Aufsatz | Körner - Ausschluss von Ausgleichsleistungen stellen ergangener Entscheidungen nicht in einem Umfang, 2. Die Ausgestaltung des Kostenrechts baut auf der Ausge- welcher über die anerkannten Folgen einer (offenen oder staltung des Verfahrensrechts auf, weshalb die Auslegung verdeckten) Teilklage hinausgeht. des Kostenrechts das Primat des Verfahrensrechts zu beach- ten hat. Als (vermeintlich) unangemessen empfundene Kos- tenfolgen rechtfertigen dagegen keine bestimmte Auslegung IV. Ergebnisse des Verfahrensrechts. 3. Sog. uneigentliche Hilfsanträge sind bei der Bemessung des 1. Sog. uneigentliche Hilfsanträge sind ohne Rücksicht auf Gebührenstreitwerts unabhängig davon zu berücksichtigen, das Vorliegen eines besonderen Klägerinteresses zulässig. ob über sie entschieden wird. Dies ergibt sich aus § 39 GKG. Abweichendes gilt auch für eine entsprechende Verbindung § 45 GKG trifft hierzu keine Aussage. Damit entfällt ein we- von denselben Anspruch betreffenden Teilklagen nicht. Eine sentlicher Anreiz, sog uneigentliche Hilfsanträge zu stellen. solche ist auch nicht in sich widersprüchlich. Ausschluss von Ausgleichsleistungen – Aktuelle Rechtsprechung zum Unwürdigkeitstatbestand des § 1 Abs. 4 AusgLeistG Regierungsdirektorin Gabriele Körner, Berlin* Das Ende vergangenen Jahres verkündete, inzwischen Handeln der Unternehmensleitung selbst sondern auch das rechtskräftige Urteil des VG Dresden und das bereits 2016 Handeln der Personen im Unternehmen, die befugt und da- verkündete Urteil des VG Gera, das mit der Ablehnung der mit verantwortlich gewesen sind, für das Unternehmen zu Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss des Bundesver- waltungsgerichts vom 9. Oktober 20171 rechtskräftig wur- de, befassen sich mit dem Ausschlusstatbestand des § 1 Abs. 4 AusglLeistG. Nach dieser Vorschrift werden Aus- gleichsleistungen nicht gewährt, wenn der Berechtigte oder derjenige, von dem er seine Rechte ableitet, oder das enteig- * Die Autorin ist Referatsleiterin im Bundesamt für zentrale Dienste nete Unternehmen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und offene Vermögensfragen (BADV), Berlin. Der Beitrag gibt aus- oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen, in schwerwiegendem schließlich die persönliche Auffassung der Autorin wieder und ist ins- besondere keine Stellungnahme des BADV. Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil 1 BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2017 – 8 B 1/17, NJ 2018, 300. anderer missbraucht oder dem nationalsozialistischen oder 2 Vgl. BT-Drs. 12/4887 vom 10. Juni 1993, S. 37. Das Gesetz über staatliche kommunistischen System in der sowjetisch besetzten Zone Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder in der Deutschen Demokratischen Republik erhebli- oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig ge- chen Vorschub geleistet hat. Nach der Begründung des Ge- macht werden können – Ausgleichsleistungsgesetz (AusglLeistG) trat als Artikel 2 des Enschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes – setzgebers soll die Vorschrift verhindern, dass diejenigen, die EALG – vom 27. September 1994 (BGBl. I 2624, 2628; Neufassung durch die Hauptverantwortung für die jetzt zu revidierenden Un- Bekanntmachung vom 13. Juli 2004, BGBl. I, 1665) am 1. Dezember 1994 rechtsmaßnahmen tragen, das Ausgleichsleistungsgesetz zu in Kraft. § 1 Abs. 4 AusglLeistG vergleichbare Ausschlussklauseln finden ihren Gunsten in Anspruch nehmen.2 sich bspw. im Gesetz zu Art. 131 GG (§ 3 Nr. 3 a G 131, BGBl. I 1957, 1297), Nach § 1 Abs. 1 S. 1 AusglLeistG erhalten eine Ausgleichs- Lastenausgleichsgesetz (§ 359 LAG idF v. 2. Juni 1993, BGBl. I, 845), Re- parationsschädengesetz (§ 16 RepG, BGBl. I 1969, 105), Bundesvertrie- leistung nur natürliche Personen, die Vermögenswerte im benengesetz (§ 5 BVFG, BGBl. I 1953, 201), Häftlingshilfegesetz (§ 2 HHG, Sinne des § 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung offener Ver- BGBl. I 1993, 838) sowie im SED-Unrechtsbereinigungsgesetz (§ 2 mögensfragen (Vermögensgesetz – VermG) durch entschädi- Abs. 2 des 2. SED-UnBerG, BGBl. I 1994, 1311) und dem Gesetz über Ent- gungslose Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder be- schädigungen für Opfer des Nationalsozialismus im Beitrittsgebiet satzungshoheitlicher Grundlage im Beitrittsgebiet verloren (§ 5 NSOEBGG, BGBl. I 1992, 906). Dass die Rechtsprechung zu diesen Ausschlussklauseln auch zur Auslegung des § 1 Abs. 4 AusglLeistG her- haben, oder ihre Erben oder Erbeserben; bei der Enteignung angezogen werden kann, hat das BVerwG in seiner Grundsatzentschei- von Vermögen einer Gesellschaft oder einer Genossenschaft dung vom 17. März 2005 – BVerwG 3 C 20/04 – zur 3. Alternative des der einzelne Anteilsinhaber, wenn der Eingriff auf besat- § 1 Abs. 4 AusglLeistG bestätigt. Aus der Gesetzesbegründung ergibt zungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage zu sich dem BVerwG zufolge jedoch keine Beschränkung auf die in Nürn- einer Minderung seines Anteils geführt hat (§ 1 Abs. 2 S. 1 berg verurteilten Kriegsverbrecher. 3 Vgl. Löffler, in: Motsch/Rodenbach/Löffler/Schäfer/Zilch, Kommentar AusglLeistG). Dies liegt darin begründet, dass die Regelun- zum EALG, Grundwerk, Herne/Berlin 1995, § 1 AusglLeistG, Rn. 28. Nach gen des Ausgleichsleistungsgesetzes nicht vom Gebot des Ei- BVerfG, Urteil vom 22. November 2000 – 1 BvR 2307/94 ua, mit dem ver- gentumsschutzes sondern vom Sozial- und Rechtsstaatsprin- schiedene Beschwerden gegen das EALG zurückgewiesen wurden, ver- zip bestimmt werden.3 stoßen diese Regelungen nicht gegen das Grundgesetz (vgl. VIZ 1/2001, Bei unternehmensbezogenen Ansprüchen ist das „Verhalten“ S. 16 ff., 24). Zur „Erstreckung“ des von einer Personengesellschaft ge- stellten vermögensrechtlichen Antrags auf die nach dem Ausgleichs- des Unternehmens zu prüfen. Zurechenbar ist dem BVerwG leistungsgesetz materiell Anspruchsberechtigten, vgl. BVerwG, Urteil zufolge dem Unternehmen dabei nicht nur ein unmittelbares vom 14. Februar 2008 – BVerwG 5 C 16/07; juris. 314 NJ 8/2018 Ausschluss von Ausgleichsleistungen - Körner | Aufsatz handeln.4 Ein im Unternehmen verwirklichter Ausschlusstat- „an sich“18 noch nicht erfüllt, weil deren Einsatz während bestand kann dabei auch Ansprüche auf Ausgleichsleistung des zweiten Weltkrieges eine erhebliche Bandbreite heteroge- wegen der Enteignung von Privatvermögen erfassen.5 ner Fälle erfasse.19 So lägen etwa zwischen den Lebens- und Arbeitsbedingungen eines französischen Zivilarbeiters und denen eines sog Ostarbeiters Welten.20 Bereits in den damals I. Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit für die polnischen Zwangsarbeiter sowie die sog Ostarbeiter geltenden rechtlichen Regelungen war eine Ungleichbehand- Das Urteil des VG Dresden vom 6. Dezember 20176 betraf lung und bewusste Diskriminierung und Schlechtbehandlung den Streit um die Gewährung von Ausgleichsleistungen we- gegenüber anderen Personengruppen vorgesehen. Die Unter- gen der besatzungshoheitlichen Enteignung eines Steinbruch- nehmen hätten jedoch bei der Behandlung der bei ihnen ein- und Steinverarbeitungsunternehmens. Das betreffende Un- ternehmen hatte nach den tatsächlichen Feststellungen wäh- rend der NS-Zeit u. a. polnische Zwangsarbeiter beschäftigt 4 Vgl. bspw. die Entscheidungen des BVerwG 5 C 5.06 vom 3. Mai 2007 = NJW 2008, 95-96 = juris zu Meldungen von Zwangsarbeitern an die und drei sog Polenlager sowie zwei Kriegsgefangenen- und Gestapo wegen „Arbeitsverweigerung“ durch das Unternehmen oder zwei Gefangenenlager betrieben. Der Ausschlusstatbestand das Urteil vom 23. April 2015 – BVerwG 5 C 10.14 = ZOV 2015, 206 = juris des Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder zur Förderung der nationalsozialistischen Politik durch Leitartikel Rechtsstaatlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 4 Alt. 1 Ausgl- einer von einem Unternehmen herausgegebenen Tageszeitung. LeistG war nach Auffassung der entscheidenden Behörde er- 5 So die Urteile vom 28. Februar 2007, BVerwG 3 C 38.05 und BVerwG 3 C 13.06 = juris Rn. 17 bzw. 24. füllt, da die umfangreichen Ermittlungen nicht ergeben hät- 6 Bisher unveröffentlicht. ten, dass das Unternehmen bei der Beschäftigung der polni- 7 Vgl. nur Polizeiverordnung des Reichsminister des Innern über die schen Zwangsarbeiter die sich aus den sog Polenerlassen7 er- Kenntlichmachung im Reich eingesetzter Zivilarbeiter und –arbeite- gebenden Spielräume genutzt habe. Vielmehr sei mit den Ar- rinnen polnischen Volkstums vom 8. März 1940 (RGBl. I 1940, S. 555-556); Zusammenfassung aller Bestimmungen in: Runderlass beitern in der in diesen Erlassen angelegten menschenunwür- des RFSS u. Chef der Deutschen Polizei im RMdI vom 19.9.1943, „Be- digen Art und Weise umgegangen und diese sogar zu deren handlung der im Reichsgebiet befindlichen Arbeitskräfte polnischen Nachteil überschritten worden. Die Beklagte stützte sich da- Volkstums“, abgedruckt in: Der Chef der Sicherheitspolizei und des bei v. a. auf die vom Internationalen Suchdienst (ITS)8 über- SD, Allgemeine Erlaß-Sammlung, Teil 2 (1944); Hans Küppers/Rudolf sandten Lohnkarten aus dem Jahr 1942, die Wochenarbeits- Bannier, Arbeitsrecht der Polen im Deutschen Reich, Berlin ua, 1942. 8 Der Internationale Suchdienst / International Tracing Service wurde zeiten von zum Teil mehr als 70 Stunden unter schwersten nach dem 2. Weltkrieg in Bad Arolsen zur Suche nach Überlebenden Bedingungen belegten. Dem schloss sich das VG an. der NS-Verfolgung eingerichtet. Dort befinden sich ua firmen- und Zur Bestimmung der Grundsätze der Menschlichkeit oder personenbezogene Unterlagen zu Zwangsarbeit, siehe: www.its- Rechtsstaatlichkeit folgt das VG dem
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