Zur mathematischen Lehrtätigkeit an der Universität Wittenberg im 16. und frühen 17. Jahrhundert, dargestellt unter besonderer Berücksichtigung des Wittenberger Mathematikers Ambrosius Rhodius (1577-1633) Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doctor paedagogicae (Dr. paed.) vorgelegt der Naturwissenschaftlichen Fakultät III der Martin – Luther – Universität Halle – Wittenberg von Silvia Schöneburg Geboren am 26. Januar 1979 in Querfurt Gutachterin bzw. Gutachter: 1. Prof. Dr. rer. nat. habil. K. Richter 2. Prof. Dr. rer. nat. habil. H. – J. Vollrath Verteidigungsdatum: 19.12.2007 urn:nbn:de:gbv:3-000012783 [http://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=nbn%3Ade%3Agbv%3A3-000012783] Inhaltsverzeichnis Einleitung ..................................................................................................................3 Teil I: Mathematische Lehrtätigkeit an der Universität Wittenberg im 16. und frühen 17. Jahrhundert .............................................................................5 1.1. Grundlagen: Die Anfänge der Universität Wittenberg ............................6 1.2. Herausbildung und frühe Entwicklung mathematischer Lehrtätigkeit an der Universität Wittenberg ....................................................................11 1.2.1. Allgemeine Entwicklungslinie ..............................................................11 1.2.2. Besetzung des bzw. der mathematischen Lehrstühle ............................15 1.2.3. Charakteristika der mathematischen Lehre im 16. Jahrhundert ............25 1.2.4. Charakteristika der mathematischen Lehre in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts .....................................................................................41 1.3. Zur mathematischen Ausbildung im 16. Jahrhundert unter protestantischer und unter katholischer Prägung, dargelegt an Beispielen der Societas Jesu und der Wittenberger Universität ............46 1.3.1. Katholisch geprägte Ausbildung im 16. Jahrhundert am Beispiel der Societas Jesu ....................................................................................46 1.3.2. Vergleich katholisch geprägter mathematischer Lehr- und Forschungstätigkeit mit dem wissenschaftlichen Leben und insbesondere der mathematischen Ausbildung an der Wittenberger Universität im 16. und frühen 17. Jahrhundert ......................................56 Teil II: Zur mathematik – didaktischen Leistung des Wittenberger Mathematikers Ambrosius Rhodius ......................................................66 2.1. Ambrosius Rhodius – Bildungsweg und Tätigkeit an der Universität Wittenberg ..........................................................................67 2.2. Mathematische Lehrtätigkeit von Ambrosius Rhodius im Spiegel seiner Lehrbücher .............................................................................................75 2.3. Mathematik– didaktische Lehrintentionen von Ambrosius Rhodius in seinem Lehrbuch „Mathesis militaris“ ..................................................86 2.3.1. Einordnung des Lehrbuchs „Mathesis militaris“ in die Kriegsliteratur und ihre Rezeption im frühen 17. Jahrhundert ......................................86 2.3.2. Aufbau und methodische Grundideen des Rhodius – Buches ...............91 2.3.3. Methodisch – didaktische Analyse der einzelnen Kapitel ...................109 1 2.3.3.1. Kurtzer discurs von dem Kriegswesen ................................................109 2.3.3.2. Arithmeticae Kriegs – Exempla ..........................................................114 2.3.3.3. Geometriae Definitiones ......................................................................123 2.3.3.4. Von der Fortification oder Erbawung der Festungen ..........................160 2.3.3.5. Von Geometrischer Buechsmeisterey .................................................173 2.3.3.6. Von Ordnung des Kriegsvolcks ...........................................................188 2.3.3.7. Von Feldlaegern ..................................................................................197 2.4. Zusammenfassung und Ausblick .........................................................202 Abbildungsverzeichnis .................................................................................................208 Tabellenverzeichnis......................................................................................................209 Literaturverzeichnis......................................................................................................211 Anhang ...................................................................................................................i 2 Einleitung Die Geschichte der mathematischen Lehrtätigkeit an der Universität Wittenberg in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens erweist sich bei genauer Einsicht und Untersuchung der noch verfügbaren historischen Quellen als reichhaltig, vielschichtig und weit mehr als nur lokal und zeitlich begrenzt bedeutsam. Die vorliegende Arbeit widmet sich dieser Problematik und stellt es sich zum Ziel, grundlegende Gedanken zu dieser wissenschaftsgeschichtlich interessanten wie bedeutsamen Thematik zusammenzu- stellen. Im Mittelalter hatte das Christentum zunehmend an Bedeutung gewonnen. Von der Kirche, als Trägerin der Kultur, und insbesondere den Klöstern ging die Bereicherung und Verschönerung des geistigen Lebens aus. Es existierte ein gut organisierter Verwaltungsapparat der Kirche, der es verstand, immer mehr Reichtum anzusammeln, und damit die kirchliche Macht zu steigern. Die Geistlichkeit übernahm das Monopol in der Bildung und die Bildung bekam einen starken theologischen Charakter. Die Wissenschaften wurden von kirchlichen Dogmen beeinflusst, die zentralen Impulse und wesentliche Realisierungsformen des Unterrichts gingen von der Kirche aus. Ein allgemein stärkeres Bedürfnis nach Unterricht und Bildung, sowie das Bedürfnis der Kirche nach gelehrten Theologen und Juristen führten so zur Gründung von Universitäten, an denen Philosophie, Theologie, Jurisprudenz und Medizin gelehrt wurden. Zu den ersten europäischen Universitäten, die im 11./12. und 13. Jahrhundert gegründet wurden, zählten u.a. Bologna (um 1088), Paris (etwa 1170), Padua (1222) und Oxford (frühes 12. Jhd.).1 Die ersten Universitäten im deutschsprachigen Gebiet finden sich im 14. und 15. Jahrhundert, so z.B. Prag (1348), Wien (1365/84), Heidelberg (1386), Leipzig (1409) und Tübingen(1477).2 Die stetig anwachsende Zahl der Neugründungen deutscher Universitäten im 14. und 15. Jahrhundert ist durch den großen wirtschaftlichen Aufstieg, den Deutschland damals erlebte, aber auch durch die starke politische Zersplitterung und die entstandenen Territorialfürstentümer, die jeweils einen vollkommen unabhängigen Beamtenapparat aufzuweisen hatten, leicht nachvollziehbar. Die einzelnen Territorialfürstentümer hatten das Bedürfnis nach einer 1 Vgl. zu den Gründungsdaten von Bologna in [149], Band 2, S. 344; Paris in [149]. Band 9, S. 153; Padua in [149], Band 9, S. 54 und Oxford in [149], Band 9, S. 30. Ein genaues Gründungsdatum für Oxford existiert nicht. Erste Unterrichtstätigkeit ist aber bereits vor 1100 nachgewiesen worden. 2 Vgl. zu den Gründungsdaten von Prag in [149], Band 3, S. 126; Wien in [149], Band 12, S. 357; Heidelberg, Band 5, S. 802; Leipzig in [149], Band 7, S. 255; Tübingen [149], Band 12, S. 25. 3 eigenen Universität im Lande, um ihre Beamten auch ihren eigenen Ansprüchen und Bedürfnissen gemäß heranbilden zu können.3 In diese Zeit fällt die Gründung der Universität Wittenberg im Jahre 1502, die mit ihrer Artisten- bzw. philosophischen Fakultät im Zentrum der hier vorliegenden Betrachtungen steht. Es existieren einige Schriften, die sich mit der Geschichte der Universität Wittenberg in ihrer Gesamtheit auseinandersetzen, wie beispielsweise Walter Friedensburgs „Geschichte der Universität Wittenberg“ [88] oder auch Johann Christian August Grohmanns „Annalen der Wittenberger Universität“ [92], aber keine, die ausschließlich die dortige mathematische Lehre zum Gegenstand ihrer Betrachtungen macht. Die Herausbildung mathematischer Lehr- und Forschungstätigkeit an der Wittenberger Universität ist ein bisher in der mathematikgeschichtlichen Literatur nur in Ansätzen und fragmentarisch behandelter Problemkreis. Dies ist umso erstaunlicher, als so bedeutende Mathematiker, wie etwa Georg Joachim Rhaeticus oder Erasmus Reinholdus prägend in Wittenberg gewirkt haben und die Wittenberger Universität zudem einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung und Akzentuierung der damaligen Bildungslandschaft Deutschlands, speziell auch auf naturwissenschaftlichem Gebiet, geleistet hat. Neben Walter Friedensburg [88] vermittelt v.a. Heinz Kathe mit seiner Schrift „Die Wittenberger philosophische Fakultät 1502-1817“ [108] einen gewissen Ein- und Überblick über die Wittenberger mathematische Ausbildung. Mit der hier vorliegenden Arbeit soll ein Beitrag zur Erforschung der Wittenberger Universitätsgeschichte, und zwar schwerpunktmäßig zur mathematischen Lehrtätigkeit, in den ersten anderthalb Jahrhunderten des Bestehens der Universität geleistet werden. Neben einer phänomenologischen Beschreibung der Entwicklung mathematischer Lehrtätigkeit an der Wittenberger Hochschule sowie deren Einbettung in die philosophische und theologische Lehre, die den ersten Teil dieser Arbeit ausmacht, gilt die Aufmerksamkeit im zweiten Teil dem bedeutungsvollen Wittenberger Professor Ambrosius Rhodius, der zu Beginn des 17. Jahrhunderts einen mathematischen Lehrstuhl innehatte. Insbesondere die methodische Analyse des Lehrbuchs
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