SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Musikstunde Nicht immer gleich ein Liebestraum – Liszt und die Frauen (5) Von Nele Freudenberger Sendung: Freitag, 09. September 2016 9.05 – 10.00 Uhr Redaktion: Ulla Zierau Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Musik sind beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden für € 12,50 erhältlich. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert.Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2 2 „Musikstunde“ mit Nele Freudenberger Nicht immer gleich ein Liebestraum – Liszt und die Frauen (5) SWR 2, 05. September – 09. September 2016, 9h05 – 10h00 Mit Nele Freudenberger, schönen guten Morgen! Ein letztes Mal geht es heute um Liszt und die Frauen – und natürlich gab es in seinem Umfeld eine ganze Reihe wichtiger Musikerinnen. Heute wollen wir Ihnen exemplarisch zwei davon vorstellen. Sophie Menter und Rosalie Spohr. Beide wurden übrigens als weiblicher Liszt gefeiert! Titelmusik Als „sein einziges legitimes Klavierkind“ hat Liszt Sophie Menter bezeichnet. Dabei hat sie nicht einmal bei ihm studiert, sondern bei seinem Schüler Carl Tausig. Sophie Menter wurde in einem Musikerhaushalt geboren: der Vater Cellist, die Mutter Sängerin, den ersten Klavierunterricht bekam sie von einer ihrer Schwestern. Als Sophie deren Klavierpädagogischen Fähigkeiten entwachsen war, kam sie zu einem damals sehr bekannten Klavierlehrer: Siegmund Lebert. Die weitere Ausbildung erhielt sie bei Leonhard, Klavier und Rheinberger, Tonsatz, später dann wurde Niest ihr Klavierlehrer, der sie nach Kräften förderte – mit 15 war sie dann soweit und trat ihren Europaweiten Siegeszug als Konzertpianistin an. Sie soll von Kindesbeinen an eine große Bewunderin von Liszt gewesen sein – sie hatte angeblich eine Art Starschnitt von Liszt zu Hause hängen: ein Gemälde von Kriehuber, das Liszt am Klavier darstellt. Und wie es sich für einen Teenie gehört, soll sie das Bildnis regelrecht angeschmachtet haben. Wie dem auch sei. Als sie von einer Freundin erfuhr, dass Liszt in München sei, nahm sie all ihren Mut zusammen und besuchte ihn in seinem Hotel. Eine Begegnung, die für Liszt wahrscheinlich noch nicht so beeindruckend war, denn in seinem Hotelzimmer war kein Flügel und Sophie hatte keine Gelegenheit zu zeigen, was sie konnte. So muss sie auf Liszt gewirkt haben wie ein stammelnder Groupie von vielen. Er soll sie vertröstet haben, dass sie ihm das nächste Mal etwas vorspielen könne. Bis es aber 1869 so weit war, sorgte Sophie Menter in den Konzertsälen für Furore – vor allem mit den Werken Liszts. Sie trat in München mit seinem Es-Dur Konzert auf – der Konzertmeister riet ihr davon ab, das „garstige Konzert“ zu spielen. Liszt, der nahm die Kritik an seinem Konzert lakonisch und pflegte auf die Melodie des ersten Themas zu singen: das versteht ihr alle nicht! Auch das Wiener Publikum hatte kein Interesse an diesem Konzert mit dem Triangel – das war übrigens der eigentliche Skandal: ein Triangel in einem Klavierkonzert! Das geht nun wirklich nicht… 3 Die tapfere Sophie, die auf den Geschmack des Publikums von Anfang an nur wenig Rücksicht nahm, stellte sich auch in Wien bei einem Konzert der „Gesellschaft der Musikfreunde“ mit besagtem Konzert vor. Und sie feierte Triumphe, wurde fortan als „weiblicher Liszt“ gefeiert Musik1 Franz Liszt Erster Satz, Klavierkonzert Nr. 1 Es-Dur, Martha Argerich, Claudio Abbado, London Symphony Orchestra M0383045 W02 004, 5:08 Der erste Satz aus Franz Liszts Skandalumwitterten Klavierkonzert Nr. 1 Es-Dur. Claudio Abbado dirigierte das London Symphony Orchestra, Solistin war Martha Argerich. Zu Liszts Lebzeiten feierte eine andere Pianistin Triumphe mit diesem Konzert: Sophie Menter. Als sie in Wien quasi für einen tobenden Saal gesorgt hatte, war Liszts Neugier auf die Pianistin offenbar geweckt. Er suchte sie auf und lud sie ein, am Abend darauf mit ihm sein Concert pathéthique für zwei Klaviere zu spielen. Sie sagte zu, behielt angeblich für sich, dass sie besagtes Konzert gar nicht kannte. In Windeseile habe sie sich die Noten besorgt und den ganzen Tag das Konzert studiert, bis sie es konnte, so wird erzählt. Ihre Doppelpremiere – das Concert Pathetique und dann noch mit Lizst zu spielen – verlief ausgesprochen erfolgreich, Liszt wollte auch das Es-Dur Konzert von ihr hören. Jetzt kommt der Teil, wo man die Glaubwürdigkeit der Quelle etwas in Frage stellen muss: La Mara schreibt nämlich folgendes „als sie geendet hatte, kniete er vor ihr nieder und küßte ihr alle zehn Finger, einen nach dem andern.“ Das scheint mir dann doch etwas übertrieben, aber nachweislich war das der Beginn einer engen Freundschaft zwischen den beiden. Sophie Menter ist jung, hübsch, erfolgreich, klug, unkonventionell – eine Frage der Zeit, dass die Liebe in ihr Leben tritt. Sie tut es in Gestalt des Cellisten David Popper – Virtuose und Pädagoge, als Cellist kommt man kaum an seinen Etüden vorbei. Sophie Menter lernte ihn bei der Arbeit kennen – sie nahm nämlich eine Anstellung des Fürsten Hohenzollern in Löwenberg als Hofpianistin an. Auch Popper war dort angestellt. Über die Ehe weiß man wenig. Die beiden gingen gemeinsam auf Konzertreisen und sie hatten eine Tochter. Doch die Ehe war auf Dauer nicht glücklich und wurde geschieden. 4 Musik 2 David Popper Requiem für 3 Celli und Orchester op. 66 Maria Kliegel, Caroline Stinson, Johann Ludwig Nicolaus Esterházy Sinfonia; Gerhard Markson M0013373 010, 6‘50 Maria Kliegel, Caroline Stinson und Johann Ludwig wurden von der Nicolaus Esterházy Sinfonia unter Gerhard Markson unterstützt und sie spielten das Requiem für drei Celli und Orchester op 66 von David Popper, dem Ehemann von Sophie Menter. Etwas, was die Starpianistin sicherlich sympathisch machte, war ihre unbedarfte Art. Zwei Episoden, die damals das Potential zum Skandal gehabt haben mussten. Im Berliner Tageblatt vom 11. Juni 1891 erzählt Menter: „Ich spielte in Berlin – ich war ganz jung – und werde zu Hofe befohlen. Ich kannte ja diese Kaiser und Könige nicht – woher sollte ich sie kennen? Ich kannte Tausig und Liszt und Clara Schumann – aber die Könige…. Nun ich spielte und wie ich fertig bin, kommt ein alter Herr auf mich zu und ich denke: der zuerst kommt, ist wohl der Kaiser, und ich tauche unter bis zum Fußboden und sage: „Majestät –„ Aber er fängt nur an zu lachen und geht zu einigen anderen alten Herren, die auch lachen, bis ein anderer von ihnen hin zu mir kommt, und ich denke: ja, so wird DIES wohl der Kaiser sein – und ich tauche nieder mit: „Majestät…“ Da fängt der auch an zu lachen und sagt: „Nein Fräulein, ich bin Prinz Albrecht“, und geht. Zuletzt kommt ein sehr alter General und bietet mir den Arm und fragt, ob er mich zu einem Büffet führen sollte, und als ich ihn am Arm habe, sagt er: „Fräulein, Sie sind gewiß die einzige hier, die den Kaiser nicht kennt.“ So war das die Majestät.“ Es ging ihr auch am zweiten Mal beim Hof nicht besser als sie 10 Jahre später dort war. Sie berichtet: „Ich sitze am Flügel – eine Hitze gab’s – und neben mir sitzt ein junger Mann – Offizier war er, das sind sie ja alle – und ich sage: „Ach, tun Sie mir den Gefallen und öffnen den Flügel“ Und er erhebt sich und tut es und setzt sich wieder – a sehr netter Mensch – und ich spiele Gott weiß was – eine Hitze gab’s – und als es vorbei ist, sage ich zu dem Manne: „Ach, holen Sie mir etwas Eis“ und er holt es, und ich esse. Da sagt der junge Mann: „Gnädige Frau, ich darf mich vielleicht vorstellen. Ich bin Prinz Wilhelm…“ Soviel lässt sich also sagen: in den Fragen des Adels war Sophie Menter wirklich nicht Sattelfest aber Klavierspielen konnte sie – angeblich wie keine zweite. Eines der Stücke, mit denen Sie große Erfolge feierte: die wirklich höllisch schwere Tannhäuserpraraphrase von Franz Liszt. Als sie sie in St. Petersburg gab, soll das Publikum so aus dem Häuschen gewesen sein, dass es Menter noch auf der 5 Straße applaudierte, als sie bereits in der Kutsche saß. Die Polizei war angeblich hoch alarmiert, weil sie einen Aufstand der Nihilisten vermuteten. Hören wir einen Ausschnitt aus dieser spektakulären Tannhäuserparaphrase. Musik3 Franz Liszt: Tannhäuserparaphrase, Ausschnitt Martin Stadtfeld, Klavier M0262303 012, 3‘50 Ein Ausschnitt aus der Tannhäuserparaphrase von Franz Liszt, gespielt von Martin Stadtfeld. Auch wenn Sophie Menter in ganz Europa unterwegs war, hielt sie – solange er lebte – Kontakt mit Liszt. Traf sich so häufig wie Möglich mit ihm, sie spielten regelmäßig vierhändig und wenn ein persönliches Treffen nicht möglich war, schrieben sie sich fleißig Briefe. In den 1880er Jahren konzertierte Menter regelmäßig in St. Petersburg, bekam eine Klavierprofessur am Konservatorium angeboten. Sie lehnte ab. Erst 1884 übernimmt sie eine Klasse – aber auch nicht für lange Zeit. Differenzen mit Anton Rubinstein der Direktor des Konservatoriums wurde, scheinen schuld daran gewesen zu sein. In ihrer Zeit in Russland lernte sie einen Komponisten kennen, zu dem sie ein fast so herzliches Verhältnis verband wie zu Liszt: Peter Tschaikowski.
Details
-
File Typepdf
-
Upload Time-
-
Content LanguagesEnglish
-
Upload UserAnonymous/Not logged-in
-
File Pages9 Page
-
File Size-