Noch in Siemens?

Noch in Siemens?

UNTERNEHMEN Wie viel Zukunft steckt noch in Siemens? 36 managermagazin 9/2006 Unternehmen Siemens SIEMENS Der rigorose Umbau des Industrie- konzerns sorgt intern für Auseinandersetzungen. Kann Vorstandschef Kleinfeld seinen Kurs fortführen? Oder setzen sich die Bewahrer im Aufsichtsrat durch? FOTOS: KAY NIETFELD/PA/DPA, PR (2) NIETFELD/PA/DPA, KAY FOTOS: Zukunftsfeld Energie: Siemens baut ein Geothermie- Kraftwerk, das Strom und Wärme aus der Tiefe holt (ganz oben), stellt Windkraftanlagen her (oben) und produziert in der historischen Peter-Behrens- Halle (links) die größte Gasturbine der Welt Unternehmen Siemens Revolutionär: Siemens-Chef Klaus Kleinfeld baut radikal um Bewahrer: Oberaufseher Heinrich v. Pierer will mehr Achtsamkeit n kühnem Schwung streben Eisen- IT-Dienstleisters SBS ungewiss (siehe bis hinein in die Spitze. Aufsichtsrats- träger zur Decke, durch mannigfach Kasten Seite 42) – aus der Kommunika- chef Heinrich v. Pierer (65) fürchtet, Iunterteilte Fenster strömt Tageslicht tionsindustrie verabschiedet sich der dass Kleinfeld mit seinem Hauruck- in den gigantischen Raum. Bei ihrem Konzern wohl endgültig. Gut 13 Milliar- Management – wie bei der Com-Spar- Bau 1908 war die Peter-Behrens-Halle den Euro Umsatz werden voraussicht- te – den gesamten Konzern überfordert. in Berlin eine der modernsten Fabriken lich aus der Bilanz verschwinden. Schon gab es vom Aufsichtsrat die An- ihrer Zeit. Hier wurden damals die fort- Verspielt Siemens seine Zukunft? Wie sage, dass solche Parforceritte künftig schrittlichsten Turbinen der Welt gefer- will der Industriekrösus diesen Ader- zu unterbleiben hätten. tigt – Antriebe für die Kriegsflotte von lass an Hightech kompensieren? Wo Immerhin hatte das Kontrollgremium Kaiser Wilhelm. stecken die neuen großen Chancen? der Entsorgung der margenschwachen Anno 2006 wirkt der Bau wie ein Selbst intern herrscht inzwischen Un- Com-Sparte zugestimmt – was im Kon- Relikt früher Industriearchitektur. Auf einigkeit über den Kurs des Konzerns – zern auch nicht unumstritten ist. Nur öldurchtränkten Holzbohlen stehen ar- chaische Maschinen, bohren, fräsen, ARNE WEYCHARDT/WIRTSCHAFTSWOCHE BUSCHMANN/SV-BILDERDIENST, J. FOTOS: drehen an riesigen Rohlingen aus Me- 140 tall. Immer noch stellt Siemens in den Vergebliche Mühen historischen Mauern Schaufelräder her Ob Übernahmen oder Verkäufe – die Siemens-Aktie – mittlerweile für die Stromerzeugung. entwickelt sich seit dem Amtsantritt von 130 Fast scheint es, als symbolisiere die Klaus Kleinfeld schlechter als der Dax. Produktion in dem denkmalgeschützten 27. Januar 2005 = 100 120 Ensemble die Siemens AG von heute. Dax Seit Vorstandschef Klaus Kleinfeld (48) Siemens 110 Mitte Juni verkündet hat, den Bereich Kommunikationsnetze in ein Joint Ven- 100 ture mit Nokia auszugliedern, gilt das 159 Jahre alte Unternehmen etlichen Beob- 90 achtern als traditionelles Industriekon- 30.3.2005 7.6.2005 13.7.2005 21.12.2005 27.4.2006 19.6.2006 30.6.2006 glomerat mit dem Charme von gestern. Kauf von Handy- Kauf von Verkauf der Kauf von Ankündigung Kauf von Das Handygeschäft abgestoßen, die Flender geschäft VA Tech produktnahen Diagnostic des Nokia- Bayer 80 an BenQ Dienste von Products Siemens- Diagnostics Netze ausgegliedert, der Verkauf der abgegeben SBS Joint -Ventures Kommunikationssysteme für Unterneh- 70 men beschlossen, das Schicksal des 27. Januar 2005 Quelle: Thomson Financial, Datastream August 2006 38 managermagazin 9/2006 Unternehmen Siemens Zukunftsfeld Medizin: Detailgetreue Auf- nahmen vom schlagenden Herzen (ganz oben) liefert der Computertomograf Soma- tom Definition (links), der im Siemens- Werk Forchheim montiert wird (oben) weil die Geschäftsbereiche im April Wachstumsfantasien hervor (siehe Gra- men, wenn sie in verbrauchernahen 2007 auf Biegen und Brechen ihre Ge- fik Seite 38). Nicht einmal die rund Märkten schnell auf technologische Ent- winnziele erreichen müssten, entledige neun Milliarden Euro teure Einkaufs- wicklungen reagieren müssen. Ein be- sich Kleinfeld der Kommunikations- tour des neuen Konzernlenkers regte redtes Beispiel liefert der Com-Bereich: sparte, lautet die Kritik. So modele er die Kauflust der Investoren bisher an. Obwohl die Kommunikationstechnik einen der wenigen deutschen Hightech- Unverständlich für Kleinfeld. „Wir eine Zukunftsbranche par excellence ist, Hoffnungsträger zu einem langweiligen sind hervorragend aufgestellt, um von scheiterten die Münchener kläglich. So Hersteller von Anlagegütern um. den Megatrends unserer Zeit zu profi- gesehen, stiftet die von Kleinfeld betrie- Anderen geht der Umbau zum Infra- tieren“, prophezeit er Siemens eine bene Konzentration auf Produkte mit strukturanbieter nicht schnell genug. glänzende Zukunft. Die Überalterung langen Lebenszyklen durchaus Sinn. Sie monieren, die neue Strategie werde der Bevölkerung und die Verstädterung Fraglich bleibt indes, ob sich Siemens nicht konsequent genug umgesetzt. Den der Erde ließen den Konzern in den auch ohne Kommunikationstechnik zum Siemens-Konzern gehörenden nächsten Jahren doppelt so schnell noch als Hightech-Unternehmen profi- Industriesparten fehle es an kritischer wachsen wie das globale Bruttosozial- lieren kann. Treiben doch Vernetzung Masse und Wachstumsvisionen. Weite- produkt. und Digitalisierung auch in den tradi- re große Zukäufe seien nötig, um den Doch die Argumentation überzeugt tionellen Geschäftsfeldern die Innova- Umsatzverlust auszugleichen. noch nicht. Selbst unter den Topleuten tion. Die Medizintechnik etwa will Turbinen, Züge, Leuchtkörper – in der des Konzerns ruft Kleinfelds Mega- mit einer elektronischen Patientenakte Tat mutet das Produktspektrum von trends-Mantra bisweilen genervtes punkten. Siemens nach der Auflösung des einst Augenrollen hervor. Natürlich brauchen Laut Kleinfeld kein Problem für Sie- PR FUCHS, GREUNE, KURT JAN FOTOS: größten Konzernbereichs Com nicht ge- alte Menschen mehr Medizintechnik, mens – auch ohne Com: „Wir sind und rade aufregend an. Ob Energie, Indust- und Riesenstädte benötigen Strom und bleiben ein Hightech-Unternehmen.“ rie, Medizin, Transport oder Beleuch- Transportmittel. Aber ob und wie Sie- Die IT-Branche liefere ohnehin vor al- tung, alle verbliebenen Arbeitsgebiete mens von diesen langfristigen Entwick- lem Standardkomponenten. „Die setzen operieren in reifen Märkten mit weni- lungen profitieren kann, wird auf dem wir in unsere komplexen Systeme ein gen kapitalstarken Mitbewerbern. Markt erst noch ausgefochten. und veredeln sie mit Ingenieurkunst“, Bei den Anlegern ruft der Infrastruk- Fest steht allerdings, dass die Mün- schwärmt der Technikfan: „Solche intel- turanbieter Siemens denn auch keine chener immer dann Probleme bekom- ligenten Lösungen sind viel innovativer 40 managermagazin 9/2006 Unternehmen Siemens WACHSTUM DRINGEND GESUCHT Siemens-Chef Klaus Kleinfeld stärkt die dynamischen Bereiche des Elektrokonzerns. Der Rest darf mitlaufen, solange er keine bösen Überraschungen bereitet. Arbeitsgebiet Umsatz 2005 Zukunftschancen Kleinfelds Zukäufe ENERGIE 12,3 Mrd. Euro +++ Dauerhaft starkes Wachstum dank effizien- Power Machines (Jahresumsatz bei ter konventioneller Kraftwerke und Übernahme 520 Mio. Euro), Kühnle, guter Angebote bei erneuerbaren Energien; Kopp & Kausch (270 Mio. Euro), Boom bei Windkraft. Wheelabrator (137 Mio. Euro) MEDIZINTECHNIK 7,6 Mrd. Euro +++ Alternde Bevölkerung steigert Nachfrage; CTI Molecular Imaging (315 Mio. breites Produktspektrum von Vorsorge bis Euro), Diagnostic Products Therapie; begrenzte Gesundheitsbudgets, (377 Mio. Euro), Bayer Diagnostics harter Preiskampf mit GE, Philips. (1,43 Mrd. Euro) AUTOMATISIERUNG 21,1 Mrd. Euro ++ Boom dank Industrialisierung in China, Robicon (92 Mio. Euro), Flender Indien, Nahost; stark konjunkturabhängig; (1 Mrd. Euro), VA Tech (3,9 Mrd. Euro), langfristig hohes Wachstum bei Wasser- Electrium (109 Mio. Euro) technik zu erwarten. VERKEHR 13,8 Mrd. Euro + Automobiltechnik branchenbedingt kein keine großer Wachstumstreiber; derzeit gute Nachfrage bei Bahntechnik, aber häufig technische Probleme. BELEUCHTUNG 4,3 Mrd. Euro + Technisch hervorragend, keine marktbedingt jedoch nur langsames Wachstum zu erwarten. als PC oder Handys, und sie machen Umsatz wuchs seit dem Jahr 2000 um Bis Jahresende liefert Med 150 der je rund Siemens einmalig.“ 50 Prozent. zwei Millionen Euro teuren Anlagen aus Kommt die Frage auf Hightech made „Innovationen prägen uns“, wirbt – und GE hat kein vergleichbares Gerät by Siemens, sprudelt es nur so aus Reinhardt und dimmt zum Beweis das im Angebot. In der Magnetresonanz- Kleinfeld heraus: Die Computertomo- Licht in dem futuristisch blau schim- tomografie, der zweiten großen bild- grafen, deren chipbeladene Innereien mernden Vorführraum der Med-Zent- gebenden Medizintechnik, gelang den mit Fliehkräften wie im Formel-1-Boli- rale in Erlangen. Auf dem Bildschirm Erlangern bereits 2005 der Sprung an den herumwirbeln; die rot glühenden dreht sich dreidimensional ein schla- die Spitze. Und auch bei IT-Lösungen im Schaufeln der Gasturbinen, die bei gendes Herz. Ein Mausklick blendet Gesundheitswesen gelten sie als führend. 1250 Grad Hitze rotieren; die Filtra- den zuckenden Muskel aus, nur die Prächtige Aussichten für Med, glaubt tionssysteme, die stinkende Kloaken in Adern bleiben sichtbar. Einmal zoomen, die Konzernführung. Kein Bereichs- Trinkwasser verwandeln. und ein Blick zeigt, ob ein in das Gefäß chef durfte deshalb mehr Geld für Doch wie gut die Zukunftschancen für eingesetztes Stent-Gitter noch freien Firmenübernahmen ausgeben als Rein- den Mischkonzern tatsächlich stehen, Blutfluss ermöglicht.

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