Uferverbauung und Unfälle an der Innbrücke in Volders (16. - 19. Jh.) Uferverbauung und Unfälle an der Innbrücke in Volders (16. - 19. Jh.) Archäologische, dendrochronologische und dokumentarische Notizen Harald Stadler, Karl Wurzer und Kurt Nicolussi Der Inn ist ein Gebirgsfluss mit einer Gesamtlänge von möglich war, vertrat Peter W. HAIDER2 mit guter Begrün- über 500 km von der Quelle bis zur Einmündung in dung Ende der 90er Jahre die Auffassung, dass der Fluss die Donau, der mehr als 300 km durch Tirol fließt. Er schon in der römischen Kaiserzeit als Wasserweg zum wird hauptsächlich von den Zuläufen der Sanna, der Transport von Truppen und Gütern3 genutzt worden ist. Ötztaler Ache, der Sill, dem Ziller, der Brandenburger Folgt man den Aufzeichnungen bayerischer Klöster4, Ache und der Brixentaler Ache gespeist. Wegen der wurde der Hauptfluss Tirols ab dem 13. Jahrhundert schwankenden Pegelstände – im Frühjahr führt der Inn von Hall aus zum Transport von Wein und anderen wenig Wasser, seinen höchsten Wasserstand erreicht er Erzeugnissen mit Zillen, Plätten und Flößen genutzt. im Hochsommer – konnten Waren und Personen nur in Auch später diente der Inn als Handelsweg und als ein den Monaten März bis Mai sowie August bis November wesentlicher Zubringer für die Donau (vgl. den Beitrag befördert werden (siehe dazu auch die Beiträge von KREIBIG in diesem Band). Die immer bedeutender wer- Manfred KREIBIG, Florian MESSNER, Romedio SCHMITZ - ESSER dende Flussschifffahrt führte zu teilweise massiven und Alexander ZANESCO in diesem Band). Veränderungen im Innverlauf. Um den Hauptlauf des Flusses zu sichern, wurden die angrenzenden Höfe und Während der Dojen der Innschifffahrtsforschung, Fritz Gemeinden verpflichtet, das Ufer durch „Verarchen“ 5 zu PLASELLER1, in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts noch festigen. Solche Verarchungen sind unter anderem auch annahm, dass eine Schifffahrt auf dem Inn in Tirol nur in auf Bildquellen des 16. Jahrhunderts, etwa im Schwazer seinem Unterlauf im ersten Jahrhundert nach Christus Bergbuch, zu sehen (Abb. 1 u. 8). Abb. 1 Verarchungen des Innufers bei Schwaz 1556. Ausschnitt aus der Bildkarte „Alte Zeche“ des Kodex Dip. 856. (Quelle: Bartels / Bingener / Slotta 2006, 929). 2 Haider 1990, 5-24. 3 Für eine römische Schifffahrt spricht auch die in Innnähe gelegene römische Ziegelei in Angath vgl. Stadler / Spindler 2005, 463ff. 4 Stolz 1932, 81 m. Anm. 4. 5 Zur Etymologie des Wortes vgl. Schöpf 1985, 17 - 18; sowie: Schatz 1955, 28. Uferschutzbau, verarchen = Archen errichten, zu „Archen- 1 Plaseller 1938, 62 - 159. stecken“ vgl. Zanesco 2007, 246. 111 Harald Stadler, Karl Wurzer und Kurt Nicolussi Uferverbauung Die beiden analysierten Piloten wurden am ehemaligen oberen Ende wohl in einem Fließgewässer aberodiert und die erhaltenen Reste schließen dort jetzt unregel- Archäologische Zeugnisse einer solchen Verarchung in mäßig geformt ab, das untere Ende blieb hingegen Volders verdanken wir der Aufmerksamkeit eines Tisch- gut erhalten. Beide Piloten wurden am unteren Ende lermeisters (Abb. 2). Bei Aushubarbeiten im Jahre 1971 in Form eines vierseitigen, teilweise leicht schiefen für den Neubau der Werkstatt des Engelbert Erler, (geb. Pyramidenstumpfes zugearbeitet. Die jeweiligen 1930 auf der Grundstücksnummer 220 / 2)6 in Volders unteren Abschlussflächen sind leicht rechteckig und sind in einer Tiefe von 3,50 m unter dem natürlichen weisen mit Seitenlängen von 7,5 / 7 x 6,5 cm (Pilot Gelände eine Anzahl an Rammpfählen7 mit Eisenschu- 1) und 8 / 7,5 x 6,5 / 6 cm (Pilot 3) nahezu die gleiche hen freigelegt worden. Die Pfähle waren etwa mittig Größe auf. Zur Herstellung wurden jeweils Lärchen- in der Baugrube, ab der nördlichen Aushubwand bis bäume (Larix decidua Mill.) verwendet und an den ca. zur Hälfte des geplanten Kellergeschosses, in einem Pilotenresten konnten Jahrringserien mit 134 (Pilot 1) Abstand von 2,0 - 2,5 m angeordnet. Das Ende bildeten und 74 (Pilot 3) Werten erarbeitet werden (Abb. 3c). zwei rechts und links aus der Reihe versetzte Holzsteher. Aufgrund der Bearbeitung sowie der Verwitterung Aus der Erinnerung wurde auch die ursprüngliche Lage blieb jedoch an keinem der beiden Reststücke Splint- der Rammpfähle ungefähr ermittelt (Abb. 3a, b). Von den holz, beziehungsweise die Waldkante erhalten. ursprünglich acht geborgenen Exemplaren haben sich Die letzten Jahrringe der Serien datieren 1429 (Pilot 1) bis 2005 noch fünf erhalten. Von diesen wurden zwei und 1370 (Pilot 3). Die Ergebnisse stellen jeweils einen dokumentiert (Abb. 4 - 5), um die Form und Schmiede- terminus post quem für die Schlägerung der beiden technik des Pfahlschuhes und der verwendeten Nägel Lärchen dar. Geht man von einer zeitgleichen Holzge- besser beurteilen zu können. Außerdem wurde das winnung aus und berücksichtigt zumindest 30 Jahrrin- Institut für Geografie (Labor Dendrochronologie) gebe- ge für das fehlende Splintholz an der Probe Pilot 1 so ten, für die zwei Rammpfahlreste entsprechende Daten ist eine Baumschlägerung und in weiterer Folge Verbau- zu erheben. ung ab ca. 1460 möglich. Abb. 3a: Skizze Lage der Piloten auf dem Grundstück von Engelbert Erler. (Dokumentation: A. Blaickner, Institut für Archäologien, Innsbruck). Abb. 2: Engelbert Erler, Volders vor den Pilotenresten auf seinem Grundstück. (Foto: H. Stadler, Volders). 6 Bei der Besprechung im Herbst 2005 hat Herr Engelbert Erler fünf Stück der entdeckten Rammpfahlreste dem Institut für Archäologien der Universität Innsbruck zur wissenschaftlichen Untersuchung über- geben. Herrn Erler wird an dieser Stelle für die Informationen zur Be- fundung und für die Überlassung der Gegenstände für eine weitere wissenschaftliche Bearbeitung herzlich gedankt. 7 Klotz u. a. 2000, 109ff. 112 Uferverbauung und Unfälle an der Innbrücke in Volders (16. - 19. Jh.) Abb. 3b: Lage der Piloten aus dem 15. Jh. n. Chr. auf einer Flugaufnahme von 1953. (Quelle: Bundesvermessungsamt). Abb. 3c: Jahrringserien der beiden untersuchten Piloten. (Grafik: K. Nicolussi, Institut für Geographie). 113 Harald Stadler, Karl Wurzer und Kurt Nicolussi Abb. 4: Pilot 1 mit Schuh und Nägeln aus Eisen. (Dokumentation: A. Blaickner, Institut für Archäologien, Innsbruck). 114 Uferverbauung und Unfälle an der Innbrücke in Volders (16. - 19. Jh.) Abb. 5: Pilot 3 mit Schuh und Nägeln aus Eisen. (Dokumentation: A. Blaickner, Institut für Archäologien, Innsbruck). 115 Harald Stadler, Karl Wurzer und Kurt Nicolussi Abb. 6: Lage der Piloten aus dem 15. Jh. auf einer Flussbaukarte von 1820. (Quelle: Moser 2002, 165). Abb. 7: Schiffe am Inn bei Volders 1556. (Quelle: Bartels / Bingener / Slotta 2006, 932). 116 Uferverbauung und Unfälle an der Innbrücke in Volders (16. - 19. Jh.) Es wird angenommen, dass es sich bei den oben beschriebenen Resten um Teile der Uferverbauung des Inns im 15. Jahrhundert handelt, auch wenn zu berücksichtigen ist, dass an der Fundstelle auch der Volderer Bach von Nord nach Süd in den Inn entwässert (Abb. 6). In einem Ausschnitt des Schwazer Bergbuches von 1556 kann man im Bereich von Volders keine Ufer- verbauung ausmachen, wohl aber erkennt man zwei größere Schiffe und ein Beiboot (Abb. 7). Ob es in Volders auch eine Anlegestelle aus Holz für die Innschiffe gegeben hat, wie wir sie aus dem 16. Jahr- hundert unter anderem in Schwaz (Abb. 8) kennen, ist noch offen.S TOLZ8 berichtet von Fähren und Urvar als Vorläufer der Brücke, wobei für das benachbarte Mils Abb. 9: Holzfähre aus der Zeit von 1913 zwischen sogar schon für das Jahr 1135 eine solche erwähnt wird. Flaurling und Pettnau. (Foto: A. Witting, Pfaffenhofen) Wie diese Fähren damals im Detail ausgesehen haben, ist uns unbekannt. Dass man aber in Tirol noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts mit Fähren aus Holz den Folgt man den erhaltenen Bildquellen, dann hat man Inn überquert hat, beweist ein Foto9 von 1913 (Abb. 9), Schiffsverbände11 bei Fahrten innaufwärts mit bis zu das eine solche Überfahrt von Pettnau nach Flaurling im 20 Pferden und mehr gezogen, wobei wir auch hier Oberinntal zeigt. wieder auf das Schwazer Bergbuch12 erfolgreich als bild- liches Dokument zurückgreifen können (Abb. 10). Um den Tieren einen sicheren Tritt entlang des Flusses zu ermöglichen, wurden entlang der Ufer sogenannte Trei- delwege angelegt, die, soweit sie nicht durch spätere Verbauungen beeinträchtigt wurden, auch eine be- sonders erfolgsträchtige Funderwartungszone für die Zukunft bilden. Eine Fahrt mit dem Schiff von Hall bis Kufstein dauerte im 19. Jahrhundert fünf Stunden. Für dieselbe Strecke innaufwärts wurden bis zu fünf Tage benötigt. Neben Handelswaren – insbesondere für die Bergbaugebiete13 wie Schwaz – sind auch Zivilpersonen befördert worden, unter anderem im Rahmen von Wall- fahrten (vergleiche auch den Beitrag von Manfred KREIBIG in diesem Band). Abb. 8: Verladestelle aus Holz am Innufer bei Schwaz 1556. Ausschnitt aus der Bildkarte „Alte Zeche“ des Insbesondere für das Militär war der Fluss ein bedeu- Kodex Dip. 856 (Quelle: Bartels / Bingener / Slotta tender, sicherer und rascher Nachschubweg. So wurden 2006, 929). 1532 in Hall etwa 20.000 Italiener und Spanier auf 45 Schiffe14 verladen und nach Wien befördert, um das Heer Kaiser Karls V. im Kampf gegen die Türken zu verstärken. Doch wieder zurück nach Volders. Nur zu gerne wüssten wir, wo sich genau die Uferlinie des Inns in römischer Zeit befunden hat. Archäologische Zeugnisse sprechen dafür, dass sie nördlich unterhalb der west - ost führen- den Flussterrasse, auf der sich das frühmittelalterliche Gräberfeld10 befand, geführt haben könnte. 11 Zu den verschiedenen
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