SWR2 Oper Gaetano Donizetti: „Roberto Devereux“ Sendung: Sonntag, 13. Dezember 2020, 20.03 Uhr Redaktion: Bernd Künzig SWR2 können Sie auch im SWR2 Webradio unter www.SWR2.de und auf Mobilgeräten in der SWR2 App oder als Podcast hören: Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Die SWR2 App für Android und iOS Hören Sie das SWR2 Programm, wann und wo Sie wollen. Jederzeit live oder zeitversetzt, online oder offline. Alle Sendung stehen mindestens sieben Tage lang zum Nachhören bereit. Nutzen Sie die neuen Funktionen der SWR2 App: abonnieren, offline hören, stöbern, meistgehört, Themenbereiche, Empfehlungen, Entdeckungen … Kostenlos herunterladen: www.swr2.de/app 2 „Roberto Devereux“ heißt die dritte und letzte der historischen Opern des italienischen Komponisten Gaetano Donizetti, in der er sich mit dem Schicksal des englischen Herrschergeschlechts der Tudors befasste. Nach Heinrich VIII. im „Erstling“ der „Anna Bolena“ steht in dieser Oper als Herrscherfigur seine Tochter Elisabeth I. im Zentrum. Sie war schon eine entscheidende Figur in der Oper „Maria Stuarda“, aber dort in der Konfrontation mit der Titelfigur: ein Wettstreit zweier Operndiven. Hier nun, im „Roberto Devereux“, ist die englische Regentin, die jungfräuliche Königin, das Epizentrum der ganzen Handlung und eine Partie, die auch heute noch eine Primadonna Assoluta erfordert. In unserer heutigen Aufnahme wird Edita Gruberova diese Rolle übernehmen. 1837 wird die Oper in Neapel uraufgeführt. Ein großer Erfolg für den Komponisten, der allerdings nicht über die schwierigen Lebensumstände Donizettis hinwegtäuschen soll, in der sie entstanden ist. In der Tat befand er sich in einer schweren Lebenskrise. Im Jahr zuvor waren seine Eltern gestorben. Seine Frau Virginia erlitt eine Totgeburt und auch das danach auf die Welt kommende Kind starb bei der Geburt. Und ihm folgte dann auch noch seine Frau selbst mit nur 28 Jahren. Wir wollen nicht zynisch erscheinen: vielleicht ist aber Donizetti gerade in dieser Krise seine vielleicht größte Operntragödie gelungen, die nicht mit dem Tod der Protagonistin endet, sondern in Verzweiflung und Untergang. Es geht um die letzte große Liebe Elisabeths zu Robert Devereux, dem Earl of Essex, die in Verrat und Untreue und seiner Hinrichtung enden wird. Die Königin stürzt sie in tiefe Bitterkeit, aus der heraus sie beschließt, für immer die jungfräuliche Königin zu bleiben. Mit ihr stirbt schließlich auch das Geschlecht der Tudors auf dem englischen Königsthron aus. Zum Verständnis der Opernhandlung ist die historische Vorgeschichte wichtig. Robert Devereux wurde als Günstling der Königin als Statthalter in das rebellische Irland geschickt. Dort hat er mit den Aufständischen auf eigene Faust, ohne Billigung der Königin und ihrer Berater, einen Waffenstillstand geschlossen. Deshalb wird er zurückbeordert und wartet nach einem erneuten Aufstandsversuch der Iren auf seinen Prozess wegen Hochverrats in London. Soweit die Vorgeschichte und Rahmenbedingungen. Im ersten Akt befinden wir uns am Hof in Westminster. Sara, die Hofdame der Königin und Gattin des Herzogs von Nottingham, ist schwer gerührt und kann sich ihrer Tränen nicht erwehren. Gerade hat sie die Geschichte der Fair Rosamond Clifford, der Geliebten von König Heinrich II. vorgetragen und in deren traurigem Schicksal ihr eigenes wiedergespiegelt gefunden. Sie ist nämlich in Robert Devereux verliebt, der auch noch der beste Freund ihres Gatten ist. Die hinzukommende Königin erklärt, dass sie Robert eine Audienz gewähren wird und versuchen will, ihn von der Anklage zu befreien, wenn sie sich seiner Treue versichern kann. Denn auch sie ist ihn verliebt und nur diese Liebe würde sie überhaupt noch am Leben halten, wie sie völlig ahnungslos ihrer Rivalin um die Gunst Roberts erklärt. Deshalb hat sie sich auch bislang geweigert, das ihr vom Rat vorgelegte Todesurteil zu unterzeichnen. Es waren ja Zeiten, in denen man rasch seinen Kopf verlieren konnte. In ihrer Audienz versichert sie Robert, dass der Ring, den sie ihm einst geschenkt hat, das Pfand seiner Sicherheit ist. Die Königin träumt sich in die längst verflossenen Tage ihrer Liebesbeziehung zurück. Und Robert ist ungeschickt: er reagiert leichtfertig, weil er glaubt, die Königin kenne sein Verhältnis zu Sara. Da erkennt sie, dass sie sich nur seiner Treue, nicht aber seiner Liebe versichern kann. Voll Zorn stürzt sie davon, um das Todesurteil zu unterzeichnen. Der nichtsahnende Nottingham kommt jetzt hinzu, hocherfreut seinen besten Freund nach seiner Rückkehr umarmen zu können und erkennt dessen Verzweiflung. Nottingham berichtet ihm von seinen eigenen Sorgen: seine Frau Sara sei ohne erkennbaren Grund schwermütig. Sie sei neulich über einem von ihr selbst gestrickten blauen Schal zusammengebrochen. Der zurückgebliebene Robert gerät nun in noch größere Verzweiflung. Im zweiten Bild schleicht sich Robert in die Gemächer Saras. Er wirft ihr Untreue vor. Doch Sara erklärt ihm, dass Elisabeth sie gezwungen habe, Nottingham zu heiraten. Er hingegen 2 3 würde ja immer noch den Ring tragen, den ihm die Königin geschenkt hat. Robert streift ihn ab und wirft ihn auf den Tisch als Beweis seiner Liebe zu Sara. Sie gibt ihm darauf ihren blauen Schal als Liebespfand. Aufgrund seiner aussichtslosen Lage beschließt er zu fliehen. Es folgt der erste Akt aus Gaetano Donizettis „Roberto Devereux“ mit: Elisabeth, Königin von England: Edita Gruberova Herzog von Nottingham: Ettore Kim Sarah, Herzogin von Nottingham: Delores Ziegler Robert Devereux, Graf von Essex: Don Bernardi Es singt der Chor der Opéra du Rhin. Das Orchestre Philharmonique de Strasbourg spielt unter der Leitung von Friedrich Haider. Musik: Gaetano Donizetti: „Roberto Devereux“, 1. Akt (62:22) Im SWR2 Opernabend heute „Roberto Devereux“ von Gaetano Donizetti, dem letzten Teil seiner Trilogie über das englische Herrschergeschlecht der Tudors und Elisabeth I. Trotz der schwierigen Entstehungsumstände zählt die Oper zu den gelungensten Schöpfungen Donizettis. Jedenfalls ist sie ein Musterbeispiel für sein Verständnis einer historischen Oper. Wie viele seiner Zeitgenossen war auch er von den romantischen Strömungen seiner Zeit fasziniert. In Italien spielte dabei die englische Romantik eine zentrale Rolle. Gespensterhaftes in Schlössern und nächtliches Geschehen war auch dort beliebt. Ein Musterbeispiel für diese Tendenz ist Donizettis zurückliegende Oper „Lucia di Lammermoor“. Sie beruht auf einem romantischen Roman Walter Scotts. In der Musik überwiegt denn auch Stimmungshaftes. Klanglich werden Naturstimmungen heraufbeschworen. Der Wind heult, der Regen rauscht und das Gewitter kracht herein. Äußere Stimmungen werden zur Wiederspiegelung des inneren seelische Geschehens und der Wahnsinn gehört geradezu zum Normalfall der in extreme Höhen getriebener Stimmlagen. Davon unterscheidet sich das historische Tableau des „Roberto Devereux“ nun grundlegend. Hier gibt es diese äußeren Stimmungslagen nicht. Alles ist hier auf das historische Geschehen konzentriert, aus dem die emotionalen Konflikte erwachsen. Auf die Einflüsse der englischen Romantik geht schlussendlich das historische Geschehen zurück. Wie die zeitnahe große Oper, für die Gioachino Rossini mit seiner Schiller-Vertonung des „Guillaume Tell“ einen wichtigen Grundstein legte, gelingt es auch Donizetti in seinen historischen Sujets Tableaus, also geschlossene Bilder zu entwerfen, mit denen die bislang übliche Abfolge musikalischer Nummern, verbunden durch Rezitative, aufgelöst werden kann. Hier sind es schon geschlossene Abläufe, die in Richtung des Musikdramas zielen. Also eines Ablaufs, der das Sprechtheater in die Oper überführt. Und so basiert der „Roberto Devereux“ auch auf heute wahrscheinlich zu Recht vergessenen französischen Theaterstücken. 1829 war ein Stück um Elisabeth und den Earl of Essex aus der Feder eines gewissen Jacques Arsène Francois Polycarpe Ancelot erschienen. Der Name ist so lang wie heute belanglos. Vorausgegangen war dem im Jahr 1787 eine Tragödie von Jacques Lescène. Entscheidend ist, dass der italienische, literarisch sehr begabte Autor Felice Romani aus diesem Stoff ein Opernlibretto formte. Allerdings nicht für Donizetti, sondern für Saverio Mercadante im Jahr 1833. Für Donizetti hatte Romani wiederum die wichtigsten Libretti geschrieben, so auch für den ersten Teil seiner Tudor-Trilogie „Anna Bolena“. Zum Zeitpunkt des „Roberto Devereux“, also 1837, hatte sich Romani aus dem Librettogeschäft zurückgezogen. Der Vielbeschäftigte war damals mit der Herausgabe einer Literaturzeitschrift befasst. Den Text für Donizettis Oper verfasste deshalb Salvatore Cammarano, der auch ein von Verdi häufig engagierter Librettist werden sollte. Wahrscheinlich nicht zu Unrecht hatte sich Cammarano an Romanis Libretto für Mercadante orientiert. Allerdings so stark, dass ihm das sogar Plagiatsvorwürfe 3 4 einbrachte. Jedenfalls bewährt sich die architektonische Geschlossenheit der Szenen ganz wunderbar für den kompositorischen Einfallsreichtum Donizettis.
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