KUnstlerische Beziehungen zwischen Kassel und Berlin im ZeitaIter des KIassizismus Zum Briefwechsel mschen Johann Conrad Bromeis und Christian Daniel Rauch Rolf Bidlingmaier In der Epocbe der Restauration zeicbnet sich eine verstarkte Bautatigkeit in der hofiscben Baukunst ab, die die 1803/06 und 1815 geschafTenen politischen Zustande widerspiegelt und akzentuiert '. Besonders deutlich wird dies am sy­ stematischen Ausbau der Residenzstadte im klassizistiscben Stil, der bereits in der napoleoniscben Ata begann und meist mit dem Namen eines federfUhren­ den Architekten eng verbunden ist: So Karlsruhe mit Friedricb Weinbrenner, Miinchen mit Leo von Klenze, Darmstadt mit Georg Moller, Stuttgart mit Nikolaus Friedrich Thouret, Wiesbaden mit Christian Zais, Berlin mit Karl Friedrich Schinkel und Hannover mit Georg Ludwig Friedrich Laves. Die Neugestaltung, der Umbau der Residenzstadt sollte mit dazu beitragen, den neugeschafTenen, konfessionell, politisch und kulturell beterogenen Staaten einen Mittelpunkt, ein Zentrum zu geben und das Zusammengehorigkeitsge­ fUhl zu starken; neben den friihkonstitutionellen Verfassungen und Verwal­ tungsreformen dienten Arcbitektur und Stadtebau hier als Mittel, ein neues Staatsbewu6tsein zu forcieren. In Hessen-Kassel, das 1803 zum Kurftirstentum erboben word en war und nacb voriibergehender Eingliederung in das Konigreich Westfalen 1813 wieder seine Selbstandigkeit erlangt hatte, lagen die Verhaltnisse etwas anders', da sich zum einen die Gebietserweiterungen mit Teilen des Erzstifts Mainz und des Fiirstbistums Fulda in engen Grenzen hielten und zum anderen die Ent­ wicklung der Residenzstadt Kassel zu einer gr06ziigigen, modernen Stadt be­ reits im 18. Jahrhundert mit der Anlage von Karlsaue und Oberneustadt, Friedrichsplatz und Konigsplatz vorweggenommen wurde '. In den Jahren nach den Befreiungskriegen lebte die Scbl06bautatigkeit in Deutschland allenthalben wieder auf, eine sichtbare Manifestation des neuen Selbstbewu6tseins und des Machtanspruchs der nun de facto ganz souveriin gewordenen Fursten '. In Kassel ergab sich ein ein solcher Bedarf durch den Brand des alten Landgrafenschlosses in einer Novembernacbt 1811. KurfUrst Wilhelm I. lie6 bald nach seiner Riickkehr 1813 einen riesigen Neubau, die Chattenburg, nach Planen von Oberbaudirektor Heinrich Cbristoph Jussow ') beginnen, der beim Tode des Kurftirsten 1821 lediglich bis auf Erdgesch06- hohe gedieben war. Der Nacbfolger, Kurftirst Wilhelm H., stellte den Bau bei seine m Regierungsantritt sofort ein, teils sicher aus dem Gegensatz Zll seine m Vater heraus, teils weil er wohl die Unmoglichkeit der Finanzierung des Pro­ jekts neben seinen eigenen Planen erkannte und sich die Stande vom Leib ha/­ ten wollte ' . Kurftirst Wilbelm H. (1777-1847)' war ein gutmiitiger, dabei aber oftjahzor­ niger und zur Willkiir neigender Furst, der unter dem Einflu6 seiner Matresse !O5 Emilie OrtIopp, Griitin von Reichenbach stand. Al s Personlichkeit ungleich schwacher als sein Vater, mit der Familie zerstritten UDd zur Verschwendung neigend, setzte er in Kassel das spiitabsolutistische, antikonstitutionelle Regi­ ment seines Vaters fort, doch war seine zehnj ii hrige Regierungszeit 1821- 1831 eine Periode der Stagnation und MiBwirtschaft im politischen, wirtschaftIi­ chen und tinanziell en Sektor, die nur an drei Stell en positive Spuren aufzuwei­ sen hatte: Zum einen war der Kurftirst der Initiator der Verwaltungsreform von 1821, die in ihren Grundziigen Bestand hatte bis zur preuBischen Annek­ ti on 1866 ; zum anderen leitete di e Berufung von Louis Spohr zum HofK apell­ meister eine Bliitezeit des Kasseler Hoftheaters ein, und zum dritten entfaltete der Kurftirst durch seine Bauleidenschaft die umfa ngreichste hoti sche Bautii­ tigkeit, di e Hessen-Kassel im 19. Jahrhundert erl ebte. Als Hauptwerk di eser Epoche muB das Residenzpalais in Kassel angesehen werden, dessen Ausbau der Kurftirst seit seinem Regierungsantritt 1821 mit al­ Ien Mitteln betrieb. Das 1767-1771 von Simon Loui s du Ry erbaute und 1772 vo n den hessischen Landstiinden erworbene WeiBe Palais am Friedrichsplatz ilberli eBen di ese oach der Wiederherstellung des Kurstaates dem Kurprinzen als Logis, der es 1815- 1819 durch seinen Architekten Johann Conrad Bromeis dem Zeitgeschmack entsprechend im Empirestil vo llig neu ausstatten li eB. Pa­ rall el dazu fertigte er Entwiirfe zur Erweiterung des Palais durch einen Saalan­ bau und Stallgebii ude, di e 1816-1821 verwirklicht wurden. Da Kurftirst Wil­ helm n. bei Regierungsantritt das WeiBe Palais zur stiindigen Residenz ma­ chen wollte, geniigten di ese Anbauten nicht mehr : 1821-1830 entstand wieder­ urn nach Bromeis' Planen das Rote Palais, das zusa mmen mit dem WeWen Pa­ lais als Residenzpalais eine standesgemaBe Absteige flir den Kurftirsten in Kassel bildete und im Innem kostbar ausgestattet wurde'). * * * Johann Conrad Bromeis (1 788-1855) 10, der vo n Kurftirst Wilhelm 11. bevor­ zugte Architekt und der eine Partner des hi er edierten Briefwechseis, di ente nach dem Studium der Architektur an der Kasseler Akademie der bildenden Kiinste unter Heinrich Christoph Jussow von 1807 bis 18B beim praktischen Bauwesen des Konigreichs Westfalen ; 1810 wurde er zum Bauinspektor der Gebiiude auf Wilhelmshohe bestellt. Nach dem Ende des westfalischen Zwi­ schenspiels und der Wiederherstellung des Kurftirstentums erhielt Bromeis 1814 eine Berufung zum Lehrer ftir Baukunst an der Kasseler Akademie. Be­ reits kurz nach der Riickkehr der kurftirstIichen Familie muB sich Bromeis das besondere Vertrauen des Kurprinzen erworben haben, denn dieser beauftrag­ te ihn mit der Umgestaltung und der Erweiterung des WeiBen Palais. 1817 avancierte Bromeis zum Landbaumeister in Kassel. Mit dem Regierungsan­ tritt vo n Kurftirst Wilhelm 11. wurde Bromeis im Juni 1821 zum Hofbaumeister und im Dezember desselben Jahres zum Oberhofb aumeister bemrdert. In den folgenden zehn Jahren entfaltete er auf dem Gebiet des Hofbauwesens in en­ gem Zu sammenwirken mit dem KurfLirsten eine rege Tatigkeit, di e sich schwerpunktmiiBig auf Kassel und Wilhelmshohe konzentrierte. In Kassel entst. nden n.ch seinen Pl iinen d.s Residenzpalais, das Hofverwaltungsge­ baude und di e Artilleriekaseme, .uBerdem wurden das Opemh. us und das Palais Reichenbach umgestaltet und erweitert. AufWilhelmshohe errichtete 106 Bromeis in rascher Folge das GroBe Pflanzenhaus, den Marstall, das Gasthaus und das Wachthaus ; der Hauptbau des Schlosses erhielt eine ganz neue Aus­ stattung, und das Theater wurde in ein Ballhaus verwandelt. Gleichzeitig wichen die Zwischengalerien am SchloB massiven Verbindungsflugeln, die dem SchloB heute einen monumentalen, festungsartigen Charakter verleihen. Die kurfUrstlichen Schliisser Fulda, Fasanerie, Hanau und Philippsruhe wur­ den in jenen lahren roit klassizistischen Innenausstattungen versehen, UDd in Beberbeck errichtete Bromeis aufWunsch des KurfUrsten eine komplett neue Gestutsanlage. Bromeis' Aufgaben vermehrten sich noch, als er im August 1825 als Nachfolger lussows lOm Direktorder Architekturabteilung der Kasse­ ler Akademie avancierte und im luni 1830 Hofbaudirektion und Oberbaudi­ rektion zusammengeiegt wurden: Bromeis war nun der Leiter des gesamten Bauwesens im Kurftirstentum Hessen-Kassel und stand auf dem Hohepunkt seiner Karriere. Mit der Ernennung des Kurprinzen Friedrich Wilhelm zum Mitregenten im September 1831 geriet Bromeis' Stern ins Sinken. Er blieb zwar Oberbaudirek­ tor, wurde aber vom Hofbauwesen entbunden. Seine Tiitigkeit beschrankte si ch in den beiden lahrzehnten bis zu seiner Pensionierung 1853 hauptsachlich auf Verwaltungsarbeiten, die nur gelegentlich von Planungsaufgaben unter­ brochen wurden. Seine Entwurfe lOm Standehaus, lOr Synagoge, lOm Aus­ bau der Chattenburg und lOr Gewerbeschule in Kassel blieben auf dem Papier ; lediglich in Hofgeismar entstand lo Beginn der vierziger lahre eine Kavalleriekaserne mil Garnisonslazarett oach seinen PHinen. Seit JUDgeD lahren vertrat Bromeis - von einigen neugotischen EntwUrfen einmal abgesehen - einen nilchternen Klassizismus, der Mitte der dreiBiger lahre durch Formen der italienischen Renaissance und einen zeittypischen Rundbogenstil abgelost wurde. Im Gegensatz lo den oft recht schlichten Fas­ saden slehen die reichen Innenriiume im Empirestil. Bromeis erweist sich hier als Meister subtiler Innendekorationen, die in ihrer Eleganz uDd Feinheit zum Besten gehoren, was injenen lahren an Interieurs aufdeutschem Boden ent­ stand. Entscheidend beeinfluBt wurde Bromeis dUTch zwei Kunstzentren, in deren Ausstrahlungsbereich Kassel in dieser Epoche lag : Paris und Berlin. Die Beziehungen nach Paris waren vor all em 1807 bis 18I3 sehr ausgepragt, als Kassel die Hauptstadt des Konigreichs Westfalen bildete ". Konig ler6me war ja der Bruder Napoleons I. und brachte seinen premier architecfe Auguste Victoire Henri Grandjean de Montigny J2 aus Paris mit, urn durch die bewuBte Verwendung des Empire den durch die Konstituierung des Konigreichs West­ falen propagieTlen Bruch mit der Vergangenheit auch arcbitektonisch zu do­ kumentieren. Neben den person lichen Kontakten mit Grandjean und dem da­ mals in Kassel tatigen Leo von Klenze IJ ubte der von den Schopfern des Empi­ restils, Charles Percier und Pierre Fran~ois Leonard Fontaine herausgegebene "Recueil de decorations interieures" einen groGen EinfluB auf die Aneignung des Empirestils durch Bromeis aus, was spat er vor allem an seinen Innendeko­ rationen sichtbar wird 1... Nach der franzosischen Niederlage begann sich der Kasseler Hafmehr und
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