert eine solche Netzwerkanalyse auch paradigmatisch oder nur eingeschränkt geöffnet waren, bin ich der freundlichen Auskunft verschiedener Kolleginnen und Kollegen, namentlich Carolin Vogel von der Dehmelhaus Stiftung, Mark Emanuel Amtstätter vom Dehmel Archiv der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Julia Nantke und Sandra Bläß vom Editionsprojekt «Dehmel Digital» sowie Martin Anton Müller von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien zu Dank verpflich- tet. Letzterem, Nikolas Immer sowie Achim Aurnhammer danke ich außerdem für kriti- sche Durchsicht. 2 Die einschlägigen Schnitzler-Biographien (etwa von Renate Wagner, Ulrich Weinzierl oder Giuseppe Farese) erwähnen Richard Dehmel mit keinem Wort, erst Italo Michele Battafarano hat beide Dichter als konträre, gleichwohl repräsentative Reaktionen auf den Ersten Weltkrieg in einen gemeinsamen Kontext gestellt, allerdings ohne konkrete Bezug- nahmen aufeinander aufzuzeigen: vgl. ders.: Cantori e critici tedeschi della Grande Guerra. Dehmel, Ganghofer, George, Hesse, Hofmannsthal, Kraus, Kurz, Lachmann, Leonhard, Mühsam, Nicolai, Rilke, Scheler, Schnitzler, Stramm, Trakl, Zweig. Taranto 2015 (Pegaso Bd. 5), S. 135-158, S. 301-312. 3 Im Bewusstsein der sachlichen Problematik dieser Zuschreibung wird der Begriff der “Dichterfreundschaft” im Falle der durch berufsprofessionelle Rahmenbedingungen kon- ditionierte Beziehung Schnitzlers und Dehmels behelfsweise herangezogen – zum einen _________________________________________________________ Studia austriaca XXIX (2021) ¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯ Wiener vs. Berliner Moderne 7 für die gegenseitige Wahrnehmung zweier avantgardistischer Bewegungen der Jahrhundertwende, namentlich der Wiener und der Berliner Moderne, und vermag Aufschluss über die Frage nach dem Distinktionsverhalten und den literarischen Diffusionsprozessen literarischer Gruppierungen zu ge- ben. Dabei ist es der derzeitigen Editionslage geschuldet, dass die Sicht- weise Schnitzlers mit Vorlage der volldigitalisierten diaristischen Aufzeich- nungen und einer repräsentativen Korrespondenzauswahl gegenüber derje- nigen Dehmels überwiegt und bei veränderter Quellenlage entsprechend zu revidieren und korrigieren sein wird. Gleichwohl wurde mittels einer syste- matischen Rekonstruktion der persönlichen Begegnungen, des epistolari- schen Austauschs sowie der gegenseitigen Lektüren versucht, dem heuris- tischen Ideal einer proportionalen Doppelperspektive Rechnung zu tragen. Konzeptionell folgt die Beziehungsanalyse nach einer knappen Kontu- rierung der Beziehung (I), der ästhetischen Orientierung an gemeinsamen literarischen Leitfiguren (II) sowie der Rekonstruktion der gegenseitigen Werkkenntnis (III) dem chronologischen Verlauf eines Phasenmodells in insgesamt vier Schritten (IV), dessen Ergebnisse in einer abschließenden Betrachtung synthetisiert werden (V). I. Konturen einer Dichterfreundschaft: biographische Parallelen Der Wiener Dichter Arthur Schnitzler (Jahrgang 1862) und der Berliner Lyriker Richard Dehmel (Jahrgang 1863) gehören derselben Generation

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