Aus Politik Und Zeitgeschichte

Aus Politik Und Zeitgeschichte

Beilage zur Wochenzeitung 15. Mårz 2004 Aus Politik und Zeitgeschichte 3 Werner A. Meier Essay Gesellschaftliche Folgen der Medienkonzentration 7 Horst Ræper Zeitungsmarkt in der Krise ± ein Fall fçr die Medienregulierung 14 Marie Luise Kiefer Der Fernsehmarkt in Deutschland ± Turbulenzen und Umbrçche 22 Insa Sjurts Think global, act local ± Internationalisierungs- strategien deutscher Medienkonzerne 30 Wolfgang E. Heinold/Ulrich Spiller Der Buchhandel in der Informationsgesellschaft B 12±13/2004 Editorial und garantieren dessen publizisti- Herausgegeben von sche Selbstståndigkeit. der Bundeszentrale n Lånder, Kartellbehærden und fçr politische Bildung n Eine Ûberraschung war das Veto Journalistenverbånde wehren sich Adenauerallee 86 des Bundeskartellamtes Anfang gegen die geplante Neuregelung. 53113 Bonn. Februar nicht: Der Stuttgarter Wer Zeitungen kaufe, kænne leicht Holtzbrinck-Konzern darf die einen Treuhånder als vermeintlich Redaktion: ¹Berliner Zeitungª nicht çberneh- eigenståndigen Dritten einsetzen, Dr. Katharina Belwe men, weil er in der Hauptstadt warnen sie. Der Erwerb des (verantwortlich fçr diese Ausgabe) schon den ¹Tagesspiegelª besitzt. ¹Tagesspiegelsª durch den frçhe- Dr. Hans-Georg Golz Groûe Bedeutung dçrfte der Ent- ren Holtzbrinck-Manager Pierre Dr. Ludwig Watzal scheidung auch nicht zukommen ± Gerckens scheint diese Befçrchtun- Hans G. Bauer denn Wirtschaftsminister Wolf- gen zu beståtigen, wie der Beitrag Redaktion dieser Ausgabe: gang Clement (SPD) hat bereits von Horst Ræper belegt. einen Gesetzentwurf in der Schub- Nicole Maschler n Um die Barrieren auf dem deut- lade, der groûen Medienkonzernen Telefon: (0 18 88) 5 15-0 schen Markt zu umgehen, expan- den Aufkauf von Kleinen erleich- Internet: dieren etablierte Medienkonzerne tern soll. www.bpb.de/publikationen/apuz zunehmend ins Ausland ± in der E-Mail: [email protected] n Aber vielleicht kann das Nein der Hoffnung auf neue Absatzchan- Kartellwåchter helfen, eine gesell- Druck: cen. Denn wåhrend nahezu alle schaftliche Debatte çber die Fusi- Frankfurter Societåts-Druckerei GmbH, Medienteilmårkte in Deutschland onskontrolle im Medienbereich zu 60268 Frankfurt am Main gesåttigt erscheinen, biete sich ins- entfachen. Geht es doch bei dem besondere auf den ost- und auûer- Vertrieb und Leserservice: Ringen um den ¹Tagesspiegelª europåischen Mårkten noch Die Vertriebsabteilung letztlich darum, ob und wie die Potenzial, betont Insa Sjurts. der Wochenzeitung , Pressevielfalt gewahrt werden n Dass starkes Wachstum auch zur Frankenallee 71±81, kann. Diese Frage stellt sich umso Ûberdehnung fçhren kann, zeigt 60327 Frankfurt am Main, dringlicher, als selbst auflagen- der Fall Kirch. Das Ziel eines vertikal Telefon (0 69) 75 01-42 53, starke Zeitungen wie die ¹Frankfur- integrierten Medienkonzerns hatte Telefax (0 69) 75 01-45 02, ter Allgemeine Zeitungª und die Leo Kirch spåtestens seit der Zulas- E-Mail: [email protected], ¹Sçddeutsche Zeitungª inzwischen sung des privaten Rundfunks in nimmt entgegen: Ressorts auflæsen oder ganze Aus- Deutschland Anfang der achtziger gaben einstellen und auch den * Nachforderungen der Beilage Jahre systematisch verfolgt. Seine Fernsehsendern die Werbeeinnah- Aus Politik und Zeitgeschichte strategischen Entscheidungen men wegbrechen. Um ihre wirt- * Abonnementsbestellungen der waren offenbar ganz zentral von schaftliche Wettbewerbsfåhigkeit Wochenzeitung dem Programmvermægen ± mit zu sichern, setzen die fçhrenden einschlieûlich Beilage zum Preis einem Bestand von zuletzt 18 000 Konzerne auf Stabilitåt durch von Euro 9,57 vierteljåhrlich, Filmen ± bestimmt, so Marie Luise Græûe ± mit problematischen Jahresvorzugspreis Euro 34,90 Kiefer. Doch die erhofften Syner- Folgen fçr die Medien- und einschlieûlich Mehrwertsteuer; gien blieben aus bzw. wurden Meinungsvielfalt, kritisiert Werner Kçndigung drei Wochen vor Ablauf nicht konsequent genutzt. A. Meier. des Berechnungszeitraumes; n Mit der Insolvenz der Kirch- n Die Politik zeige Verståndnis fçr * Bestellungen von Sammel- Gruppe tauchte ein fçr den deut- die Wachstumsstrategien der mappen fçr die Beilage schen Medienmarkt neuer Typus Medienunternehmen, verspreche zum Preis von Euro 3,58 von Kapitalgebern auf: Investoren, sie sich davon doch eine Stårkung zuzçglich Verpackungskosten, die lukrative Beteiligungen an der Wirtschaft. So will Minister Portokosten und Mehrwertsteuer. angeschlagenen Firmen suchen ± Clement das Kartellrecht lockern mit dem Ziel, diese spåter mit Die Veræffentlichungen und Fusionen und Ûbernahmen im Gewinn wieder zu veråuûern. in der Beilage Pressegewerbe de facto grundsåtz- Diese Entwicklung ist nach Ein- Aus Politik und Zeitgeschichte lich erlauben. Einen entsprechen- schåtzung von Wolfgang E. Heinold stellen keine Meinungsåuûerung den Kabinettsbeschluss soll es in und Ulrich Spiller auch in der Buch- des Herausgebers dar; diesem Monat geben. Nach Cle- branche zu beobachten. Die sie dienen lediglich der ments Plånen darf kçnftig jede Zei- Wachstumsstrategien der einheimi- Unterrichtung und Urteilsbildung. tung aufgekauft werden ± auch schen Konzerne haben somit das wenn in der jeweiligen Region ein Fçr Unterrichtszwecke dçrfen Gegenteil bewirkt und der auslån- Monopol entsteht. Einzige Ein- Kopien in Klassensatzstårke dischen Konkurrenz ein Einfalltor schrånkung: Der Altverleger oder hergestellt werden. zum deutschen Markt eræffnet. ein neuer Dritter halten 25,1 Pro- ISSN 0479-611 X zent an dem çbernommenen Blatt Nicole Maschler n Werner A. Meier Gesellschaftliche Folgen der Medienkonzentration Medienkonzentration ist kein neues Phänomen. der Konzentration sprechen.3 Staat und Behörden Seit der Industrialisierung der Presse durch die leisten Fusionen und Aufkäufen – wie noch zu zei- technisch-ökonomischen Veränderungen im 19. gen sein wird – eher Vorschub als diese zu verhin- Jahrhundert haben bestimmte gesellschaftliche dern. Kräfte immer wieder versucht, die Monopolisie- Während die Ursachen der Medienkonzentration rung der Medien zu befördern und unternehmeri- weitgehend unstrittig sind, werden ihre möglichen sche Interessen durchzusetzen.1 Vor dem Hinter- negativen Folgen in der Regel verharmlost oder grund von Konzentrationsprozessen auf nationaler im öffentlichen Diskurs sogar völlig ausgeblendet. Ebene und angesichts transnational agierender Es ist daher nicht verwunderlich, dass ihre Konse- Medienunternehmen hat die Eigentumskonzentra- quenzen weder hinreichend ermittelt noch ausrei- tion bei Presse und Rundfunk ein noch nie da chend bewertet werden – sind doch die Medien gewesenes Ausmaß erreicht. Die verschiedenen selbst Teil des Problems. So ließ sich der Präsident Formen der Medienverflechtung sowie das Entste- des Verbandes Schweizer Presse, Hanspeter hen ausdifferenzierter Medienkonzerne führen zu Lebrument, Besitzer des einzigen Multimedia-Ver- einer Störung des freien Spiels der Kräfte am lagshauses im Kanton Graubünden, jüngst zitieren, Markt. Dies ist nicht nur volkswirtschaftlich uner- es gebe gar keine Medienkonzentration. Während wünscht, sondern bewirkt im Medienbereich auch Medienunternehmer die durch Fusionen oder gesellschafts- und demokratiepolitische Legitima- Übernahmen verunsicherte Öffentlichkeit zu beru- tionsdefizite. higen versuchen, reagieren Politiker ambivalent: Die Herausbildung von Informations- und Sie neigen dazu, Medienmacht als hoch problema- Mediengesellschaften erhöht das Risiko von Kon- tisch einzuschätzen; unter dem Strich zeigen die zentrationsprozessen zusätzlich. Wenn es zutrifft, meisten jedoch Verständnis für die Wachstumsstra- dass die Zahl der Medien und Angebotsformen tegien der führenden Medienkonzerne und erhof- rasant wächst, neue Medienformen entstehen, Ver- fen sich eine Stärkung der regionalen und nationa- mittlungsleistungen und -geschwindigkeit zuneh- len Medienbranche. Nur eine Minderheit der men, die Medien immer stärker und engmaschiger Politiker stellt die volkswirtschaftlichen, ordnungs- alle gesellschaftlichen Bereiche durchdringen,2 und demokratiepolitischen Risiken in den Vorder- dann wird die gesamtgesellschaftliche Durchset- grund und plädiert für eine klare und eindeutige zung der Medienlogik durch Konzentrationspro- Begrenzung von Medieneigentum. zesse beschleunigt. Dabei geht es nicht nur um die Möglichkeiten zum Missbrauch von Medienmacht durch einen markt- Zudem setzen sich die führenden Medienkonzerne beherrschenden Konzern, sondern auch um die erfolgreich gegen jede wirtschaftliche und politi- Auswirkungen auf Politik und Wirtschaft. Aller- sche Beschneidung ihres Wachstums zur Wehr. dings kann die fortschreitende Medienkonzentra- Dies führt dazu, dass die staatlichen Maßnahmen tion keineswegs für alle Schwächen im Medienbe- zur Eindämmung von Medienkonzentration und reich verantwortlich gemacht werden. Ganz im zur Reduktion von Medienmacht – sofern sie über- Gegenteil: Medienkonzentration ist lediglich eine haupt politisch durchgesetzt worden sind – wenig – allerdings hervorstechende – Dimension von bis gar keine Wirkung erzielen. Betrachtet man die wachsender Medienmacht; diese ist aber noch Deregulierungsmaßnahmen im Medienbereich, kaum wissenschaftlich analysiert, geschweige denn lässt sich sogar von einer staatlichen Förderung politisch bewältigt. Es handelt sich um eine Pro- blematik, die in allen westlichen Demokratien – 1 Vgl. Dennis F. Hale, Political Discourse Remains Vigo- rous Despite Media Ownership, in: Joseph Harper/Thom nicht nur im Italien von Silvio Berlusconi – auftritt Yantek (Hrsg.), Media, profit, and politics. Competing prio- rities in an open society,

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