Horst TIWALD Von Pflugbogen, Schlangenschwung und "Schuß-bums-Technik Beiträge zur Geschichte des Alpinen Skilaufs Inhalt Zu diesem Buch 3 Mathias Zdarsky und der Alpine Skilauf 5 Von den Geschichten zur Geschichte des 33 Alpinen Skilaufs Ein bio-mechanischer Beitrag aus der Sicht der Theorie der Leistungs-Felder Nordischer Skilauf - Alpiner Skilauf. 55 Der Alpine Skilauf das "Achte Weltwunder" 76 Mathias Zdarskys revolutionäre Idee: das sturzfreie Skilaufen Die Fahrweise von Mathias Zdarsky und die 102 Arlbergtechnik von Hannes Schneider Mathias Zdarsky und Fridtjof Nansen 148 Mathias Zdarsky und Wilhelm Rickmer Rickmers 165 Mathias Zdarsky über die Wissenschaftler, 181 die Frau und die Presse 2 Zu diesem Buch 1 Es enthält eine Sammlung selbständiger Beiträge, die anläßlich des Jubiläums "100 Jahre Alpiner Skilauf" geschrieben wurden. Sie legen eine Fülle von Zitaten vor, ohne die die "unglaubli- che Geschichte" schlicht unglaubwürdig erschiene. Enthusiasmus, Pioniergeist und technische Innovation, aber auch blinder Eifer, Machtstreben und Unwahrheiten bis hin zu Ge- schichtsfälschungen sind Facetten der Geschichte des "Alpinen Skilaufs". Im Mittelpunkt steht dabei ein Mann, dessen Ideen bis heute Anfeindungen ausgesetzt sind: Mathias Zdarsky, der Begründer des "Alpinen Skilaufs." So unglaublich dieser Querschnitt durch die Geschichte auch er- scheint - er wurde geschrieben, weil es höchste Zeit ist, mit Halbwahrheiten und Lügen Schluß zu machen. Wir müssen die Ver- gangenheit bewältigen, denn es geht heute um die Zukunft des "Alpinen Skilaufs". "Man soll sachlich sein.", schrieb Wilhelm Rickmer Rickmers, 2 "Aber wenn eine Sache das Leben verschönt, dann ist man auch für sie begeistert. Edle Begeisterung ver- führt uns leicht zu Kämpfen, die sachlich überflüs- sig waren, wie wir später einsehen. Die Zeit verwandelt das Lohen der Brandfackel zum milden Glanze der Erinnerung. Das Sachliche hat ge- siegt. Aber wenn wir auch das Verneinende und Ver- nichtende alter Kämpfe vergessen, so dürfen wir 1 (Tiwald 2011): Anmerkung zum Buchtitel. Den Begriff „Schuss-bums-Technik“ in den Buchtitel aufzunehmen, das war eine Idee des Verlages. Die Bezeichnung „Schuss-bums-Technik“ ist aber keineswegs eine böswillige Erfindung von mir. Sie findet sich bereits z.B. in einem Beitrag aus dem Jahre 1939, den sogar der „Schwarzwälder“ OTTO ROEGNER verfasst hat. Dort heißt es: „Ich gestehe, dass auch ich – selbst eine Zeitlang auf Anregung RICKMERS hin Lilienfelder Ski probierend – doch stolz darauf war, später bei vergleichsweisen Fahrten am Arlberg, an der Valuga, am Schindler, am Tritt- kopf, den begleitenden Kameraden mit ihrer Lilienfeldweise glatt davonfahren zu können . „Schuss Bum“ wie’s damals üblich war, ohne die sichere, aber zeitraubende, abgezirkelte Fahrmethode der Alpenskimänner“ . In: „Ski-Club Freiburg i. Br. – Mitteilungen des Kreisfachwartes im Reichsbund für Leibesübungen. Kreis VIII und IX. Fachamt Skilauf“, Heft 4, 1. Jannuar, Jahrgang 1938/39. Seite 3. Zum kostenlosen Downloaden aus dem Internet: www.mathias-zdarsky.de , im „Zdarsky-Archiv“ unter den Do- wanloads. 2 Wilhelm Rickmer Rickmers. Der Newton der Skigesetze. In: Friedl Wolfgang. Mathias Zdarsky. Der Mann und sein Werk. Beitrag zur Geschichte des alpinen Schifahrens von den Anfängen bis zur Jetztzeit. Lilienfeld 1987 3 doch nicht die alten Kämpfe vergessen, denn das Ge- wordene war ihr Werk." Den ewiggestrigen Gegnern Zdarskys sei als Erinnerung ins Stammbuch geschrieben:_ "Recht geschähe den erwachsenen Ephesiern, so sie sich insgesamt aufhängten und die Stadtverwaltung den Unerwachsenen hinterließen, sie, die den Hermo- dor, den Fähigsten unter ihnen, hinausgejagdt haben mit den Worten: 'Von uns soll keiner der Fähigste sein oder, wenn schon, dann anderswo und bei ande- ren Leuten.'." So fluchte ein Zeitgenosse Buddhas. Es war Heraklit, der in der 69. Olympiade im Mannesalter stand. 4 Mathias Zdarsky und der Alpine Skilauf Der erste Alpine Torlauf Der Österreicher Mathias Zdarsky wird als der Begründer des al- pinen Skilaufs und der Norweger Fridtjof Nansen als der des Skisports überhaupt geehrt. Beide setzten ihre Taten Ende des 19. Jahrhunderts. Also vor ungefähr 100 Jahren. Fridtjof Nansen zuerst durch seine Überquerung Grönlands auf Skiern und, von ihm fasziniert, dann Mathias Zdarsky durch die Entwicklung sei- ner "Lilienfelder Skilauf-Technik". Das Skilaufen selbst reicht aber in eine lange Vorzeit zurück. Moorfunde und Felszeichnungen weisen in eine Urzeit um 2500 v. Chr. zurück. 3 Bereits vor Fridtjof Nansens Grönlanddurchquerung wurde das nordische Skilaufen insbesondere durch auswandernde Norweger in alle Welt verbreitet. Diese haben zum Beispiel in den USA die telemärkische Tradition des Bauernskilaufes fortgesetzt. Sie veranstalteten ab dem Jahre 1863 Geld-Wettfahrten, bei de- nen sie bereits, so wird berichtet, Geschwindigkeiten bis 140 Studenkilometer erreichten. Diese als Geschwindigkeitsren- nen durchgeführten Slalom-Wettbewerbe 4 waren aber, wie das nor- dische Wort im ursprünglichen Sinne ausdrückt, nicht schlangen- linienartige Bogen-fahrten, sondern Geradeaus-Schußfahrten, ähnlich dem Anlauf beim heutigen Skispringen. Zur weltweiten Massenerscheinung Sport wurde das Skilaufen aber erst durch Nansens Tat und durch seine Publikation über sie. 3 Erwin Mehl. Ein neues Bild der „Weltgeschichte“ des Schifahrens. In. Jahrbuch des Österreichischen und Deut- schen Alpenvereins. München und Innsbruck 1957 4 Erwin Mehl. Woher stammt der Torlauf (Slalom) ?. In: Zdarsky-Blätter. Folge 29. Lilienfeld 1984 und in: Ös- terreichische Alpenzeitung. Heft 1141. Wien 1934 5 Deswegen kann man mit gutem Grunde Fridtjof Nansen als den "Va- ter des Skisports" ansehen, wenn man den Sportbegriff nicht auf seinen Aspekt des Wettbewerbs verkürzt. Das Verdienst, den alpinen Skirennsport heutiger Prägung be- gründet zu haben, kommt den in der Schweiz wirkenden englischen Alpinisten zu. Der Engländer Arnold Lunn organisierte im Jahr 1922 in Mürren in der Schweiz den ersten alpinen Wettkampf nach englischem Sportgeist. Dieser Geist prägt bis heute unseren Profisport, der sich immer mehr zum Werbeträger kommerzieller Interessen entwickelt. Dieser Wettkampf in Mürren war aber nicht der erste alpine Wettbewerb! Bereits im Jahre 1901 veranstalte Mathias Zdarsky mit dem von ihm im Jahre 1900 in Wien gegründeten "Alpen-Skiverein" das erste alpine Wettfahren auf dem Sonnwendstein am Semmering. Die Tore markierte Zdarsky damals mit roten Kartons. Der "Alpen- Skiverein" war vor dem Ersten Weltkrieg mit 1889 Mitgliedern (im Jahr 1914 ) der größte Skiverein Mitteleuropas. Im Jahre 1905 steckte Mathias Zdarsky dann den ersten Torlauf für eine öffentliche Skiwettfahrt am Muckenkogel in Lilienfeld. In die- sem ersten öffentlichen Torlauf der Geschichte des Alpinen Ski- laufs, der ebenfalls in Niederösterreich ausgetragen wurde, wa- ren 85 Tore gesteckt. In den kommenden Jahren folgten weitere Skiwettfahrten. Durchgeführt wurden diese Bewerbe mit einem gesundheitsorien- tierten Sportverständnis, für das Mathias Zdarsky ganz ent- schieden eintrat. Dieses stand im krassen Gegensatz zu jenem Sportverständnis, mit dem 20 Jahre später die Wettfahrt in Mür- ren durchgeführt wurde. Mathias Zdarsky kritisierte immer wieder jenes für uns heute selbstverständlich gewordene Sportverständnis, das nicht unwe- sentlich von Wett-Leidenschaft, Rekord-Sucht und dem Bedürfnis sich zur Schau zu stellen, geprägt ist. Zu dieser Entwicklung im modernen Alpinen Skisport hat Mathias Zdarsky sicher nichts beigetragen. Den ersten alpinen Torlauf hat allerdings er, und nicht jemand anderer durchgeführt. Das "Was" des Alpinen Ski- rennsportes hat ohne Zweifel Mathias Zdarsky begründet. Das 6 "Wie" der heutigen Einstellung, diese Sportart zu betreiben, hat er nicht zu verantworten. Genauso, wie das "Was" des Gerä- teturnens älter ist, als dessen heutige professionelle Be- triebsform, so ist es auch im Alpinen Skirennsport. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß zumindest im Breitensport die humane Sporteinstellung Mathias Zdarskys wiederkehrt. Zu wünschen wäre es. Im Grunde geht es mir aber nicht um die Frage, wer der "Vater" von irgend etwas gewesen sein könnte. Ich achte Fridtjof Nansen und Mathias Zdarsky nicht deshalb, weil sie etwas als erste gemacht haben, sondern weil sie mir als sachkompetente Persön- lichkeiten in vielen Bereichen voraus sind und ich durch acht- sames Hinhören auf sie viel lernen und mir auch heute noch Um- wege ersparen kann. Sie haben für mich besondere Bedeutung, weil sie eben auch heute noch aktuell und zukunftweisend sind. Dies trifft aber nicht nur auf die als "Väter" gefeierten Per- sönlichkeiten zu, sondern auch auf Fachleute, die ihnen folg- ten. Für mich zum Beispiel auf Hannes Schneider, Toni Seelos, Max Winkler, Fritz Reuel, Josef Dahinden, Fritz Hoschek und Georges Joubert, die - trotz ihrer oft einseitigen Auffassun- gen - mir viel gegeben haben. Darüber hinaus gibt es einige, die ich weniger gut kenne, wie Giovanni Testa und Toni Ducia. Geprägt haben mich natürlich auch Bilder aus dem alpinen Renn- sport. Sehr deutlich die von Hellmut Lantschner, und in meiner Jugend waren es die Österreicher Toni Sailer, Ernst Hinterseer und Toni Spieß sowie der akrobatische Norweger Stein Eriksen, um nur einige wenige zu nennen, die mich fasziniert haben. Über Mathias Zdarsky schreibe ich daher nicht, um ihn als Vater von irgend etwas freizuschaufeln, sondern weil über ihn heute noch falsch berichtet wird. Und ich tue es aber vorallem deswe- gen, weil ich davon überzeugt bin, daß man von
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