Ausgabe 7 | 2012 kompakt Jeden Monat neue Infos aus der Welt der Ingenieure Thema: TTechnikechnik im olympischenolympischen Einsatz »» OLYMPIA 2012 »» INTRO Schneller, höher, weiter Technik im Wettkampf um Rekorde Die Sportarten der antiken Olympischen Spiele waren über- Die Olympischen Spiele in London sind ein Mega-Event im Hinblick auf Zuschauerzahlen, Stadien, schaubar. Fünfkampf mit Lauf, Infrastruktur, TV-Spektakel, Technologie und Ingenieur-Höchstleistungen Ringkampf, Speer- und Diskus- wurf sowie Weitsprung, dann noch unterschiedliche Laufstre- cken, Kampfdisziplinen wie Box- und Faustkampf sowie Pferde- und Wagenrennen. Viel Technik benötigte man dabei nicht. Einen Diskus, der nicht durch die Luft eiert, und einen Speer, der gut geradeaus fliegt. Die Weiten ließen sich mit einem Maßband messen, Millimeter-Ergebnisse © Populous · Foto oben © LOCOG · Foto ganz oben © Yuri Arcurs, Fotolia waren unwichtig, letztlich gab es nur einen Sieger. Gerannt wurde barfuß und auch beim Boxen waren Handschuhe überflüssig. Heute sieht die Wirklichkeit ganz anders aus. 302 Wettbe- werbe in 26 Sportarten werden in London ausgetragen. 4.700 Das Warmlaufen für die Funktionären, mehr als 20.000 ben Jahren wird am Aufbau und Medaillen sind zu vergeben. Olympischen Sommerspiele internationale Journalisten sowie der Inbetriebnahme von Wett- Olympia ist längst zum Produkt und Paralympics 2012, die zehn Millionen Zuschauer, die kampfstätten gearbeitet und am geworden. Internationale Spon- ab dem 27. Juli in London das kunterbunte Sportgesche- reibungslosen Funktionieren von soren sowie hohe Einnahmen stattfinden, hat schon lange hen live vor Ort verfolgen und Daten-, Waren- Verkehrs- und durch TV-Übertragungsrechte begonnen. Nicht nur bei den viereinhalb Milliarden Men- Menschenströmen. 11,6 Milliar- machen möglich, dass die Spiele Athleten, sondern vor allem im schen, die weltweit vor den den Euro schwer sind die Investi- in solch gigantischem Ausmaß Hinblick auf die Technik, die TV-Bildschirmen mitfiebern. tionen, die der britische Staat für stattfinden können. Superlative bei dem alle vier Jahre stattfin- Die technische und logistische die Spiele der XXX. Olympiade und Rekordverdächtiges finden denden Spektakel zum Einsatz Planung startete bereits kurz einkalkuliert hat. Der Ausbau der sich aber nicht nur im Sportge- kommt. Schließlich will Groß- nachdem die Londoner im Juli Straßen und Autobahnen, des schehen, sondern besonders britanniens Acht-Millionen-Me- 2005 den Zuschlag des Interna- Schienennahverkehrs und der bei den Ingenieurleistungen tropole fit sein für fast 15.000 tionalen Olympischen Komitees Sicherheitstechnik verschlangen und neuen Technologien, die Sportler, einen ebenso großen (IOC) für das globale Mega- einen Teil dieser Summe, aber im direkten Zusammenhang Tross an Trainern, Betreuern und Event erhalten hatten. Seit sie- auch die Errichtung »» weiter S. 2 mit dem Sport stehen. // »» REPORTAGE »» ANWENDUNGSBEISPIELE Ein Boot mit ausgeklügelter © Steve Bates. Superstars © Martin Steffen Technik an Bord Zeitmessung per Sensorsignal, Die Messboottechnik ist ein schnellere Tartanbahnen durch von Ingenieuren des Instituts Materialmix, Schwimmen mit re- für Forschung und Entwicklung duziertem Wasserwiderstand oder von Sportgeräten (FES) ausge- Biomedizin gegen Doping – Olym- klügeltes System, das die Rude- pia präsentiert nicht nur die besten rer aus dem Deutschland-Ach- Sportler, sondern auch die beste ter nutzen. »» weiter S. 2 – 4 Technik. »» weiter S. 5 + 6 THINK ING.-kompakt · Ausgabe 7/2012 · www.think-ing.de · Seite 2 »» Fortsetzung von S. 1: Technik im Wettkampf um Rekorde des riesigen, 250 Hektar großen Uplinks übertragen. Durch die © Detlev Seyb Olympiaparks mit integrierten Welt flimmern die Bilder dann Sportstätten wie Leichtathletik- im HD-Format 1080/50i – die stadion, Aquatics Centre, Eröffnungsfeier, das 100-Meter- Bahnradanlagen, Arenen für Finale der Männer sowie Basketball, Handball, Wasserball Ausschnitte der Abschlussfeier und Feldhockey sowie dem werden sogar in 3D ausgestrahlt. Olympischen Dorf mit Unter- künften für 17.320 Athleten. Auch ohne entsprechende IT- Infrastruktur und Übertragungsra- Zusammengenommen fast ten von bis zu 60 Gigabyte wäre 800 Medaillenentscheidungen ein Event wie Olympia 2012 nicht bei Olympia und den Paralympics denkbar. Für alle Aufgaben in die- sind nicht nur sportliche, son- sem Bereich ist der IT-Dienstleis- dern auch technische Heraus- ter Atos verantwortlich und hat forderungen. Dagegen verblasst dazu im Vorfeld 42 Techniktests selbst eine Fußballweltmeister- an Originalschauplätzen veran- schaft. Experten halten den staltet, insgesamt mehr als 4.200 technisch-organisatorischen Kilometer Telefon-, Netzwerk- Aufwand bei den diesjährigen und andere Kabel verlegt und Olympischen Sommerspielen für ein Rechenzentrum an einem ungefähr zehn Mal so groß wie geheim gehaltenen Standort im bei der letzten Fußball-WM in Osten Londons errichtet. 3.500 Südafrika. Mitarbeite- Schließlich © LOCOG rinnen und gibt es in Mitarbeiter London beschäftigt mehr als das Unter- 100 ver- nehmen Hier sind Kraft, Technik und Ausdauer gefragt: Der Deutschland-Achter in voller Fahrt beim schiedene während Weltcupsieg dieses Jahres im serbischen Belgrad; mit an Bord drei Ingenieurstudenten Wettkampf- der Spiele, Ein Blick aus der Luft auf das Olympische Dorf, »» REPORTAGE orte und in dem über 17.000 Athleten und Betreuer 900 Sport- wohnen werden Server sind stätten. Jene liegen teil- aufgestellt und 11.500 Desktop- Ein Boot mit ausgeklügelter weise hunderte Kilometer Rechner sowie 1.100 Note- voneinander entfernt – books werden installiert. von Mountainbikerennen auf Technik an Bord dem Gelände der Hadleigh Absolut unverzichtbar bei Farm in Essex über Ruder- und Olympia ist allerdings die Der Deutschland-Achter, eine der großen Medaillenhoffnungen bei Kanuwettkämpfe auf dem exakte Messung von Zeiten Olympia, wird im Training schon mal als Messboot gefahren – eine Dorney Lake bei Windsor bis und Weiten. Kein Rennen läuft Entwicklung der Ingenieure und Wissenschaftler vom Institut FES hin zu Segelwettbewerben, ohne Lichtschranken, Elektro- die an der Südküste Eng- kontakte an der Startpistole Kraftvoll-dynamisch gleitet Ein Boot, das voller Tech- lands ausgetragen werden. sowie Fotozellen und Zielka- das Ruderboot auf dem nik steckt – und das hin und meras, die die Zeitnahme völlig Dortmund-Ems-Kanal, nicht wieder mit noch mehr Technik Eine der wichtigsten Diszipli- automatisch vornehmen und von einem Motor ange- aufgerüstet wird. So etwa im nen bei Olympischen Spielen ist Entfernungen exakt berechnen. trieben, sondern allein von Training, wenn es mal wieder die Kommunikationstechnik für Schon seit den Olympischen menschlicher Kraft. Genauer heißt: „Diese Woche fahren wir Audio- und Videoübertragungen. Spielen in Stockholm im Jahr gesagt von acht durchtrai- Messboot.“ Bei dieser sogenann- Ein Wettkampf der Fernsehsen- 1964 ist die elektrische Variante nierten Athleten, die absolut ten Messboottechnik kommt es der sozusagen. TV-Zuschauer in der Zeitmessung plus Zielfoto synchron mit dem Ruderblatt darauf an, die Kraftübertragung aller Welt möchten schließlich im Einsatz. Noch Jahre später ins Wasser eintauchen, es jedes einzelnen Sportlers und jeden Schweißtropfen und jede war ihr Erfinder Dr. Siegfried durchziehen, den sogenann- der Mannschaft insgesamt Freudenträne live und in Farbe Winter damit aber noch unzu- ten Riemen in der Luft wieder festzustellen und Rückschlüsse sehen. Für diese spektakulären frieden und meinte kritisch: „Ein nach hinten führen, sich dabei zu gewinnen, wie man das Bilderfluten ist das „International guter BH kann den Olympiasieg auf einem Rollsitz bewegen – homogene Miteinander im Broadcast Centre“ (IBC) auf dem bringen.“ Das war der Stand und damit sich und das Boot Boot möglichst optimal umsetzt. Olympia-Gelände verantwortlich. der Zeitmessung vor fast 50 auf Hochtouren bringen. Der Dazu wird dann das Wettkampf- Dort schlägt das multimediale Jahren. Heute können Olympia- Deutschland-Achter, Flaggschiff boot umgerüstet und mit einer Herz der Spiele. Hier laufen alle Athleten die hochauflösen- des deutschen Sports, das bei Menge von Kabeln, Seilzugsen- Fäden der Berichterstattung zu- den Scanner, Sensoren und den Ende Juli beginnenden soren, Dehnungsmessstreifen sammen, die über 1.000 Kameras Infrarotstrahlen nur durch eins Olympischen Spielen in London und Steuereinheiten ausgestat- einfangen und zahlreiche Über- beeinflussen – durch körper- zu den größten Medaillenhoff- tet, in denen die gewonnenen © gknec, Fotolia tragungswagen und Satelliten- liche Höchstleistungen. // nungen Deutschlands zählt. Daten zusammenlaufen. THINK ING.-kompakt · Ausgabe 7/2012 · www.think-ing.de · Seite 3 Klasse wurde, ist seit fast drei Jahrzehnten bei der FES. Nach dem Abitur mit Berufsaus- bildung wurde er zunächst © ADAC Betonfacharbeiter, studierte dann Informatik und kam als Nachwuchsingenieur zu der Forschungsstätte. Hier wurde er zunächst Projektleiter für den Radsport, seit 1994 ist er Leiter des geschätzten Instituts, in dem eine Vielzahl an hoch- qualifizierten Mitarbeitern tätig ist, darunter Maschinenbau- ingenieure, Konstrukteure, Physiker, Mathematiker, Luft- und Raumfahrtingenieure, Modellbauer, Mess- und Ent- wicklungsingenieure. Die FES- Wissenschaftler ziehen für ihre Überlegungen stets neue Tech- nologien und Werkstoffe heran, tüfteln an modernen Mess- und Rechenverfahren und überprü- fen die Umsetzung in die Praxis – stets im engen Austausch mit Athleten und Trainern. ©
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