Sportfunktionäre und jüdische Differenz Sportfunktionäre und jüdische Differenz Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938 Herausgegeben von Bernhard Hachleitner, Matthias Marschik und Georg Spitaler Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF): Projekt PUB 584-Z28 ISBN 978-3-11-055326-0 e-ISBN (PDF) 978-3-11-055331-4 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-055344-4 Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution 4.0 International Lizenz (CC BY 4.0). Weitere Informationen finden Sie unter https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/. Library of Congress Publication Number: 2018956660 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Bernhard Hachleitner, Matthias Marschik und Georg Spitaler, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Dieses Buch ist als Open-Access-Publikation verfügbar über www.degruyter.com, https://www.doabooks.org und https://www.oapen.org Bildnachweis: Austria-Präsident Dr. Emanuel Schwarz am Spielfeldrand des Wiener Praterstadions beim Mitropacupspiel gegen Juventus Turin, 9. 7. 1933 (Privatarchiv Thomas Schwarz) Satz: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Druck und Bindung: CPI Books GmbH, Leck www.degruyter.com Inhalt Bernhard Hachleitner, Matthias Marschik und Georg Spitaler 1 Einleitung: Wien, jüdische Differenz und Sportfunktionäre 1 Jüdische Differenz und Populärkultur 6 SportfunktionärInnen und gesellschaftliche Partizipation 8 Raum und Performanz 14 Methodisches 15 Begriffsdefinitionen und Schreibweisen 20 Zur Struktur des Buchs 21 Bernhard Hachleitner 2 Arierparagrafen und andere Ausschlussmechanismen 23 Spätes 19. Jahrhundert: Vom Antijudaismus zum Antisemitismus 24 „Badeni-Krise“ und „Waidhofener Prinzip“ 25 Erster Weltkrieg und unmittelbare Nachkriegszeit: Hetze gegen „Ostjuden“ 29 Arierparagrafen in alpinen Vereinen 30 Skisport: Zwei Verbände 33 Offensiver Antisemitismus im Schwimmsport: EWASC 35 Fußball: Der Wiener Sport-Club als Ausnahme 37 Die Hakoah als Legitimation 43 Susanne Helene Betz 3 Wiener Judentum und Wiener Sport in der Zwischenkriegszeit: Fakten und Zahlen 47 Die jüdische Bevölkerung Wiens in der Zwischenkriegszeit: ein demografischer Überblick 47 1880 bis 1923 47 1923 bis 1926 50 Wendepunkt 1927 54 1934 bis 1938 57 Dramatischer Epilog: 1938 bis 1945 61 Wiener Sport in der Zwischenkriegszeit in Zahlen 66 Alexander Juraske 4 Die jüdische Sportbewegung im Wien der Zwischenkriegszeit 71 Die Anfänge jüdischer Partizipation im Wiener Sport 71 Die Blütezeit jüdischer Vereine in Wien 76 VI Inhalt Stagnation 78 Konsolidierung 84 Bernhard Hachleitner und Georg Spitaler 5 Demografie jüdischer SportfunktionärInnen 89 Alterskohorten 92 Vereine und Verbände 93 Bezirksverteilung 97 Berufe 102 Berufe bei ausgewählten Vereinen 103 Bernhard Hachleitner, Matthias Marschik, Sema Colpan und Georg Spitaler 6 Raum 107 Raum und jüdische Differenz im Wiener Fußball 107 Ein Beispiel: Floridsdorf 108 Der Floridsdorfer Athletiksport-Club (FAC) 109 SC Admira 114 Sportklub Rapid 117 Erster Simmeringer Sportclub (ISSC) 123 FK Austria 125 SC/FC Hakoah 128 „Strategien“ des Raumes 130 Matthias Marschik und Bernhard Hachleitner „Bodenständigkeit“ als Metapher 135 „Bodenständigkeit“ als spezifische Metapher und Chiffre der Zwischenkriegszeit 137 „Bodenständig“ im Sportkontext 141 Alexander Juraske Case Study: Der First Vienna Football Club 1894 und seine jüdischen Funktionäre 144 Die jüdischen Wurzeln und die Vereinsentwicklung 145 Die jüdische Partizipation in Zahlen 147 Sonderrolle „Konvertiten“ 148 Verfolgung und Tod 155 Matthias Marschik 7 Sport in den Medien 159 Sportpresse und Sportberichterstattung 1918–1938 160 „Jüdische“ Sportpresse? 166 Inhalt VII Funktionäre: Journalisten und Thema der Berichterstattung 171 Case Study: Wiener Sport im Feuilleton. Emil Reich über Funktionäre und „jüdische“ Körperkultur 174 Die Funktionäre 177 Jüdische Persönlichkeiten 179 Resümee 182 Bernhard Hachleitner und Matthias Marschik 8 Konflikte 183 Profifußball: Massensport oder elf bezahlte Gladiatoren? 184 Konflikte vor Gericht 188 Georg Spitaler Case Study: Wie der sozialdemokratische (Sport-)Politiker Julius Deutsch vor Gericht seine Ehre verlor 190 Bernhard Hachleitner Case Study: Willy Kurtz und das „verjudete Schiedsgericht“ 200 Bernhard Hachleitner Publikumsausschreitungen 206 Kämpfe von Antisemiten und Zionisten – oder Spiele in Freundschaft? Wiener Sport-Club vs. Hakoah 206 WAF gegen Hakoah 211 Antisemitische Stereotype: Tribünenpublikum, Stadtpelze, Automobile 212 Matthias Marschik Konflikte aus zionistischer Perspektive 215 Der „jüdische“ Funktionär 218 Arier, Antisemiten und Konvertiten 220 Konflikte mit der Sozialdemokratie und linken Zionisten 222 Diskussionen innerhalb der Wiener Morgenzeitung 223 Die Hakoah als „Opfer“ 225 Matthias Marschik Olympia 1936 226 Die Frage der Beschickung 227 Olympiafeier in Wien 229 Bernhard Hachleitner, Matthias Marschik und Georg Spitaler 9 (Sport-)Netzwerke 233 Familiäre Netzwerke 235 Netzwerke aus dem Ersten Weltkrieg 238 VIII Inhalt Firmennetzwerke 243 Jüdische Netzwerke? 244 Politische Netzwerke 248 Das Kaffeehaus – der prototypische Ort der Vernetzung 249 Gemeinsame Reisen 252 Ehrentribüne 253 Internationale Netzwerke 254 Netzwerke von und für Frauen 257 Netzwerke post mortem 259 Nach 1938: Netzwerke der Flucht 261 Susanne Helene Betz 10 Nach dem „Anschluss“ 267 Jüdischer Sport nach dem „Anschluss“ an das Deutsche Reich 267 Wien 1938 267 Die Einrichtung des Stillhaltekommissars für Vereine, Organisationen und Verbände 272 Organisatorische Veränderungen im Bereich des Sports nach dem „Anschluss“ 276 Jüdischer Sport nach dem „Anschluss“ außerhalb eines Vereins 286 Case Study: Jüdischer Sport in Wien nach dem „Anschluss“. Das Beispiel des Sportclubs (SC) Hakoah 288 Antisemitismus 291 „Hakoah aufgelöst“ 292 Verlust der Hakoah-Sportstätte 297 Georg Spitaler Case Study: „Der Jude soll zahlen.“ Die Wiener Austria im März 1938 298 Ein „Judenklub“? 304 Sestas Sparbuch 306 Der Goldpokal 308 Der Kurzwellenapparat 313 Bernhard Hachleitner, Matthias Marschik und Georg Spitaler 11 Resümee 317 Quellen- und Literaturverzeichnis 331 AutorInnen und Herausgeber 355 Inhalt IX Vereins- und Verbandsregister 357 Namensregister 361 Bernhard Hachleitner, Matthias Marschik und Georg Spitaler 1 Einleitung: Wien, jüdische Differenz und Sportfunktionäre (1) In der Arbeiter-Zeitung war im Mai 1929 ein Nachruf zu lesen: „Genosse Dr. Rudolf Brichta ist im 56. Lebensjahr gestorben. Er war städtischer Arzt so- wie Bahnarzt. Dr. Brichta zählte zu den ältesten und verdienstvollsten Parteige- nossen Floridsdorfs und erfreute sich allgemeiner Beliebtheit. In allen Zweigen der Partei, besonders aber in der Jugend- und Sportorganisation hat er tätig mitgearbeitet. Das Leichenbegängnis findet heute Dienstag um ½ 5 Uhr im isra- elitischen Friedhof (Leichenhalle) Floridsdorf statt.“1 Der Morgen ergänzte die sportspezifischen Informationen: Brichta war „langjähriges Vorstandsmitglied des Ö.F.B. und auch einer der Gründer des VAS“,2 des Verbands der Arbeiter- und Soldatensportvereinigungen. Außerdem war Brichta bis 1921 der erste Nachkriegspräsident des SC Admira, den er in der Folge in verschiedenen Funktionen bis hin zum Vizepräsidenten im Österreichischen Fußball-Bund vertrat, übrigens gemeinsam mit dem – gleichfalls jüdischen – Siegfried Deutsch vom Bezirkskonkurrenten Floridsdorfer AC.3 (2) Der Unternehmer und Sportfunktionär Rudolf Klein gehörte zu jener Mehrheit innerhalb der jüdischen Bevölkerung Wiens, die sich „from anything coded as Jewish“4 fernzuhalten versuchte. Klein war ein erfolgreicher Ge- schäftsmann in der expandierenden Automobilbranche. Schon vor dem Ersten Weltkrieg als Vertreter verschiedener Automobilfirmen tätig, stieg er nach 1918 zum Verkaufsdirektor des Daimler-Puch-Konzerns auf. 1923 machte er sich als Großimporteur in der Zulieferindustrie selbstständig.5 Neben diesem berufli- chen Engagement war Rudolf Klein ab 1921 auch als Sportfunktionär aktiv. Ab diesem Zeitpunkt nahm er nicht nur ein Mandat im Vorstand des bürgerlichen Allround-Sportclubs WAC ein,6 sondern war auch im nationalen Aero-Club und im Österreichischen Touring-Club, im Österreichischen und im Wiener Auto- 1 Arbeiter-Zeitung (7. 5. 1929) 4. 2 Der Morgen (6. 5. 1929) 13. 3 Sport-Tagblatt, (22. 6. 1925) 4; (5. 7. 1926) 4. 4 Lisa Silverman, Becoming Austrians. Jews and Culture between the World Wars (Oxford/ New York 2012) 8. 5 Matthias Marschik, „Der Herr Kommerzialrat“. Theodor Schmidt und Rudolf Klein. Sporträu- me als Orte jüdischer Selbstvergewisserung in der Ersten Republik. In: Wiener Geschichtsblät- ter 71, H. 4 (2016) 299–324. 6 Bundespolizeidirektion Wien, Vereinspolizei, Vereinsakt Wiener Athletik Sport Club. Open Access. © 2019 Bernhard Hachleitner, Matthias Marschik und Georg Spitaler, publiziert von De Gruyter. Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution 4.0 International Lizenz (CC BY 4.0). https://doi.org/10.1515/9783110553314-001 2 1 Einleitung: Wien, jüdische Differenz und Sportfunktionäre Abb. 1: Porträt des Unternehmers und Motorsportfunktionärs Rudolf Klein (Allgemeine Automobil Zeitung, 1. 8. 1923). mobil-Club aktiv. Das waren durchwegs Vereinigungen, in denen sich eine gut- bürgerlich-aristokratische Männergesellschaft traf, die für Klein auch wichtige geschäftliche Kontakte bot.7 Nach dem „Anschluss“
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