Die London Docklands

Die London Docklands

https://doi.org/10.1007/BF03183162 Berichte aus Forschung und Praxis Klaus Zehner Vom maroden Hafen zur glitzernden Nebencity: die London Docklands Eine Bilanz nach drei Jahrzehnten Strukturwandel Prom derelict port towards a thriving new city: London Docklands A conclusion after three decades of urban regeneration Keywords: London Docklands, CanaryWharf, Hafenerneuerung, Stadtische Entwicklungsgesell­ schaften, Sonderwirtschaftszonen Keywords: London Docklands, CanaryWh arf, Waterfrontrevitalisation, Urban development corporations, Enterprise zones Kurzfassung Der Umbau innenstadtnaher Ha.fen zu lukrativen Standorten flir hochwertige Dienstlei­ stungseinrichtungen undWohnungen za.hitzu den bedeutendsten jilngeren Veranderungen in Hafenstadten. Die London Docklands liefern hierflir das europaische Paradebeispiel. Allerdings wurde die Strategie der unter Premierministerin Thatcher in den 1980er und friihen 1990er Jahren vollzogenen Entwicklung der Docks von einem maroden Hafengebiet zu einer postmodernen Edge City nordamerikanischen Zuschnitts damals sehr emotional und kontrovers diskutiert. Ziei dieses Beitrags ist es, losgelost von ideologischen und poli­ tischen Perspektiven die stadtebaulichen, sozialen und wirtschaftlichen Resultate sowie die Strategien der Hafenerneuerung in London einer kritischen Analyse zu unterziehen. Abstract The transformation of farmer doc ks close to citycenters in to profitablelocations for first-class officesand top-quality residences does belong to the most striking changes in contemporary port cities. In this regard London Docklands act as a prime example in Europe. However the development from scruffy docks into a postmodern edge city which has taken place under prime minister Thatcher during the 1980ies and early 1990ies was discussed quite emotionally and controversially at that time. The goal of this paper is to analyse both the urban, economic and social ramificationsand the chosen strategies of the docks regeneration exempt fromideological and political discussions. RuR 3/2008 271 Klaus Zehner: Yom maroden Hafen zur glitzernden Nebencity: die London Docklands 1 Einfiihrung: Strukturwandel Landreserve von ca. 12-20 ha vorhanden sein (Hilling der Hafenwirtschaft und Umbau 1987: 29). Flachen dieser Grofsenordnung standen in ehemaliger Stadthafen den alten Docks aber nicht zur Verftigung. Dort waren Hafenbecken angelegt worden, die durch meist nur Die meisten Seehafen und Hafenstadte in Industrielan­ schmale Kais voneinander getrennt wurden. Auf diesen dern haben in den zuruckliegenden 40 Iahren erheb­ Landzungen standen eng gedrangt Lagerhallen (Schu­ liche funktionale und stadtebauliche Veranderungen bert 2002a: 21), die mit der Einfuhrung des Containers erfahren. Den entscheidendsten Einschnitt stellte die als Transportbehaltnis wertlos geworden waren. Auch Aufgabe der alteren Stadthafen dar, die mittlerweile nach ihrem Abriss waren die Landstreifen zwischen in attraktive Dienstleistungs-, Kultur- und Freizeit­ zwei benachbarten Hafenbecken als Lager- und Dispo­ standorte umgewandelt wurden. Zugleich wurden sitionsflache fur Container viel zu klein gewesen. die stadtferner gelegenen Seehafen mit ihren gro­ Iseren Terminals, Kais und Piers ausgebaut und den Schliefslich war die mangelnde Integration der alten Umschlagsanforderungen der modernen Hafen- und Stadthafen in moderne Logistiksysteme ein Schlie­ Transportlogistik angepasst. Isungsgrund. Ein entscheidender Standortfaktor ftir einen Hafen ist heute, dass ein Weitertransport von Schauplatze des Umbruchs waren zunachst die Containern per Bahn oder Lkw moglich ist, Diesen kleineren Stadthafen mit ihren unmittelbar angren­ Standortfaktor hatten die innenstadtnahen Hafenab­ zenden Amusiervierteln, den sog. sailortoums (Schu­ schnitte in der Regel nicht zu bieten, die flussabwarts bert 2002a: 21). Diese Hafen und ihre Rotlichtbezirke gelegenen Hafenbereiche in der Regel sehr wohl. hatten sich bereits im Zeitalter der Segeischifffahrt als wichtige funktionale Einheiten herausgebildet und Die Auswirkungen der Hafenschliefsungen waren am­ pragten tiber viele Iahrzehnte, mitunter Jahrhunderte, bivalent. Einerseits bedeutete die Stilliegung der al­ das stadtische Leben in diesen Hafenstadten mit. In teren Hafenteile zunachst einen massiven Verlust ha­ den 1960er und 1970er Iahren jedoch neigte sich diese fengebundener Arbeitsplatze, Andererseits eroffnete Periode ihrem Ende zu. Die Hafen wurden aus wirt­ sie aber, zumindest mittel- und langfristig, neue Chan­ schaftlichen Grunden geschlossen und die sailortowns cen fur die Stadtentwicklung. Denn wegen ihrer Nahe verwandelten sich mehr und mehr in gentrifizierte zu den Innenstadten eigneten sich die Hafenbrachen Stadtquartiere. Heute bestimmen Museen, Galerien, bestens als Ciryerganzungsgebiete. Allerdings wurde Bistros und Luxuswohnungen das Bild der Stadte un­ dieses Potenzial von Politikern und Planern erst mit ei­ weit der einstigen Hafen. ner zeitlichen Verzogerung von etwa einem Jahrzehnt erkannt. Diese verzogerte Wahrnehmung ist durchaus Vor allem die seit den 1950er Jahren stetige Vergrofse­ verstandlich, waren doch die Hafen tiber Jahrhunderte rung der Frachtschiffe' hatte die Hafenverwaltungen nur den im Hafen Beschaftigten und wenigen Exter­ vor die wirtschaftliche Entscheidung gestellt, die alteren nen, wie z.B. Spediteuren und Zulieferern, zuganglich Hafenbereiche stillzulegen oder darauf zu drangen, und daher im offentlichen und politischen Bewusst­ dass die Liegeplatze und seewartigen Zufahrten den sein kaum prasent, So erklart es sich, dass sie zunachst zunehmenden GroBen der neuen Schiffsgenerationen zu Verkehrsbrachflachen verkamen, die in vielfaltiger angepasst wurden. Letzteres bedeutete die Ausbagge­ Weise zwischengenutzt wurden. rung von Fahrrinnen, die Schaffung seeschifftiefer Kai­ anlagen und, im FaIle tideunabhangiger Hafenbecken, Erst als mit der Tertiarislerung der stadtischen Wirt­ schaft die Nachfrage nach Biirostandorten in attrak­ die Verbreiterung der Schleusenzufahrten (Harms 2002: tiven Lagen spurbar zunahm und die Festivalisierung 78). Da die Nutzen-Kosten-Relation solcher Investiti­ von Stadten sowie der Stadtetourismus an Bedeutung onen hochst umstritten war, wurde stattdessen haufig gewannen, entwickelten Planer und politische Akteure dem Ausbau sog. Vorhafen (z.B. Tilbury fur London) allmahlich ein Gespur fur den stadtebaulichen Wert der Vorzug gegeben. und die Entwicklungspotenziale, die in den verrotten­ Zudem erforderte die Bedeutungszunahme der Con­ den Hafenarealen schlummerten. Nun setzte aIlerdings tainerschifffahrt ab Ende der 1960er Jahre erhebliche vehement eine Entwicklung ein, die im Planungsjargon Investitionen in neue Transporttechnologien und in als "waterfront regeneration" oder "waterfront revi­ die Hafenlogistik. Die alteren Hafen eigneten sich auf­ talisation" bezeichnet wird (vgl. u. a. Schubert 2002a; grund ihrer Physiognomie fur derartige Anpassungen Bruttomesso 1993; Hoyle/Pinder 1992; Priebs 1992). nicht, da ein Containerumschlag stets grofsere Flachen Gemeint ist damit die Umwidmung und Aufwertung fur die Lagerung und Sortierung von Containern er­ innenstadtnaher Hafen- und Uferzonen zu neuen fordert. So musste bereits Mitte der 1980er Jahre fur Quartieren am Wasser, mit Museen, Yachthafen, Re­ die Be- bzw. Entladung eines Containerschiffs eine staurants, Bures und Luxuswohnungen in umgebauten 272 RuR3/2008 Klaus Zehner: Yom maroden Hafen zur glitzernden Nebencity: die London Docklands Kontoren oder spektakularen neuen Hochhausern, 2 Riickblick: Vom Welthafen zur Hafenbrache Durch die Mischung neuer Nutzungen und Funktionen Durch den Seehandel mit den Kolonien wie auch die unter Beibehalt des maritimen Ambientes entstanden zahlreichen Kohleschiffe und Kanalboote hatte der attraktive Stadtteile unweit der alten Cities (vgl. Schu­ Schiffsverkehr auf der Themse im 18. Jahrhundert so bert 2002a: 16). In Nordamerika begann dieser Wandel stark zugenommen, dass der Londoner Hafen dringend bereits in den 1970er Iahren, wahrend in Europa erst erweitert werden musste (Entmayr 1977: 17). Da die An­ mit Beginn der 1980er Jahre die Umwidmung einstiger legeplatze zwischen Tower und London Bridge und auf Hafenareale als eine zentrale Herausforderung der dem gegentiberliegenden Ufer von Southwark langst Stadtentwicklungsplanung begriffen wurde (Hoyle! nicht mehr ausreichten, entschloss sich der Stadtrat, Pinder 1992: 11). dem Drangen Londoner Kaufleute und Handelsgesell­ In Abhangigkeit von den jeweiligen nationalen Rah­ schaften nachzugeben und den Bau neuer Hafenbe­ menbedingungen fur raumliche Entwicklungspla­ cken ostlich der Stadt zu genehmigen. So wurden ab nungen nahmen Stadte die politisch-planerischen 1776 flussabwarts zu beiden Ufern der Themse neue Aufgaben der Hafenerneuerung in unterschiedlicher sog. Flutdocks" in Betrieb genommen. Sie waren von Weise wahr. In Landern mit foderallstischem Staatsauf­ privaten Handelsgesellschaften finanziert worden und bau wurden stadtebauliche Wettbewerbe durchgefuhrt wurden von ihnen wahrend des 19. Jahrhunderts mit und Bauleitplane aufgestellt. In zentralistisch regierten groBem Erfolg bewirtschaftet (Schubert 2002b: 195). Staaten, wie etwa GroBbritannien, vor allem wahrend Als sich jedoch zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeigte, der Thatcher-Ara, wurde auf eine Rahmenplanung dass trotz Fusionierungen die Dockgesellschaften mitt­ weitgehend verzichtet und Planung als Moderation lerweile zu klein und finanzschwach geworden waren, eines von Investoren bestimmten Entwicklungspro­ urn noch rentabel

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