Wortlaut der zweiten Fernsehdebatte zur Bürgerschaftswahl in Hamburg am 20. Februar 2011 Jürgen Maier Carolin Jansen Nr. 25/2013 Arbeitspapiere und Dokumentationen des Forschungsschwerpunkts „Kommunikation, Medien und Politik“ ISSN (Online): 2195-6030 Die Arbeitspapiere und Dokumentationen des Forschungsschwerpunkts „Kommunikation, Medien und Politik“ dienen der Darstellung vorläufiger Ergebnisse, die in der Regel noch für spätere Veröffentlichungen überarbeitet werden. Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen – auch bei nur auszugsweiser Verwertung. Herausgeber/Editors Mitglieder des Steering Committees des Forschungsschwerpunkts „Kommunikation, Medien und Politik“: Prof. Dr. Rüdiger Grimm (Fachbereich 4: Informatik) Prof. Dr. Jürgen Maier (Fachbereich 6: Kultur- und Sozialwissenschaften) Prof. Dr. Michaela Maier (Fachbereich 8: Psychologie) Prof. Dr. Ulrich Sarcinelli (Fachbereich 6: Kultur- und Sozialwissenschaften) Prof. Dr. Manfred Schmitt (Fachbereich 8: Psychologie) Wortlaut der zweiten Fernsehdebatte zur Bürgerschaftswahl in Hamburg am 20. Februar 2011 Jürgen Maier Carolin Jansen Nr. 25/2013 Kontaktdaten der Verfasser: Abteilung Politikwissenschaft Institut für Sozialwissenschaften Fachbereich 6: Kultur- und Sozialwissenschaften Universität Koblenz-Landau, Campus Landau Kaufhausgasse 9 76829 Landau E-Mail: [email protected], [email protected] Wortlaut der zweiten Fernsehdebatte zur Bürgerschaftswahl in Hamburg am 20. Februar 2011 Jürgen Maier Carolin Jansen Zur Fernsehdebatte Am 16. Februar 2011 wurde die zweite Fernsehdebatte im Bürgerschaftswahlkampf 2011 zwischen den beiden Ministerpräsidentschaftskandidaten, Amtsinhaber Christoph Ahlhaus (CDU) und Herausforderer Olaf Scholz (SPD), ausgestrahlt. Die rund 60-minütige Diskussi- onssendung begann um 21:00 Uhr und wurde von dem öffentlich-rechtlichen Sender NDR übertragen. Unter Ausschluss von Publikum befragte der Moderator Andreas Cichowicz (NDR) die beiden Kandidaten. Vorbemerkung Der Wortlaut der Debatte wird exakt dokumentiert. Die Aussagen der zwei Kandidaten sowie des Moderators werden in 30-Sekunden-Blöcken eingeteilt. Darüber hinaus werden folgende parasprachliche Besonderheiten der Redebeiträge erfasst:1 (uv) unverständliche Rede ^ parasprachlicher Einschublaut (äh, öh, ömm usw.) - kurze Pause -- längere Pause [ simultanes Sprechen „…“ nachprüfbares wörtliches Zitat ‚…‘ sinngemäßes Zitat 1 Die Erfassung der parasprachlichen Elemente erfolgt unter Anwendung der in Josef Klein (1990): Elefanten- runden „Drei Tage vor der Wahl“: Die ARD-ZDF-Gemeinschaftssendung 1972-1987, Baden-Baden, Teil II: Texte, S. I, entwickelten Systematik. Maier/Jansen: Wortlaut der zweiten Fernsehdebatte zur Bürgerschaftswahl in Hamburg am 20. Februar 2011 Transkript Zeit Ahlhaus Scholz Moderator (Cichowicz) MAZ: Am Sonntag wählen die Hamburger. Ihr Rathaus, Experimentierfeld für wech- selnde Koalitionen. Ole von Beust haben Sie hier ge- liebt, sein Nachfolger Chris- 00:00:00 toph Ahlhaus, ebenfalls CDU, muss um sein Amt kämpfen. Humorvoll und bodenständig ist der Bür- germeister, nicht immer zu- rückhaltend sein Stil. Der Grüne Koalitionspartner lief ihm nach kaum 100 Tagen da- von. Ahlhaus zeigt konser- vativ klare Kante, setzt auf innere Sicherheit und Wirt- schaftskompetenz. Aber bei einer Direktwahl würden nur 21 Prozent der Hamburger 00:00:30 für ihn stimmen, so eine ARD-Umfrage. 55 Prozent würden sich direkt für Olaf Scholz entscheiden. Der Hoffnungsträger der SPD hieß in Berlin einst ‚Scholzomat', formelhaft nüchtern. Seine abgeklärte Art kommt jetzt in Hamburg an, die SPD ist wieder glaubwürdig, finden viele Wähler. Seine Themen: Wirtschaft und soziale Ge- rechtigkeit. Sein Auftritt sie- gesgewiss. Christoph Ahl- haus gegen Olaf Scholz, das Duell. CICHOWICZ: 00:01:00 Wenn zwei sich streiten, dann freut sich das Dritte. Guten Abend aus Hamburg, live im NDR-Fernsehen das entscheidende Fernsehduell wenige Tage vor der Ham- burg-Wahl. Ein anderes Du- ell ist heute schon gelaufen, nämlich das Derby HSV gegen St. Pauli, 0:1, der Underdog hat also ge- 00:01:30 wonnen. Bei uns geht's da- 2 Arbeitspapiere und Dokumentationen des Forschungsschwerpunkts „Kommunikation, Medien und Politik“ rum, wer bekommt am Sonntag den Schlüssel zum Tor der Welt, das in Ham- burgs Wappen prangt? Der erste Bürgermeister Chris- toph Ahlhaus, CDU, oder sein Herausforderer, der Sozialdemokrat Olaf Scholz? - Rund 1,3 Millionen Bürgerinnen und Bürger sind zur Wahl aufgerufen. Wir diskutieren hier über die Themen, die Ihnen beson- ders am Herzen liegen. Und damit es gerecht zugeht stoppen wir die Redezeit und wir blenden sie zwi- schendurch auch ein. - Herr Ahlhaus, Sie kämpfen un- ermüdlich um jede Stimme, Sie haben über 30 Wochenmärkte be- sucht. Wahlkampf im Winter, das ist schon hart genug, aber dann schreiben die Zeitungen seit Wochen, dass Sie eigentlich keine Chance haben. Im Moment liegen Sie bei ungefähr der Hälfte der Stimmen Ihres Herausforderers - wie ste- 00:02:00 hen Sie das durch? Och, wissen Sie, das beein- druckt mich wenig. Ent- scheidend ist, wie die Wäh- ler abstimmen am Sonntag. Und ^ ich werde bis zum letzten Tag kämpfen, mit Engagement, mit Zuversicht, mir macht Wahlkampf richtig Spaß und deswegen zieh ich das durch, bis am Sonn- tag. Ihr Wahlkampfetat ist ja nur halb so groß, wie beim letz- ten Mal und eine professio- nelle Werbekampagnen, die wurde gar nicht erst enga- giert. Warum haben Sie das 00:02:30 zugelassen? Also zunächst ist der Wahl- kampf ja auch kürzer, dann ist es auch günstiger. Au- ßerdem glaub ich kommt's nicht für die Qualität der 3 Maier/Jansen: Wortlaut der zweiten Fernsehdebatte zur Bürgerschaftswahl in Hamburg am 20. Februar 2011 Argumente immer auf's Geld an. Und ^ der kreative Kopf unserer Kampagne ist der- selbe, mit dem wir schon viele Wahlen gewonnen haben. Herr Scholz, Sie schließen Bündnisse, zum Beispiel das Kita-Abkommen mit den Eltern, Sie haben bereits einen zukünftigen Senator benannt, man könnte sagen Sie agieren im Wahlkampf wie ein de facto Bürgermeis- ter. Vermitteln Sie damit nicht, dass für Sie die Wahl schon gelaufen ist? Nein, gar nicht. Die Wahl wird am 20. Februar ent- schieden und bis zur letzten Minute mache ich Wahl- kampf, führe viele Gesprä- che mit den Bürgerinnen 00:03:00 und Bürgern. Und - mir ist auch ganz wichtig, dass tatsächlich jeder zur Wahl geht, es kommt auf jede Stimme an. Bislang hatten Sie die total zerstrittene SPD ja ganz schön auf Kurs gebracht und hinter sich gebracht, aber nun gibt's jetzt die ers- ten ungebetenen Ratschlä- ge. Henning Voscherau, einer Ihrer Vorgänger, hat Ihnen die FDP ans Herz gelegt. Könn- te man sagen, kaum ist die Macht mal wieder in greifba- rer Nähe, dann geht das Durcheinander bei den So- zialdemokraten wieder los? Nein, gar nicht. Henning Voscherau unterstützt mich 00:03:30 übrigens sehr in diesem Wahlkampf, er spricht viele Rundfunkspots und sein wichtigster, seiner wichtigste Botschaft ist ‚unterstützen Sie meinen Freund, Olaf Scholz und diesmal SPD'. Also die Einigkeit bleibt dann auch später, wenn Sie vielleicht an der Macht sind? 4 Arbeitspapiere und Dokumentationen des Forschungsschwerpunkts „Kommunikation, Medien und Politik“ Ich bewerbe mich nicht um die Macht, sondern um das Amt des ersten Bürgermeis- ters, ein bisschen beschei- den wollen wir hier schon bleiben. Aber eins ist ganz klar, ich - sorge dafür, dass das auch hinterher so bleibt wie's vor- her ist. Und es hat ja so lan- ge geklappt, dass man das auch annehmen kann. Herr Ahlhaus, nehmen Sie ihm das ab, dass das mit der SPD so bleibt? Nein, das nehme ich ihm nicht ab. Denn die Wider- sprüche, die in diesem 00:04:00 Wahlkampf zu Tage getre- ten sind, sind zu groß. Die Bandbreite, von dem was Olaf Scholz als stellvertre- tender Bundesvorsitzender vertritt mit der klassischen SPD-Politik bis hin zu einer vorgegaukelten Wirtschafts- kompetenz hier in Hamburg, die ist riesengroß. Weder die eigenen Leute, Gewerk- schaftsführer in der Bürgerschaftsfraktion, noch der avisierte Koaliti- onspartner, die Grünen, werden das am Ende mit- machen. Herr Scholz, wenn ich den Wahlkampf en bisschen Revue passieren lasse, dann beklagen Sie ja, dass besonders in Hamburg Arm und Reich besonders ausei- nanderfallen. Und dass das 00:04:30 Zusammenleben nicht mehr so sei, wie früher, der Zu- sammenhalt. Beklagen Sie damit nicht die Folgen jener Politik, die Sie als General- sekretär der SPD ja vehe- ment vertreten haben, frü- her? Hartz IV, Agenda 2010? Nein, gar nicht. Ich bin in einer Stadt aufgewachsen, in der es immer 00:05:00 schon sehr wohlhabende 5 Maier/Jansen: Wortlaut der zweiten Fernsehdebatte zur Bürgerschaftswahl in Hamburg am 20. Februar 2011 Stadtteile gegeben hat - und auch einige, bei denen es nicht so gut läuft, aber in der in den wohlhabenden Stadt- teilen auch viele gewohnt haben mit normalen Ein- kommen. Das ist anders geworden über die letzten Jahre, das vermissen viele sehr, ich auch, denn daran hab ich mich als gute Eigen- schaft in Hamburg gewöhnt, als ich hier jung war. Ich glaube Hamburg, es hat we, was Besonderes. Nämlich eine wirtschaftlich starke Stadt zu sein, die zugleich auf Zusammenhalt setzt, auf Solidarität. Also die Lage in Hamburg hat mit der Politik der SPD, der Bundes-SPD, die hat nichts zu tun mit den Entscheidungen und damals unter Bundeskanzler Ge- rhard Schröder? Ganz sicherlich hat vieles von dem, was wir auf den Weg gebracht haben, dazu beigetragen, dass die Ar- beitslosigkeit in Deutschland massiv gesunken
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