Die Transformation Ostdeutschlands Seit 1990

Die Transformation Ostdeutschlands Seit 1990

1 Die Transformation Ostdeutschlands seit 1990 ©Bundesstiftung Aufarbeitung, Klaus Mehner, Bild 70_0521_080 Die Transformation Ostdeutschlands seit 1990 Nach der friedlichen Revolution 1989 in der ehemaligen DDR kam es zu einem grundlegenden Systemwechsel. Es wurde eine neue politische, wirtschaftliche, soziale, rechtliche und verwaltungstechnische Struktur eingeführt. Die Transformation stellte beide deutsche Staaten vor große Herausforderungen und hatte tiefgreifende Auswirkungen auf den Alltag und das Leben der Menschen. Bereits vor der Volkskammerwahl im März 1990 gab es Überlegungen für eine Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion. Nach der Wahl begannen die Verhandlungen mit der Regierung unter Lothar de Maizière über deren Realisierung. Beide deutsche Staaten standen unter enormen Druck. Im Januar 1990 verließen etwa 2.000 Ostdeutsche täglich die DDR. Nach der Volkskammerwahl waren es fast 5.000 Ostdeutsche wöchentlich. Diese Wanderungsbewegung war für die Bundesregierung eine große finanzielle und soziale Belastung. Und die ohnehin marode Wirtschaft wurde in der DDR weiter destabilisiert. Mit der am 1. Juli 1990 in Kraft tretenden Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion wurde der Weg zur deutschen Einheit geebnet. Es war der erste Staatsvertrag zwischen der Bundesregierung und der demokratisch gewählten DDR-Regierung. Eine Verschmelzung zweier derart gegensätzlicher Wirtschaftssysteme hatte es noch nie gegeben. Es wurde die D-Mark als alleiniges Zahlungsmittel eingeführt. Für Löhne, Gehälter, Renten, Stipendien, Mieten und Pachten wurde ein Umtauschkurs von eins zu eins festgeschrieben. Auch Sparguthaben wurden eins zu eins umgestellt: für Kinder unter fünfzehn Jahren bis 2.000 Mark, für Erwachsene unter sechzig Jahren bis 4.000 Mark und für ältere Menschen bis 1 2 Die Transformation Ostdeutschlands seit 1990 6.000 Mark. Die übrigen Sparguthaben sollten im Verhältnis zwei zu eins umgestellt werden. Die Deutsche Bundesbank wurde alleinige Währungs- und Notenbank für beide deutsche Staaten. Mit dem Staatsvertrag übernahm die DDR auch die soziale Marktwirtschaft. Ein zentrales Instrument für die Umsetzung der Wirtschaftsunion, also die Transformation des ostdeutschen Wirtschaftssystems von der sozialistischen Planwirtschaft zur sozialen Marktwirtschaft, wurde die Treuhandanstalt. Sie bestand vom Frühjahr 1990 bis zum Ende des Jahres 1994. Eingerichtet wurde sie noch unter der SED-Regierung von Hans Modrow. Am 17. Juni 1990 verabschiedete dann die Volkskammer der DDR nach heftigen Diskussionen das „Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens“. Mitte 1990 waren der Treuhandanstalt über 8.000 Betriebe und deren ca. 4 Millionen Beschäftigte unterstellt. Die Staatsbetriebe sollten an private Investoren verkauft werden. Bis Ende 1994 privatisierte die Treuhandanstalt mehr als 12.000 Unternehmen und Unternehmensteile in den neuen Bundesländern. Dazu kamen über 4.000 Rückgaben von Unternehmen an Alteigentümer, die in der DDR enteignet worden waren (sog. Reprivatisierungen), ca. 50.000 Liegenschaftsverkäufe sowie eine große Zahl an kleineren Privatisierungen, hier vor allem von Geschäften aus der früheren „Handelsorganisation“ der DDR. Der wirtschaftliche Umbau hatte aber auch weitreichende Folgen für die Menschen in den neuen Bundesländern. 2/3 aller Arbeitnehmer in der Industrie verloren Anfang der 1990er Jahre ihre Beschäftigung. Von den anfangs über 4 Millionen Arbeitsplätzen bestanden unter der Aufsicht der Treuhandanstalt bis zu ihrer Auflösung nur noch 1,5 Millionen. Ende 1994 hatte die Treuhandanstalt ein Defizit von über 330 Milliarden D-Mark. Mehr als 120 Milliarden gingen davon auf die Tilgung von Altkrediten sowie auf Kosten für ökologische Sanierungen zurück. Diese Schulden wurden im sogenannten „Erblastentilgungsfonds“ zusammengefasst, der Ende 2015 aufgelöst wurde. Die Tätigkeit der Treuhandanstalt übernahmen ab Januar 1995 einzelne private Tochtergesellschaften sowie die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben. Die Arbeit der Treuhandanstalt wurde auch von zahlreichen Konflikten und Skandalen begleitet. Sie war auch Gegenstand mehrerer Untersuchungsausschüsse des Bundestages. Bis heute wird ihre Arbeit kontrovers diskutiert. Auf Initiative der DDR-Regierung wurde die Sozialunion Bestandteil des Staatsvertrages. Die bundesdeutsche Sozialordnung wurde bis auf einige Übergangsfristen und Sonderregelungen auf die DDR übertragen. So löste bspw. das gegliederte Versicherungssystem (Renten-, Arbeitslosen-, Unfall- und Krankenversicherung) der Bundesrepublik die Einheitsversicherung der DDR ab. Für den gesamtgesellschaftlichen Erneuerungsprozess war die inhaltliche Reformierung und grundlegende Umstrukturierung des Bildungssystems der DDR ein wichtiger und notwendiger Bestandteil. Bereits während der friedlichen Revolution 1989 forderten die Oppositions- und Bürgerrechtsgruppen grundlegende Reformen des Bildungssystems. So setzte nach dem Rücktritt von Margot Honecker im Oktober 1989 die Regierung unter Hans Modrow im November 1989 die Fächer „Wehrunterricht“ und „Staatsbürgerkunde“ außer Kraft. Nach der Volkskammerwahl vom 18. März 1990 erarbeitete die letzte DDR-Regierung Übergangsregelungen für die Zeit nach der deutschen Wiedervereinigung. Eine „Gemeinsame Bildungskommission“ mit Vertretern beider deutscher Staaten arbeitete ab 2 3 Die Transformation Ostdeutschlands seit 1990 Mai 1990 an der Zusammenführung der Bildungssysteme. Mit der Herstellung der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 ging auch die Bildungshoheit an die neu geschaffenen Länder über. Die jeweiligen Landesregierungen waren nun für die Neugestaltung des Bildungssystems verantwortlich. Bis zum 30. Juni 1991 mussten neue Rechtsvorschriften erlassen oder weitergeltendes DDR-Recht in Länderrecht überführt werden. So wurden in den Parlamenten neue Schulgesetze beraten und verabschiedet, die die grundlegenden Bildungs- und Erziehungsziele regelten. Die ostdeutschen Bundesländer setzten dabei im Rahmen des Föderalismus eigene Lösungen und Modelle um. Konfliktthema wurde die Einführung der Gesamtschule. Hier entschied sich Sachsen als einziges Bundesland gegen die Einführung. Auch die Einführung des Religionsunterrichts wurde kontrovers diskutiert. In Sachsen und Thüringen wurde das Abitur nach der zwölften Jahrgangsstufe übernommen. Probleme gab es auch beim Lehrpersonal. Lehrer mit Profilen in den Fächern „Staatsbürgerkunde“, „Russisch“ etc. gab es genug. Hingegen fehlte es an Lehrkräften für die modernen Fremdsprachen. Das Lehrpersonal aus der Zeit vor 1989 stand nun vor der Aufgabe, die Erneuerung des Schulwesens zu ermöglichen. Mit der deutschen Wiedervereinigung stand auch die Nationale Volksarmee (NVA), vor grundlegenden Veränderungen. Bereits vor dem 3. Oktober 1990 wurden relevante Veränderungen eingeführt, so z.B. die Abschaffung der ständigen Gefechtsbereitschaft, die Einführung der 5-Tage Woche, die Reduzierung der Wehrpflicht auf 12 Monate und des Wehrdienstes von 3 auf 2 Jahre. Dies führte zu einer deutlichen Reduzierung der Truppenstärke. Ende 1989 umfasste die NVA ca. 168.000 Soldaten. Zum 3. Oktober 1990 waren es noch ca. 90.000 Soldaten. Nach der Volkskammerwahl vom 18. März 1990 wurde Rainer Eppelmann, ehemaliger Bausoldat und DDR-Oppositioneller, Minister für Abrüstung und Verteidigung der DDR. Eine der ersten Beschlüsse des neu strukturierten Ministeriums war die Schließung des Militärgefängnisses in Schwedt/Oder und der demokratische Fahneneid für die Militärangehörigen. Sehr schnell wurden auch offizielle Beziehungen zur Bundeswehr aufgenommen. Mit der deutschen Wiedervereinigung wurde auch die NVA aufgelöst und teilweise in die Bundeswehr überführt. Der 2+4 Vertrag, mit dem die alliierten Siegermächte der deutschen Einheit zustimmten, sah die Reduzierung der Bundeswehr vor. Die 500.000 Angehörigen sollten bis 1994 auf 370.000 Soldaten reduziert werden. Die Eingliederung des militärischen NVA-Personals wurde von Anfang an kontrovers diskutiert, sowohl in- und außerhalb der Streitkräfte. Bei einer früheren Mitarbeit beim Ministerium für Staatssicherheit war eine Weiterbeschäftigung grundsätzlich ausgeschlossen. Aufgrund ihrer politischen Rolle wurde ein Großteil der Unteroffiziere sowie fast das ganze übrige Offizierskorps der NVA entlassen. Letztendlich wurden ca. 3.000 NVA- Offiziere übernommen, allerdings meist verbunden mit der Herabstufung des Dienstgrades. Für zahlreiche Wissenschaftler der verschiedensten Fachdisziplinen ist die ostdeutsche Transformation nach wie vor ein beachtetes Forschungsgebiet. Das vorliegende Bestandsverzeichnis ist aufgrund der komplexen Thematik nur eine Auswahl an Büchern, Broschüren und audiovisuellen Medien aus dem Bestand der Bibliothek. Um den Einstieg in die Thematik zu erleichtern, wurde eine Unterteilung in Transformationsprozess Allgemein, Gesellschaftlich, Institutionell, Ökonomisch vorgenommen. 3 4 Die Transformation Ostdeutschlands seit 1990 Transformationsprozess Allgemein ©Bundesstiftung Aufarbeitung, Jürgen Nagel, Bild 2426_021 1984 Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie ... / Institut für Demoskopie Allensbach. - Berlin [u.a.] : de Gruyter [u.a.]. - [Ersch.:] 6.1974/76(1976) -. Früherer Titel: Jahrbuch der öffentlichen Meinung Bestand der Bibliothek: 9.1984/92(1993); 11.1998/2002(2002) 9.1984/92(1993). hrsg. von Elisbeth Noelle-Neumann und Renate Köcher. - München [u.a.] : Saur, 1993. - LVIII, 1207, 24 S. : Ill., graph. Darst. + 1 Beil. Signatur: MA300 ; 4910-9 1989 Forschungsstelle für Gesamtdeutsche Wirtschaftliche und Soziale Fragen <Berlin,

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