Juni 1998 Einsatzgruppen Die Einsatzgruppen wurden im Frühjahr 1941 mit dem Zweck gebildet, während des Rußlandfeldzuges die so genannte „jüdisch-bolschewistische Intelligenz“ zu beseitigen. Schnell wurde der Kreis der Opfer erweitert: Zuerst nur die Polit- funktionäre, dann folgten alle Beamten, dann alle Partisanenverdächtigen und schließlich jeder einzelne Jude, erst die Männer, dann auch Frauen und Kinder. Im März 1941 äußerte sich Hitler das erste Mal zu General Jodl über die Notwendigkeit, daß Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei (SD) entstehen sollen und eine Vereinbarung mit Hey- drich über die Rolle dieser Einsatzgruppen im Ostfeldzug getroffen werden müsse. Die Wehrmacht erklärte sich mit einer freien und unbegrenzten Tätigkeit dieser Einsatzgruppen einverstanden. Einen Befehl zur Endlösung hatte es noch nicht gegeben. Dieser kam am 21. Januar 1942 während der Wannsee-Konferenz, nachdem schon vorher während des Rußland- feldzuges (Operation Barbarossa) fast eine Million Juden ermordet worden waren. Im Mai 1941 hatte Heydrich ungefähr 3.000 Mann beisammen, die in vier Einsatzgruppen eingeteilt wurden: • Die Einsatzgruppe A sollte der Heeresgruppe Nord in die Baltischen Staaten bis nach Leningrad folgen und wurde von Stahlecker kommandiert. • Die Einsatzgruppe B, von Nebe geleitet, folgte der Heeresgruppe Mitte mit dem Ope- rationsraum zwischen den Baltischen Staaten und Ukraine. • Die Einsatzgruppe C führte Rasch. Sie operierte westlich und nördlich von der Heere- sgruppe Süd. • Die Einsatzgruppe D unter Ohlendorf operierte zwischen Bessarabien und dem Krim- gebiet, im Süden der Heeresgruppe Süd. Die Einsatzgruppen hatten Bataillonsstärke und setzten sich ähnlich wie die Gruppe A zu- sammen: Männer der Gestapo (9 %), des SD (3,5 %), der Kriminalpolizei (4,1 %), der Ord- nungspolizei (13,4 %), ausländischer Hilfspolizei (8,8 %) und der Waffen-SS (34 %). Den Rest bildeten technisches und Schreibpersonal. Jede Einsatzgruppe hatte zwei Abteilungen: Einsatz- und Sonderkommandos mit 70 bis 120 Leuten und Teilkommandos mit 20 bis 30 Mann. Ende Mai rief Heydrich die 120 Führer der Einsatzgruppen und Einsatzkommandos in Pretzsch an der Elbe zusammen, wo sie immer deutlicher auf den Massenmord getrimmt wur- den. Auch wenn es wenig schriftliche Befehle gab, die Männer wußten, was von ihnen erwar- tet wurde. Mit dem Anfang der Operation Barbarossa (22.06.1941) „brachen Heydrichs Todesboten zu ihrem grauenhaftesten Abenteuer auf: 3.000 Männer jagten Rußlands fünf Millionen Juden.“ (Heinz Höhne, „Der Orden unter dem Totenkopf“, S. 330) Die russischen Juden traf dies völlig unvorbereitet. Kaum jemand kannte die Gefahr des deut- schen Antisemitismus. Die antijüdische, stalinistische Presse berichtete kaum darüber. Die Einsatzgruppen folgten direkt der Wehrmacht und nutzten dadurch den Überraschungsef- fekt. Kaum war eine Stadt erobert, mordeten schon die Verausabteilungen der Einsatzgrup- pen. Eine „Erfolgsmeldung“ folgte der anderen. Nach späteren gerichtlichen Ermittlungen wurden z. B. in Kowno in mehreren Aktionen vom 29.06.1941 an über 2.500 Juden ermordet. 2 Die Meldung vom Einsatzkommando III unter Jäger berichtet von den in den ersten Juli- Tagen ermordeten 2.930 Juden und 47 Jüdinnen. Andere Kommandos waren genauso „fleißig“. Zitat aus der Ereignismeldung der Einsatzgruppe B vom 13. Juli: „Die Tätigkeit aller Kommandos hat sich zufriedenstellend entwickelt. Vor allem haben sich Liquidierungen eingespielt, die jetzt täglich in größerem Maße erfolgen!“ (Jäckel, „Der Mord an den Juden im zweiten Weltkrieg“, S. 95) Für die Mitglieder der Einsatzgruppen wurde mit der Zeit immer deutlicher, daß nicht nur jüdische Kommunisten, sondern alle Juden, später auch jüdische Frauen und Kinder gemeint waren. Anfangs wurden vorwiegend zwei Arten von Rechtfertigungen als Vorwand benutzt: Sorge vor Seuchengefahr und Abwehr jeder Zusammenarbeit der Juden mit dem Feind. Es kamen „Angriffe auf die Wehrmacht“, „Brandstiftung“ und „Oppositionsgeist“ hinzu. So heißt es in der Meldung der Einsatzgruppe C: „Zur Beseitigung der Seuchengefahr wurden vom Kommando 4a 1.107 erwachsene Juden und von der ukrainischen Miliz 661 jugendliche Juden erschossen.“ „Bis zum 06.09.1941 hat dieses eine Kommando 4a insgesamt 11.328 Juden ermordet“, heißt es weiter in der Meldung. In Kiew, berichtet die Einsatzgruppe C, wurde die jüdische Bevölkerung zur Umsiedlung auf- gefordert. Man rechnete mit etwa 5.000, es kamen aber 30.000 Juden, die bis unmittelbar vor ihrer Exekution noch tatsächlich an eine Umsiedlung geglaubt hatten. Solche Beispiele könnte man fortführen. Auf jeden Fall meldeten bis zum Winter 1941/42 die Einsatzgruppe A = 249.420, die Einsatzgruppe B = 45.467, Gruppe C = 95.000 und Gruppe D = 92.000 liquidierte Juden. Das Morden ging weiter. Bald kam als Rechtfertigungsgrund die These dazu, alle Juden seien Partisanen. Diese These gehörte zu einem neuen Vernichtungsprogramm, das Anfang '42 be- gann: Der Judenmord wurde jetzt unter dem Namen des Kampfes gegen die Partisanen be- gangen und zog auch die Wehrmacht durch gemeinsame Aktionen in die Schuldfrage des Verbrechens hinein. Die Einsatzgruppen verwandelten sich in stationäre Kommandostellen der Sicherheitspolizei und des SD. In verschiedenen Aktionen wurden hunderttausende von Juden ermordet. Insgesamt waren von 2,5 Millionen Juden 900.000 liquidiert worden. Obwohl die Endlösung der Judenfrage offiziell erst am 20.01.1942 während der Wanseekon- ferenz bekannt gegeben wurde, muß man davon ausgehen, daß die allgemeine Judenvernich- tung bereits am Anfang des Rußlandfeldzuges im Juni 1941 beschlossene Sache war. Wochen danach wurden die Einsatzgruppen nach und nach informiert, daß alle Juden zu ver- nichten seien. (Aug. – Sep. 1941) Die Einsatzgruppen arbeiteten anfangs in Unkenntnis der Tatsache, daß sie Vorreiter der Endlösung waren. Ab Herbst war die Lage für sie klar. Ab 20.01.1942 ging es dann um die Ausrottung der Juden in allen von Deutschland besetzten Gebieten Europas. Die Verfolgung wird auf ganz Europa ausgedehnt Noch bevor die Judenvernichtung in Rußland beendet worden war, befahl Himmler, zu einer neuen Phase des Massenmordes überzugehen. Es entstanden stationäre Todesfabriken. An Stelle der Erschießungen wurden Vergasungen eingeführt. Die Juden, die in den Ghettos immer noch lebten, wurden in die Konzentrationslager ge- bracht. Ein Lager entstand nach dem anderen. Schon in Rußland wurden einige Male Gaswa- gen zur Tötung von Juden eingesetzt und erprobt. Das erste richtige Vernichtungslager entstand nicht weit von Litzmannstadt (Lodz) in Kuhn- hof*. Es wurden aber noch herkömmliche Methoden angewendet, die Vergasung funktio- 3 nierte nicht immer. Doch schnell wurde das Verfahren perfektioniert, indem Blausäuregas Zyklon B (aus deutscher Erfindung und Produktion) benutzt wurde. Von den 3 Millionen Juden, die in Polen vor dem Kriege lebten, sind 2,3 Millionen während der deutschen Herrschaft vernichtet worden. Fast alle mußten in den ersten Monaten in die Ghettos ziehen, die als Sammelplätze der Judenauswanderung getarnt waren. Seit Anlaufen der Endlösung wurden sie zu Warteräumen auf den Tod. Am 19.04.1942 schreibt Himmler: „Ich ordne an, daß die Umsiedlung der gesamten jüdischen Bevölkerung des Generalgouvernements bis zum 31. Dez. 1942 durchgeführt und beendet ist.“ (H.Höhne, S. 347) Daraufhin bewegten sich die Züge planmäßig in die Mordfabriken. Ein Ghetto nach dem anderen wurde geleert. Bis Ende 1942 waren 3/4 der polnischen Juden ermordet. Transporte in den Tod Der Weg in den Tod begann für die mittel- und westeuropäischen Juden auch schon vor der Wannseekonferenz. Im Oktober 1941 wurden von SS-Obersturmbannführer Eichmanns Mi- tarbeitern zum ersten Mal Transporte in den Tod geschickt. Im November kamen Juden aus dem Altreich und Österreich in den zu Tode verurteilten Ghettos von Minsk, Riga und Litz- mannstadt an. Nächste Opfer waren die niederländischen Juden. Ab 1942 mußten sie den gel- ben Stern tragen, ab Juli rollten die Todestransporte nach Osten. Von 110.000 Deportierten überlebten 6.000. Danach kamen Frankreich und Belgien. Aber hier wurde die Arbeit für Eichmanns Leute schwieriger. Als Militärbefehlshaber war in Belgien und Nordfrankreich General von Falken- hausen eingesetzt. Der wehrte sich bis zu seiner eigenen Verhaftung im Juli 1944 erfolgreich gegen Eingriffe der Sicherheitspolizei. Die Judenvernichtung verlangsamte sich dadurch. Von den 52.000 Juden, die in Belgien lebten, kamen 24.000 ums Leben, kaum aber einer, der eine belgische Staatsangehörigkeit besaß. In Frankreich verlief es ähnlich. Und auch die italienis- chen Militärs in ihrer französischen Besatzungszone verboten Aktionen gegen Juden. Erst Italiens Kapitulation im Sommer 1943 nahm den französischen Juden ihren Beschützer. Auch in Italien selbst bekamen Eichmanns Leute Schwierigkeiten. In den Balkanstaaten war die Wehrmacht williger Helfer der Endlösung. Fast alle Juden endeten in den Vernichtungsla- gern. In Frankreich aber entgingen 80 % der Juden dem Tod. Das Programm der Judenvernichtung ließ sich immer schwieriger verwirklichen. Dies hing mit zwei Ereignissen zusammen: Mit Hitlers sinkendem Kriegsglück und mit den Nachrichten über die wahre Natur der Judenumsiedlung, die sich in der ganzen Welt verbreiteten. Die Bilanz der „Endlösung der Judenfrage“ ist unfaßbar: Fast sechs Millionen Morde! Ein Deutschreferat zum Themenbereich: Juden im 3. Reich von Jurek R. Bibliographie: 1. „Brockhaus Enzyklopädie“ in 24 Bänden/19. Auflage / F.A. Brockhaus, Mannheim 2. Heinz Höhne, „Der Orden unter dem Totenkopf“
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