Bundestags-Drucksache 15/473

Bundestags-Drucksache 15/473

Deutscher Bundestag Drucksache 15/473 15. Wahlperiode 19. 02. 2003 Gesetzentwurf der Abgeordneten Jörg van Essen, Rainer Funke, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Otto Fricke, Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz Guttmacher, Dr. Christel Happach-Kasan, Klaus Haupt, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel, Gisela Piltz, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Jürgen Türk, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer „Magnus-Hirschfeld-Stiftung“ A. Problem Homosexuelle waren im Nationalsozialismus schweren Verfolgungen ausge- setzt. Bei den Verfolgungsmaßnahmen handelte sich um typisches nationalsozialisti- sches Unrecht. Zur nationalsozialistischen Homosexuellen-Verfolgung zählte auch die Zerschlagung der schwulen und lesbischen Infrastruktur, für die es bislang keinen Ausgleich gab. B. Lösung Der Entwurf schlägt die Errichtung einer „Magnus-Hirschfeld-Stiftung“ vor und greift damit eine Initiative aus der 14. Wahlperiode auf. Dadurch soll im Sinne eines kollektiven Ausgleichs das von den Nationalsozia- listen an den Homosexuellen verübte Unrecht anerkannt und die homosexuelle Bürger- und Menschenrechtsarbeit gefördert werden. Der Entwurf sieht vor, die „Magnus-Hirschfeld-Stiftung“ als bundesunmittelbare rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts mit Sitz in Berlin zu errichten. Die Stiftung soll nach dem Berliner Arzt und Sexualwissenschaftler Dr. Magnus Hirschfeld (1868 bis 1935) benannt werden, der neben seiner wissenschaft- lichen Tätigkeit auch als Streiter für die Rechte der Homosexuellen hervorgetre- ten ist. Zweck der Stiftung soll es sein, homosexuelles Leben im Gebiet der Bundes- republik Deutschland wissenschaftlich zu erforschen und darzustellen, die na- tionalsozialistische Verfolgung Homosexueller in Erinnerung zu halten, durch Öffentlichkeitsarbeit einer gesellschaftlichen Diskriminierung homosexueller Männer und Frauen in Deutschland entgegenzuwirken, Bürgerrechtsarbeit zu fördern, Menschenrechtsarbeit im Ausland zu unterstützen sowie das Gedenken an Leben und Werk Magnus Hirschfelds zu pflegen. Drucksache 15/473 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode C. Alternativen Keine D. Kosten der öffentlichen Haushalte Durch das Gesetz wird der Bundeshaushalt in den Jahren 2004 bis 2007 mit je- weils 3,75 Mio. Euro belastet. E. Sonstige Kosten Keine. Auswirkungen des Gesetzentwurfs auf die Einzelpreise und auf das Preisniveau sind nicht zu erwarten. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/473 Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer „Magnus-Hirschfeld-Stiftung“ Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen: 3. der Fachverband Homosexualität und Geschichte e. V. ein Mitglied, § 1 4. die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e. V. ein Mitglied, Errichtung und Sitz 5. der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (1) Unter dem Namen „Magnus-Hirschfeld-Stiftung“ e. V. ein Mitglied, wird eine rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts er- richtet. Die Stiftung entsteht mit dem Inkrafttreten dieses 6. die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Gesetzes. Kirche e. V. ein Mitglied, 7. der Lesbenring e. V. ein Mitglied, (2) Der Sitz der Stiftung ist Berlin. 8. der Bundesverband der Eltern, Freunde und Angehöri- § 2 gen von Homosexuellen e. V. ein Mitglied, Stiftungszweck 9. die International Gay and Lesbian Association (ILGA) Zweck der Stiftung ist es, homosexuelles Leben im Europe ein Mitglied, Gebiet der Bundesrepublik Deutschland wissenschaftlich zu 10. Deutsche Gesellschaft für sozialwissenschaftliche Se- erforschen und darzustellen, die nationalsozialistische Ver- xualforschung ein Mitglied, folgung Homosexueller in Erinnerung zu halten, durch 11. Jugendnetzwerk Lambda ein Mitglied. Öffentlichkeitsarbeit einer gesellschaftlichen Diskriminie- rung homosexueller Männer und Frauen in Deutschland ent- (2) Die entsendenden Stellen können die von ihnen ent- gegenzuwirken, Bürgerrechtsarbeit zu fördern, Menschen- sandten Mitglieder abberufen und durch neue Mitglieder er- rechtsarbeit im Ausland zu unterstützen sowie das Geden- setzen. ken an Leben und Werk Magnus Hirschfelds zu pflegen. (3) Für jedes Mitglied kann von der entsendenden Stelle in gleicher Weise ein Stellvertreter beziehungsweise eine § 3 Stellvertreterin berufen werden. Teilnahmeberechtigt an den Stiftungsvermögen Kuratoriumssitzungen ist jeweils nur der Kurator oder sein (1) Die Stiftung wird einmalig mit einem Stiftungsver- Stellvertreter. mögen in Höhe von 15 Millionen Euro ausgestattet. (4) Das Kuratorium kann abweichend von der Vorschrift (2) Das Stiftungsvermögen wird vom Bund in vier Teil- des Absatzes 1 mit einer Mehrheit von vier Fünfteln seiner beträgen von 3,75 Millionen Euro pro Jahr ab 2004 einge- Mitglieder einer der in Absatz 1 Nr. 3 bis 11 genannten Or- bracht. ganisationen das Entsenderecht auf Dauer aberkennen. In diesem Fall verliert das von diesen Organisationen ent- (3) Die Stiftung ist berechtigt, Zuwendungen von dritter sandte Mitglied seinen Sitz im Kuratorium, eine Nachbeset- Seite anzunehmen. zung findet nicht statt. Diese Vorschrift findet entspre- (4) Im Jahre 2004 können bis zu 3 vom Hundert des Stif- chende Anwendung auf nach Absatz 2 bestimmte weitere tungsvermögens gemäß Absatz 1 für laufende Ausgaben Organisationen. verwendet werden. Im Übrigen ist das Stiftungsvermögen (5) Die Entsendung und Abberufung der Mitglieder und zur dauerhaften Erfüllung des Stiftungszwecks zu erhalten. ihrer Stellvertreter ist dem Bundesministerium für Familie, Erträge des Stiftungsvermögens und sonstige Einnahmen Senioren, Frauen und Jugend anzuzeigen. Bei Streitigkeiten sind nur im Sinne des Stiftungszwecks zu verwenden. über die Rechtmäßigkeit einer Entsendung oder Abberufung von Kuratoriumsmitgliedern entscheidet das Ministerium § 4 durch Verwaltungsakt. Hiergegen ist innerhalb eines Mo- Organe der Stiftung nats unmittelbar Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin Organe der Stiftung sind zulässig. Die Klage hat keine aufschiebende Wirkung. § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung findet entspre- 1. das Kuratorium, chende Anwendung. 2. der Geschäftsführer beziehungsweise die Geschäftsfüh- (6) Das Kuratorium wählt mit einer Mehrheit von zwei rerin. Dritteln seiner Mitglieder aus seiner Mitte einen Vorsitzen- Das Kuratorium kann Fachbeiräte berufen. den beziehungsweise eine Vorsitzende sowie einen stellver- tretenden Vorsitzenden beziehungsweise eine stellvertre- § 5 tende Vorsitzende. Die Amtszeit beträgt fünf Jahre. Die Kuratorium Wiederwahl ist zulässig. Eine Abwahl ist mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Kuratoriums möglich. (1) In das Kuratorium entsenden: Scheidet der Vorsitzende beziehungsweise die Vorsitzende 1. die im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen nach § 5 Abs. 2 aus dem Kuratorium aus, verliert er bezie- pro angefangene 150 Mitglieder je ein Mitglied, hungsweise sie den Vorsitz. 2. das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen (7) Das Kuratorium entscheidet in allen Angelegenhei- und Jugend drei Mitglieder, ten, die für die Stiftung und ihre Entwicklung von grund- Drucksache 15/473 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode sätzlicher und besonderer Bedeutung sind. Dazu gehören § 7 insbesondere die Grundzüge der Vergabe der Stiftungsmittel Satzung und der Förderung von Projekten, die Grundsätze der Ver- (1) Die Stiftung gibt sich eine Satzung, die vom Kurato- mögensverwaltung, der Haushaltsplan sowie Personalent- rium mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder scheidungen. Das Kuratorium, kann sich weitere Entschei- beschlossen wird. Änderungen der Satzung bedürfen einer dungen vorbehalten. Es kann Personalentscheidungen auf Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Kuratoriums. den Geschäftsführer bzw. die Geschäftsführerin übertragen. Das Kuratorium überwacht die Tätigkeit des Geschäftsfüh- (2) Die Satzung sowie Änderungen der Satzung bedürfen rers oder der Geschäftsführerin. der Zustimmung durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. (8) Das Kuratorium fasst seine Beschlüsse mit der Mehr- heit seiner Mitglieder, soweit nicht in diesem Gesetz etwas § 8 anderes vorgesehen ist. Abstimmungsberechtigt sind nur Aufsicht, Haushalt, Rechnungsprüfung anwesende Kuratoren beziehungsweise deren Vertreter. Außer in den Fällen, in denen eine Mehrheit von mindestens (1) Die Stiftung untersteht der Rechtsaufsicht des Bun- zwei Dritteln der Mitglieder des Kuratoriums erforderlich desministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. ist, kann eine Beschlussfassung im schriftlichen oder fern- Dieses beruft auch das Kuratorium zu seiner ersten Sitzung schriftlichen Umlaufverfahren erfolgen, sofern nicht min- ein und führt die Geschäfte bis zur ersten Wahl eines Ge- destens ein Viertel der Kuratoriumsmitglieder widerspre- schäftsführers beziehungsweise einer Geschäftsführerin. chen, und sich mindestens zwei Drittel der Mitglieder an der (2) Die Stiftung hat rechtzeitig vor Beginn eines jeden Abstimmung beteiligen. Geschäftsjahres einen Haushaltsplan aufzustellen. Der (9) Die Mitglieder des Kuratoriums sind ehrenamtlich tä- Haushaltsplan bedarf der Genehmigung des Bundesministe- tig. Die Erstattung von Reisekosten und sonstigen Auslagen riums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. richtet sich nach Maßgabe der Richtlinien des Bundes für (3) Für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen so- die Abfindung der Mitglieder von Beiräten, Ausschüssen, wie für

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