
"Der Bibliomanie erlegen" : Johann Caspar von Orelli und die Welt der Bücher Autor(en): Leu, Urs B. Objekttyp: Article Zeitschrift: Librarium : Zeitschrift der Schweizerischen Bibliophilen- Gesellschaft = revue de la Société Suisse des Bibliophiles Band (Jahr): 43 (2000) Heft 2 PDF erstellt am: 08.10.2021 Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-388683 Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. 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LEU «DER BIBLIOMANIE ERLEGEN» Johann Caspar von Orelli und die Welt der Bücher Am 6.Januar 1999 jährte sich der Todestag Dichter, die ihn bald in ihren Bann schlugen. des 1787 in Zürich geborenen späteren Daß Orelli auch während seiner Berga- Gründers der Universität Zürich, masker Zeit Bücher nicht missen wollte, Jonann Caspar von Orelli, zum 150. Mal. geht nicht zuletzt aus einem Verzeichnis Grund genug, seine Verdienste um das Zürcher von ihm mit Nachträgen von der Hand Bildungswesen, seine wissenschaftlichen seiner Mutter, Regula von Orelli-Escher vom Leistungen als Altphilologe, Mediävist Glas, hervor, das ebenfalls im Familienarchiv und Romanist, seine Aktivitäten als von Orelli verwahrt wird (Abb. 1). Philhellene sowie sein vielfältiges Die Bücherliste gibt Aufschluß darüber, handschriftliches und gedrucktes Erbe kritisch welche Bücher er von Zürich mit nach zu reflektieren und aus der historischen Bergamo nahm (107 Nummern). Er verteilte sie Distanz zu würdigen1. Die Zentralbibliothek auf folgende Fachgebiete : «Libri Graeci et ¦Zürich (ZBZ) verwahrt im Familienarchiv Latini» (30 Nummern), «Italiani» (8 von Orelli den handschriftlichen Nachlaß Nummern) und «Deutsche» (69 Nummern). Auf des berühmten Zürchers und ist stolze den folgenden vier Seiten finden sich 55 Besitzerin seiner stattlichen Privatbibliothek, weitere Einträge, die ausweisen, welche die interessante Einblicke in sein geistiges Werke ihm in elf Lieferungen bis 1810 Innenleben gewährt. zugesandt worden sind. Dieses Verzeichnis Orelli war ein Büchernarr. Er umgab deckt jedoch nicht seine gesamte Berga- sich, wo immer er wohnte, mit Büchern. masker Privatbibliothek ab, denn in der Sein Bruder und BiographJohann Conrad Zentralbibliothek Zürich konnten verschiedene von Orelli weiß zu berichten, daß er bereits Titel aufgespürt werden, die er als Schüler am Zürcher Carolinum, das er nachweislich während seines Aufenthalts in von 1709 bis 1806 durchlief, neben der Bergamo von 1807bis 1814 anschaffte, die aber Schule stets «mit der Lectur klassischer in der besagten Liste nicht auftauchen. Zu und unklassischer Werke beschäftigt» war2. diesen frühen, noch vorhandenen Orelliana Sein Wahlspruch lautete: Nil spernendum gehören eine 1808 in Mailand gekaufte (nichts ist zu verachten). Er interessierte italienische Übersetzung der Satiren des Per- sich für verschiedenerlei Literaturen und sius von 1803, eine 1810/11 erworbene, lernte Französisch, Italienisch, Spanisch später von Orelli reich annotierte Dante- sowie ein wenig Englisch. Zunächst bezog er Ausgabe von 1809 (Abb.7), ein 1811 erstandener seine geistige Nahrung aus der väterlichen griechisch-lateinischer Pindar von Bibliothek und aus einer Leihbücherei, 1808, ein 1814 in Bergamo angeschafftes, verkehrte damals bereits mit Antiquaren und 1789 gedrucktes dreibändiges Werk aus der benutzte schließlich die reich ausgestattete Feder von Luigi Lanzi über die etruskische Stadtbibliothek. und andere alte Sprachen Italiens sowie ImJuli 1807 reiste er als Zwanzigjähriger ein 1809 in Mailand gekauftes Bändchen, nach Bergamo, um dort als Pfarrer die das zwei Publikationen aus dem Jahr 1808 deutsch-reformierte Gemeinde zu betreuen. beinhaltet. Die eine trägt den Titel «Dei Er vertiefte seine Italienischkenntnisse und Sepolcri Poesie» und nennt als Autoren Ugo begann mit der Lektüre der italienischen Foscolo, Ippolito Pindemonte und Giovanni 95 Torti, die andere stammt von Giuseppe Carolinum übersiedelte er 181g in die Lim- Greatti und ist betitelt mit «Lettera a Sua matstadt. Sein Lehrertalent vermochte Eccellenza Eva Baraguey-D'Hiliers». seinen Schülern die griechische und die römische Trotz der stattlichen Bücherpreise muß Antike nahezubringen und sie dafür zu die seinem Freund August Heinrich Wirz gewinnen. Er war auch gerne bereit, ihnen gegenüber gemachte Äußerung, daß die über den Schulstoff hinaus Privatvorlesungen «Bibliomanie ein Danaidenfaß» sei, wohl über griechische, lateinische und aus dieser Zeit stammen3. Es ist zudem ein italienische Schriftsteller zu halten. Auch stand von Orelli in Bergamo angelegtes «Giornale ihnen seine Bibliothek offen (Abb. 6). di Lettura» erhalten geblieben, das Sein Bruder Johann Conrad von Orelli Exzerpte seines Lesestoffes desJahres 1808 schildert die Aufstellung der Bücher mit enthält und das durch die Fülle des Gelesenen den Worten: «Die Bücher standen nicht überrascht4. regelmäßig in Reihe und Glied geordnet, Selbst seine Bücher konnten nichts daran sondern in allen Richtungen über und ändern, daß Bergamo für ihn einer geistigen durch einander so aufgeschichtet, daß ein Wüste glich. Er schilderte seine Situation Theil derselben bereit schien, bei der in einem Brief an seinen Freund Wirz geringsten Erschütterung hinunter zu stürzen. (1787-1834) vom 26. August 1807 nicht sehr Aber mit merkwürdiger Sicherheit wußte er rosig: «Gib mir Nachricht von einigen sogleich was er suchte zu finden6.» Zudem Neuheiten vom deutschen Büchermarkt, hier verrät die brüderliche Hand, daß er mit bekomme ich keine Bücher zu Gesichte, Geld schlecht habe umgehen können und ausgenommen die, welche ich mit ihm dabei seine Bibliomanie immer wieder hergebracht, und einige italienische, die ich in die Quere gekommen sei: «Da das Oeko- hier gekauft habe. Litterarisches Rüstzeug nomisiren nicht Orelli's Sache, und der findet sich zwar in Bergamo, d.h. zwei bis einzige Reichthum, den er kannte, der an drei Buchhandlungen, eine öffentliche Büchern war, so fiel die Sorge für die häusliche Bibliothek u.s.f. ; aber außer einigen Sonettendichtern Oekonomie beinahe ausschließend der ist niemand litterarisch Gebildeter wachsamen Gattin zu. Wenn etwa ein Wörtchen hier5.» über gewisse mehr die Buchhändler 1813 wurde Orelli an die Kantonsschule als ihn und seine Familie begünstigende in Chur berufen. Er widmete sich seinen Beträge, und ihre allzu sorgsamen Zusendungen Aufgaben als Lehrer mit Leib und Seele von Büchern und Katalogen, oder über und bedachte die Kantonsschulbibliothek zu weit getriebene und unkluge Freigebigkeit mit reichen Büchergeschenken. Während gegen Solche, die seine Gutthätigkeit seiner ChurerJahre erwuchs in ihm großes mißbrauchten, und dgl. floß, so wußte sich Gefallen am Goetheschen «Faust», den er Orelli gewandt mit Scherzen und als die höchste und vollendetste Dichtung Witzworten aus der Sache zu ziehen, ohne seine des 18. Jahrhunderts bezeichnete und der Weise zu ändern7.» ihn bis in die letzten Lebensjahre begleitete. Orelli bereicherte nicht nur den Bestand Es erstaunt daher nicht, daß sich diese der eigenen Bibliothek, sondern bedachte Vorliebe für den «Faust» auch in seiner auch verschiedene Zürcher Bibliotheken Privatbibliothek niedergeschlagen hat, besaß er mit Büchergeschenken, allen voran die Zürcher doch beispielsweise eine 1835 in Mailand Stadtbibliothek, der er innert zweier erschienene italienische Übersetzung sowie Jahrzehnte über 1000 Bücher gab. Darunter mindestens sieben Titel an Sekundärliteratur befanden sich auch Zimelien, wie etwa die zum «Faust». seltene Erstausgabe von Tommaso Campanellas Infolge seiner Wahl zum Professor der (1568-1639) «Poesie filosofiche» von Eloquenz und Hermeneutik ans Zürcher 1622. Als sein elfjähriger Sohn Arnold 1836 96 SOLLEMNIA ACADEMICA AD MEDICINE DOCTOREM RITE INAUGURANDO! HABENDA INDICIT ÜNIVERS1TATIS REGLE HAUNIENSIS RECTOR ADAMUS OEHLENSCHLAEGER, PHIL. D., aESTHETICBS PROF. ORC., ORDHVIS DANEBHOGICI it SUECICI STELLA POLARIS EQUES, CUM SENATU ACADEMICO. e£ ^¦&«+$*/?&*<& -» as ma7 HAUNI.E MDCCCXXXII. Liest 10. NIC. MADVIGIT, Prof. Lit. Lat. Ext., disputatili dc aliquot lacunis codicnm Lucretii. Typi» Dircctoris Jam* Itostmp Schuitxii, Aul» «t Untvenitatja Typographi. Madvigs «Disputatio de aliquot lacunis codicum Lucretii» von i8ß2 mit Widmung an Orelli (ZBZ: Orelli Cßyo(ya)). infolge einer Unterleibsentzündung starb, maß, auf einem Gestelle beisammen8» stan- Weihte er seinem Andenken «ein ernstes den, doch wurden die
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