Vom Mitarbeiter Zum Miteigentümer. Der Burgbacher-Plan Von 1969

Vom Mitarbeiter Zum Miteigentümer. Der Burgbacher-Plan Von 1969

1 2 3 Vom Mitarbeiter zum Miteigentümer. 4 Der Burgbacher-Plan von 1969 5 6 Von Günter Buchstab 7 8 Auf der 50-Jahr-Feier der »Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Partner- 9 schaft in der Wirtschaft« Anfang April 2000 stellte Bundeskanzler Schröder 10 – ohne in Einzelheiten zu gehen – Grundzüge eines Konzepts zur Beteiligung 11 der Arbeitnehmer am Kapital und Gewinn ihrer Unternehmen vor.1 Gewerk- 12 schaften und Arbeitgeber sollten bei Tarifverhandlungen ihr besonderes Au- 13 genmerk auf Investiv-Lohnmodelle richten, bei denen Teile von Lohnerhö- 14 hungen nicht in bar ausgezahlt, sondern in Aktien, Investmentfonds, Ge- 15 nußscheinen oder in vergleichbare Unternehmensbeteiligungen investiert 16 werden. Der Ausbau der Vermögensbildung und insbesondere die Gewinnbe- 17 teiligung der Arbeitnehmer böten – so Schröders Einschätzung – gerade jetzt, 18 da die Deutschen die Aktien entdeckt hätten, eine Reihe von Vorteilen: Bei 19 den Beschäftigten steigere die Beteiligung am Unternehmenskapital und -er- 20 folg die Motivation und Verantwortung, was nicht nur die Betriebsergebnisse, 21 sondern auch das Verständnis für betriebswirtschaftliche Zusammenhänge 22 verbessere. Die Beteiligung der Menschen in den Betrieben »am Haben und 23 Sagen« sei eine der Säulen der Sozialen Marktwirtschaft, was gelegentlich ver- 24 gessen werde. Auch könne der Export von Arbeitsplätzen ins Ausland durch 25 bessere Einbindung und Beteiligung der Beschäftigten am eigenen Unterneh- 26 men vermieden und somit Arbeitslosigkeit abgebaut werden. Und nicht zuletzt 27 sei in diesem Zusammenhang auch die Frage einer kapitalgedeckten zusätz- 28 lichen Altersversorgung zu klären, an der künftig kein Weg vorbeigehe. 29 Mit diesen Vorstellungen sah sich Schröder »im Zentrum entschiedener Mo- 30 dernisierungsbestrebungen«. Mehr noch: »Eine Vorreiterrolle in der Beteili- 31 gungswirklichkeit« weist er Sozialdemokraten wie Georg Leber und Philipp 32 Rosenthal zu. Hier aber muss der Historiker Widerspruch anmelden. Bundes- 33 kanzler Schröder verkauft alten Wein in neuen Schläuchen. 34 Richtig ist, dass die IG Bau-Steine-Erden unter ihrem Vorsitzenden Leber 35 Mitte der 60er Jahre neuen tarifpolitischen Ansätzen aufgeschlossen gegen- 36 überstand und dass es ihr 1965 gelang, einen Tarifvertrag über vermögenspo- 37 litische Leistungen abzuschließen.2 Von einer Vorreiterrolle der Sozialdemo- 38 39 40 1 Bulletin der Bundesregierung Nr. 18 vom 1. April 2000. 2 Vgl. Leber-Plan von 1964 und Tarifvertrag in: Materialien zur Vermögensbildung in 41 Arbeitnehmerhand. Thesen, Pläne, Gesetze. 1946-1965, Bonn 1965, S. 132 f., 158 f. 42 270 Günter Buchstab 1 kraten in der Vermögenspolitik kann aber nur bedingt die Rede sein. Die SPD 2 und die Gewerkschaften verhielten sich nämlich vermögenspolitischen For- 3 derungen gegenüber anfangs distanziert bis ablehnend. Sie nahmen dann nur 4 auf, was seit Anfang der 50er Jahre in den Reihen von CDU und CSU diskutiert 5 und in Gang gesetzt worden war. Leber stützte sich auf die vermögenspoliti- 6 schen Pläne, die der Arbeitnehmerflügel der CDA insbesondere seit 1957/58 7 verfolgte, namentlich auf den Gesetzentwurf eines Zweiten Vermögensbil- 8 dungsgesetzes, den Arbeitsminister Theodor Blank (CDU) am 7. Dezember 9 1964 in den Bundestag eingebracht hatte.3 Die Forschung hat deshalb auch 10 die CDU als die Partei der Vermögenspolitik bezeichnet.4 11 In historischer Perspektive kann die Initiative Schröders, der »den Gedanken 12 der Teilhabe und der Beteiligung der Menschen im Mittelpunkt eines umfas- 13 senden, sozialdemokratischen Modernisierungskonzepts« versteht, nur einen 14 geringen Neuigkeitswert beanspruchen. Es gab in den ersten beiden Jahrzehn- 15 ten der Bundesrepublik intensive Diskussionen um die als ungerecht empfun- 16 dene Einkommens- und Vermögensverteilung. Ihren vorläufigen Höhepunkt 17 erreichte diese Debatte in den späten 60er und frühen 70er Jahren. 1970 – 18 genau dreißig Jahre vor Schröders Ankündigung eines »umfassenden, sozial- 19 demokratischen Modernisierungskonzepts« – legte sich die CDU/CSU-Bun- 20 destagsfraktion in einem Gesetzentwurf auf den Investivlohn fest, während 21 die damaligen Regierungsparteien, SPD und FDP, mehrheitlich die über- 22 betriebliche Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer favorisierten. Der Unions- 23 entwurf, der unter dem Namen »Burgbacher-Plan« in die Geschichte ein- 24 gegangen ist, reihte sich in eine kontinuierliche vermögenspolitische Gesetz- 25 gebung ein, die mit Fug und Recht als eine Schöpfung der Union gewürdigt 26 worden ist. Zwar verlor die vermögenspolitische Initiative der Union im Ge- 27 folge der Energie- und Wirtschaftskrise von 1974 und den daraus resultieren- 28 den Sparzwängen an Reiz und Schwung, doch knüpfte sie nach der Regie- 29 rungsübernahme 1982 an ihre früheren Konzepte wieder an. Die Förderung 30 der Vermögensbildung wurde auf den Erwerb von Unternehmensbeteiligun- 31 gen konzentriert. Erfolge, auch bei der Privatisierung, blieben nicht aus. Doch 32 stockten weitere Reformen im Gestrüpp der innerparteilichen Gegensätze, die 33 auch schon in den 50er und 60er Jahren eine zielklare Politik durch den Zwang 34 zum Kompromiss verwässert hatten. Zudem konnte die Schwäche einer Ver- 35 mögenspolitik, die nicht mit der allgemeinen Steuer- und Sozialpolitik sinnvoll 36 abzustimmen war, nicht beseitigt werden. 37 38 39 40 3 Bundestagsdrucksache IV/2814. 4 Vgl. auch zum Folgenden Yorck DIETRICH, Eigentum für jeden. Die vermögenspoliti- 41 schen Initiativen der CDU und die Gesetzgebung 1950–1961 (Forschungen und Quellen zur 42 Zeitgeschichte Bd. 29), Düsseldorf 1996. Der Burgbacher-Plan von 1969 271 Diese Widersprüche lassen sich historisch auf zwei Wurzeln zurückführen. 1 Bereits die katholische Soziallehre des 19. Jahrhunderts und die sogenannte 2 bürgerliche Sozialreform hatten großen Wert auf die Eigentumsbildung breiter 3 Bevölkerungsschichten gelegt. Die katholische Soziallehre sah darin den Weg, 4 die sozialen Spannungen und den Gegensatz zwischen Arbeit und Kapital zu 5 überwinden. Die sozialreformerischen Bestrebungen bürgerlicher Herkunft wa- 6 ren weniger zielgerichtet, doch gingen ihre Überlegungen in das Denken der 7 Ordoliberalen ein, die für die Wirtschaftspolitik der 50er Jahre prägend wurden. 8 Innerhalb der CDU waren es vor allem die Sozialausschüsse, die sich seit 9 1945 mit der Forderung nach einem »Miteigentum« profilierten und diese 10 1953 in das Hamburger Wahlprogramm einbringen konnten. Akuter Anlass 11 war, dass die Entwicklung der Vermögenskonzentration nach der Währungs- 12 reform und die Verteilung der Vermögenszuwächse im Wiederaufbau als ein 13 »Skandal« empfunden wurde, »der nach Abhilfe schreit«. Nach der Lösung 14 der dringendsten sozialen Probleme schien die Zeit gekommen, diese unglei- 15 che Verteilung des Vermögens zu korrigieren. 16 Die Vorstellungen der Sozialausschüsse gingen dahin, ohne Eingriffe in die 17 bestehende Vermögens- und Eigentumsstruktur mit Hilfe der Gesetzgebung 18 und der Tarifpolitik die Einkommens- und Vermögensverteilung zu ändern 19 und die Arbeitnehmer am Kapital der Unternehmen zu beteiligen. Die Forde- 20 rungen der Sozialausschüsse nach einem »Miteigentum«, d.h. einer einzelbe- 21 trieblichen Beteiligung der Arbeitnehmer, für die auch ein entsprechender Ge- 22 setzentwurf vorgelegt wurde, trafen allerdings auf den heftigen Widerstand 23 der Mittelständler und des Wirtschaftsflügels der Union sowie der Liberalen, 24 an ihrer Spitze Ludwig Erhard. Die Unternehmervertreter bekämpften die 25 Pläne als dirigistische Eingriffe in die Wirtschafts- und Sozialordnung und 26 befürworteten stattdessen die Förderung freiwilliger Sparneigung und den Ver- 27 zicht auf einen Ausbau der »kollektiven« Vorsorge. Trotz solcher Einwände 28 gab es im Grundsatz durchaus Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Lagern. 29 Die gegenseitige Blockade brach auf, als die Wirtschaftsvertreter in der CDU 30 auf ihrem Frankfurter Wirtschaftstag 1957 ein vermögenspolitisches Pro- 31 gramm verabschiedeten, das die Liberalisierung des Kapitalmarkts und die Be- 32 endigung der steuerlichen Diskriminierung der Aktie vorsah. 1958 wandte sich 33 die CDA ihrerseits von der traditionellen Forderung nach »Miteigentum« ab 34 und favorisierte die Konzeption des Investivlohns. 35 Die nun einsetzende Diskussion mündete in der dritten Legislaturperiode un- 36 ter Finanzminister Franz Etzel in ein Gesetzgebungsprogramm zur Sparförde- 37 rung, das zum Sparprämiengesetz und zur heute in §19a des Einkommensteu- 38 ergesetzes enthaltenen Regelung zur Begünstigung von Belegschaftsaktien 39 führte. Diese Regelung ging auf die Initiative des Arbeitnehmerflügels der CDU 40 zurück. 1959 kam es zur ersten Ausgabe sogenannter Volksaktien bei der Pri- 41 vatisierung der Preussag und 1961 bei der Privatisierung des Volkswagenwerks. 42 272 Günter Buchstab 1 Ein wichtiger Schritt folgte 1961 mit dem Vermögensbildungsgesetz, wie- 2 derum auf Initiative des Arbeitnehmerflügels der Union. Den Höhepunkt der 3 Gesetzgebung bildete aber das Jahr 1965: Von nun an wurden vermögens- 4 wirksame Leistungen auch dann gefördert, wenn sie in Tarifverträgen verein- 5 bart waren. Den entscheidenden Anteil an dieser vermögenspolitischen Ge- 6 setzgebung hatten die CDU/CSU-Bundestagsfraktion und hier insbesondere 7 die Ausschuss- und Arbeitskreisvorsitzenden. 8 Zu ihnen zählte an vorderster Stelle Fritz Burgbacher, seit 1957 Mitglied 9 des Bundestages.5 Am 1. September 1900 geboren, wäre er jetzt hundert Jahre 10 alt geworden. Er starb am 29. Juli 1978 in Köln. In Nachrufen wurde er »von

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