Plenarprotokoll

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Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2021 25839 Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich (A) Drucksache 19/23152 meinschaft, müssen „den Krieg gegen die Natur … been- (C) den“. Wir sind mitten in der Coronakrise; aber gleich- Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommu- zeitig findet die Klimakatastrophe statt. Wir müssen nen (f) jetzt handeln und jetzt umdenken. Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Das müssen wir in allen Sektoren tun, eben gerade Dr. Julia Verlinden, Christian Kühn (Tübin- auch bei dem Thema, das wir heute haben: beim Bauen. gen), Lisa Badum, weiterer Abgeordneter Der ökologische Fußabdruck von Gebäuden ist enorm und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- und riesengroß, viel größer, als manche glauben, und NEN leider auch viel größer, als manche von Ihnen hier im Aktionsplan Faire Wärme – Aufbruch für Deutschen Bundestag wissen oder auch glauben. 40 Pro- klimaneutrale, bezahlbare und warme zent – 40 Prozent! – der indirekten und direkten CO2- Wohnungen und ein starkes Handwerk Emissionen entstehen im Gebäudesektor: beim Bauen, Drucksache 19/26182 beim Betreiben, aber auch beim Abriss von Gebäuden. 52 Prozent des Abfallaufkommens entstehen dabei. Es ist Überweisungsvorschlag: vollkommen klar: Ohne eine Bauwende ist die Klima- Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit krise nicht zu stoppen. Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Christian Kühn (Tübingen), Dr. Julia Ich bin deswegen sehr froh, dass uns im Deutschen Verlinden, Lisa Badum, weiterer Abgeordne- Bundestag eine Petition von Architects for Future ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE erreicht hat, die nichts anderes einfordert, als dass wir GRÜNEN Baupolitik endlich auch als Klimapolitik begreifen. Ich finde, hier sollten wir endlich unseren Job machen. Das Drittelmodell – Energetische Modern- isierungen voranbringen – Gerecht und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sozial ausgewogen Wir Grüne bringen heute Anträge zur Wärmepolitik, Drucksache 19/26183 zur Klimapolitik, zur Ressourcenpolitik, zur Planungs- politik und zur Baupolitik ein. Kurz gesagt: Es geht uns Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommu- um eine Bauwende. Wir deklinieren durch, was in den nen (f) nächsten zehn Jahren gemacht werden muss, um diesen (B) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Sektor endlich auf den Pariser Klimapfad zu bringen. (D) Ausschuss für Wirtschaft und Energie d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Wenn ich in das vergangene Jahrzehnt schaue, in dem Daniel Föst, Frank Sitta, Grigorios größtenteils Sie in der Großen Koalition die Verantwor- Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der tung hatten, dann muss ich sagen: Das war ein vergeude- Fraktion der FDP tes Jahrzehnt für dieses Themenfeld. Bei der Bau- und Wärmewende sind wir nicht vorangekommen. Nachhaltig bauen – Technologieoffenheit stärken – Bezahlbar wohnen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch des Abg. Timon Gremmels Drucksache 19/26178 [SPD]) Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommu- Ein Beispiel dafür – Herr Gremmels, Sie schütteln mit nen (f) dem Kopf; aber das sehen Sie doch genauso –: Die Stan- Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit dards, die das Gebäudeenergiegesetz, das letztes Jahr hier beschlossen worden ist, vorsieht, sind nicht Paris-kompa- Auch für diese Aussprache sind 30 Minuten beschlos- tibel. Das haben Herr Altmaier und die Große Koalition sen. zu verantworten. Das ist ein Riesenfehler. Ich eröffne die Aussprache. Es beginnt der Kollege (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Christian Kühn, Bündnis 90/Die Grünen. Timon Gremmels [SPD]: Falsch!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Oder schauen wir ins Bauministerium. Ich finde es skandalös, dass Herr Seehofer die Mantelverordnung, Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE also die Verordnung, die regelt, wie Baustoffe in GRÜNEN): Deutschland recycelt werden, in diesen Tagen blockiert, Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und und zwar rein aus bayerischen Lobbyinteressen heraus. Kollegen! Meine Damen und Herren! Das vergangene Das können wir uns nicht länger leisten. Jahr war das zweitwärmste Jahr seit Beginn der Tempe- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) raturaufzeichnungen. Wir haben vorhin über Agrarpolitik gesprochen: drei Dürresommer in Folge. Die Erderwär- Das ist zukunftsvergessen und industriefeindlich, weil es mung liegt bereits 1,2 Grad über dem Niveau des vor- die Kreislaufwirtschaft ausbremst. Wir haben kein tech- industriellen Zeitalters. Der UN-Generalsekretär hat nisches Problem bei der Umsetzung, sondern ein politi- Ende letzten Jahres noch einmal gesagt: Wir, die Weltge- sches. 25840 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Januar 2021 Christian Kühn (Tübingen) (A) Das höchste Holzhaus der Welt steht leider nicht in Erfassung technisch nicht möglich oder wirtschaftlich (C) Deutschland, sondern in Norwegen, weil es dort eine nicht zumutbar ist. Auf diese Weise können Böden, Bau- nationale Holzbaustrategie gibt. Bei der Wärmewende schutt und Straßenaufbruch sowie einige weitere Bauab- rennen wir Dänemark hinterher, weil wir nicht bereit fallarten zu rund 90 Prozent im Stoffstromkreislauf sind, endlich mal darüber zu sprechen, wie wir mehr gehalten werden. Erneuerbare in den Markt bringen können. Bei der Lebenszyklusbetrachtung von Gebäuden sind wir gesetz- Das BMWi hat schon 2015 die Energieeffizienzstrate- geberisch noch meilenweit von dem Standard entfernt, gie Gebäude mit konkreten Ansatzpunkten der Beratung den es in der Industrie schon seit 20 Jahren gibt. Ich finde, aufgelegt. Diese Strategie integriert die Handlungsfelder hier müssen wir als Politik endlich loslegen. Strom, Wärme und Effizienztechnik. Damit schafft sie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) einen klaren Handlungsrahmen für einen besseren Ener- gieeinsatz im Gebäudebereich. Das Bundesministerium Es gibt die Idee, die Stadt von morgen aus nachwach- des Innern hält Informationen über nachhaltiges Bauen senden Rohstoffen zu errichten und damit als CO2-Senke des Bundes bereit und bietet konkrete Leitfäden an, die zu betrachten. Damit können wir uns Stück für Stück aus auch ständig aktualisiert werden. Wir sind da also schon der Klimakrise herausbauen. Holz, nachwachsende Roh- auf dem richtigen Weg. stoffe oder Recyclingbaustoffe sind die Zukunft. Ich fin- de die Idee bestechend, und ich finde, wir sollten sie Zwar werden vor allem im Straßenbau aufbereitete umsetzen. Baustoffe aus dem Abriss eingesetzt, aber nicht immer (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) reicht die Produktqualität aus. Die Grenzwerte für Schad- stoffe werden zunehmend schärfer. Boden- und Grund- Wenn Sie von der Union mir das nicht glauben, dann wasserschutz gehen vor. Solange aber die Fragen der schauen Sie einfach nach Brüssel zu Ursula von der Grenzwerte von Recyclingbaustoffen nicht geklärt sind, Leyen. werden Bauherren und Baufirmen diese Stoffe nicht ver- (Dr. Florian Toncar [FDP]: Oh, lieber nicht!) wenden. Deswegen müssen wir uns hier darum küm- Die EU-Kommission bringt eine Renovation Wave auf mern. den Weg, ein umfassendes Konzept, wie wir den Gebäu- Ebenfalls unklar bleibt bei vielen Stoffen, ob sie über- desektor in Zukunft CO2-frei gestalten sollen. Ich finde, Sie als Union sollten auf Ihre Parteikollegin hören, wenn haupt recycelbar sind. Bei der klassischen Gipskarton- Sie uns schon nicht trauen. wand mag das noch einfach erscheinen. Bei anderen Stof- fen ist der Wiederaufbereitungsaufwand aber so hoch, Danke schön. (B) dass sich Recycling praktisch nicht lohnt. Es ist auch (D) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ein Irrglaube, dass recycelbare Baustoffe in einem immer fortwährenden Kreislauf den künftigen Bedarf zu 100 Prozent decken könnten. Wenn man sich zum Bei- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: spiel die Gipskartonwand noch mal anschaut: Auch hier Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort der Kollege muss dem recycelten Material ständig neuer Gips zuge- Christian Hirte. fügt werden. Wegen des Kohleausstiegs stehen uns aber (Beifall bei der CDU/CSU) die bisherigen Stoffströme nicht mehr zur Verfügung, und wir müssen künftig ausschließlich auf Naturgips zurück- Christian Hirte (CDU/CSU): greifen. Der Abbau dieser Ressource wird aber torpe- Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- diert, wenn mit dem Hinweis auf den Naturschutz Vor- ren! Ich glaube, wir sind uns dem Grunde nach einig: Der kommen nicht erschlossen werden können – Gleiches gilt Bausektor gehört zu den besonders ressourcenintensiven für Kiese und Sande –, und es kann ja nicht angehen, dass Wirtschaftszweigen. Schon bei der Herstellung der Bau- wir in solchen Bereichen auf ausländische Ressourcen materialien und beim Bau benötigt man große Stoffmen- zurückgreifen müssen. gen. Schließlich entstehen dabei, wie auch bei der Sanie- rung und beim Abriss, große Abfallmengen. Für Wärme Den Grundsatz, mehr Baustoffe wiederzuverwerten, und Klimatisierung in Gebäuden wird in Deutschland teile ich voll und ganz. Daher ist es auch zielführender, etwa ein Drittel der Primärenergie eingesetzt. Ressour- zunächst nach Bau- und Ersatzstoffen zu forschen, die censchonung

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