RZ Sakrallandschaften.Indd

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LANDSCHAFTSPARK BINNTAL Kapellen - Schmuck und Schutz KAPELLEN IM LANDSCHAFTSPARK BINNTAL WALDKAPELLE MARIA HILF|1 Die Sakrallandschaft des Landschaftsparks Binntal ist geprägt von der barocken, nach Versinnlichung strebenden Religiösität: im Dorf oder im Wei- LAGE ALD NEN Über dem Dorf Ernen im steilen R ler, im Wald oder im abgelegenen Tal entstehen mit dem Bau von Kirchen E Hang des Erner Waldes auf R W und Kapellen Zeugen volkstümlicher Religiosität. Denn die von religiösem NE 1520 m ü.M., erbaut 1690-1709. R Ganzheitsstreben bestimmte, bergbäuerliche Gesellschaft des Goms, bei der E sich das Katholischsein nicht bloss auf die Sonn- und Feiertage beschränkt, BESONDERHEITEN / war bestrebt, dem Lebensraum religiöse Bedeutung zu verleihen. Kirchen, Vorzügliches Retabel von Johann NEN R Kapellen, Bildstöcke und Wegkreuze werden zu Nahtstellen zum Überirdi- Sigristen und Moritz Bodmer. E schen, das beschirmt und den Kontakt zum Heiligen und zu den Heiligen Eines der wichtigsten Wallfahrts- herstellt; denn im täglichen Ausgeliefertsein an die „feindlich gesinnten heiligtümer im Goms. Naturkräfte“ vermag allein das direkte Eingreifen des Überirdischen und seiner Vermittler, der Priester, zu helfen und das Dämonische zu bannen. Im 17. und 18. Jahrhundert wurden im Goms an die 70 Kirchen und Kapellen Die Wallfahrtskapelle Maria Hilf steht gut versteckt im steilen Erner neu- oder umgebaut. Es war dies eine Zeit politischer Stabilität und wirt- Wald. Durch die auf Tuffsäulen gestützte toscanische Vorhalle strahlt sie schaftlicher Blüte - bedingt durch den Vieh- und Käsehandel sowie durch einen südlichen Charme aus. Sie war wohl zu Beginn ein Wallfahrtsort der den Solddienst. Neben der implizit religiösen Motivation gab dieser Bau- Oberschicht, wie die Exvotos mit den gutgekleideten Menschen und die ba- eifer den stolzen Burgerschaften und der lokalen Ämterschicht aber auch rocken Gemälde zeigen. Ein Teil davon befindet sich heute im Kirchenmuse- die Möglichkeit, durch fromme Stiftungen Reichtum und Macht im heiligen um Ernen, ebenso eines der hölzernen Bildstöcklein, die früher am Wegrand Raum zu manifestieren. standen. Später wurde die Kapelle zum Volkswallfahrtsort. Wohl deshalb er- Die vorliegende Broschüre zeigt die „Kapellenlandschaft“ des Parks. In richtete Josef Regli im Vorraum unter den Arkaden einen Schrankaltar, um den Weilern und vereinzelt auf den Alpstafeln wurden Kapellen errichtet, Gottesdienste im Freien abhalten zu können. Die „Läden“ des Altars werden in denen das Volk seine Heiligen gefunden hat. Sie sind zentraler Punkt jeweils am Kapellenfest am 2. Juli, an Maria Heimsuchung, geöffnet. dieser bäuerlichen Siedlungen; ihnen fiel innerhalb der dörflichen Gemein- schaft eine wichtige Funktion zu. Hier versammelten sich die Bewohner zum Die hochbarocken Gewölbemalereien im Innern zeigen Szenen aus dem abendlichen Gebet. Eine wichtige Stellung in der Volksreligiösität nehmen Leben Marias. Der Hauptaltar stammt aus der Entstehungszeit der Kapelle. die Wallfahrtskapellen im Lengtal und im Ernerwald ein. Im Gegensatz zum Das vorzügliche Retabel wird Anton Sigristen (1653-1711) aus Glis und Mo- Hochmittelalter mit seinen grossen Fernwallfahrten nach Rom, Jerusalem ritz Bodmer (1618-1711) aus Mühlebach zugeordnet. Er enthält im Hauptge- und Santiago de Compostela wurde in barocker Zeit aus dem Streben her- schoss Skulpturen: links der heilige Mauritius und rechts der heilige Georg, aus, den Lebensraum als Andachtsraum zu gestalten, auch der lokale Bereich im Obergeschoss eine Maria Assunta, umrahmt von den heiligen Antonius wallfahrtswürdig. von Padua links und Josef rechts. Das Altarbild in der Mitte ist von 1875 und wird Vinzenz Blatter, Sitten, zugeschrieben. Klaus Anderegg / Dr. phil. / Kulturwissenschaftler 2|KAPELLE DES HEILIGEN ANTONIUS KAPELLE DER HEILigEN FAmiLIE|3 LAGE LAGE ACH NEN B R Dicht an der Strasse Richtung Prominent auf einem Hügel E R Ernen, erbaut 1684. östlich der Siedlung Mühlebach, HLE EDE erbaut 1673-1676. MÜ I BESONDERHEITEN N Ausgezeichnete Gewölbemalereien. BESONDERHEITEN Die reichgeschnitzte Eingangstür Hauptaltar mit Figurengruppe befindet sich heute im Zehndenrat- des Heiligen Wandels. haus in Ernen. Weit herum sichtbar im Osten vom Chastebiel Blitzingen, im Westen von Zeneggen. Von aussen wie von innen macht die Antoniuskapelle von Niederernen Wenn im Goms eine Kapelle von Ferne blinkt, mag es diejenige von Mühle- einen wohlproportionierten Eindruck mit ihrem rechteckigen Schiff und dem bach sein. Sie prägt das Siedlungsbild des gleichnamigen Dorfes, Geburtsort allseitig eingezogenen Chor. Der Hochaltar ist ein frühes Werk von Anton Si- von Kardinal Matthäus Schiner (um 1465-1522). Das steile Satteldach über- gristen und Moritz Bodmer. Im Hauptgeschoss steht die Madonna zwischen trifft die Schiffswand an Höhe. An dieser Form erkennt man das Gebäude den Heiligen Antonius (links) und Sebastian (rechts). Im schmalen Oberge- von Weitem. schoss befindet sich eine Darstellung der Heiligen Familie auf dem Tempel- gang nach Jerusalem, zuoberst eine Gottvaterfigur. Im Innern befinden sich nur noch wenige Kunstwerke aus der Entste- hungszeit, darunter der Hochaltar mit der Heiligen Familie in der Haupt- Die beiden Seitenaltäre stammen aus einer späteren Zeit, wohl 1824. Im nische, deren Schöpfer unbekannt ist. Die Statuen in den Seitenachsen wer- rechten Altar sind ein Gemälde des heiligen Michael und Statuen von Jo- den Moritz Bodmer zugeordnet, der auch aus Mühlebach stammt: Links der hannes dem Täufer (links) und Franziskus. Am linken Altar mit dem Gemäl- Evangelist Johannes, rechts die heilige Katharina. Die Skulpturen an der de des heiligen Ignazius fehlen die Flankenfiguren. Von den ausgezeichne- rechten Seitenwand des Schiffs deuten ebenfalls auf Moritz Bodmer hin: Der ten Deckenmalereien kennt man den Künstler nicht, sie sind jedoch im Stil heilige Johannes, Maria mit Kind sowie der heilige Jakobus der Ältere. Sie der Malerfamilie Pfefferle aus Geschinen gehalten und stammen aus dem gehörten ursprünglich zu einem ehemaligen Bildstock östlich des Dorfes. Die letzten Viertel des 18. Jahrhunderts. In einer Kartusche am Chorbogen ist Bilder der beiden Seitenaltäre, ein Rosenkranzbild (links) und eine Darstel- das Wechselgebet (Respondorium) des heiligen Antonius enthalten. Die den lung von Josefs Tod (rechts) stammen aus dem späten 17. Jahrhundert. Eine Kreuzweg darstellenden Malereien im Schiff sind sehr weich und lebendig Pietà von Anfang des 14. Jahrhunderts aus einem Vorgängerbau ist heute in und werden Ignaz Anderledi (1732-1814) aus Fiesch zugeschrieben. An der der Pfarrkirche Ernen als Kopie zu sehen. Das äusserst wertvolle Original Westwand hängen die ehemaligen Seitenaltarbilder, links Kreuzigung (1687), wurde 1980 gestohlen. Ebenfalls in der Kirche von Ernen befindet sich eine rechts Rosenkranzgemälde (1689). Statue der heiligen Magdalena von Anfang des 16. Jahrhunderts. 4|KAPELLE DER HEILigEN FAmiLIE KAPELLE DES HEILIGEN THEODUL|5 S U LAGE LAGE NN Auf einer Wiese mitten im Dorf Am Nordostende des Dorfes am RBI NHA I Steinhaus, erbaut 1728/29. alten Albrunweg, erbaut Mitte SSE STE 18. Jahrhundert. U BESONDERHEITEN A Portal mit Jahrzahl 1678 wohl von Skulptur der Himmelskönigin. Vorgängerbau. Wiederholt das Programm von Mühlebach. BESONDERHEITEN Schöne Gliederung des Innenraums. Früheste erhaltene Rosenkranz- darstellung im Goms. Das schlichte Gebäude mit dem Schindeldach im oberen Teil von Stein- Das Gebäude steht am oberen Rand der Siedlung Ausserbinn, die an ei- haus lohnt eine Pause: Es liegt auf einer mit Obstbäumen bestandenen Wie- nem fast mediterranen Südhang liegt, und ist dem heiligen Theodul, dem se, am idyllischen Dorfplatz mit dem Dorfbrunnen davor. Landespatron des Kantons Wallis, gewidmet. Das Portal mit der Jahreszahl 1678 stammt wohl von einem Vorgängerbau, das heutige Gebäude ist jünger. Das Innere überrascht durch eine vielfältige Ausstattung. Der buntbe- malte Hauptaltar zeigt wie in Mühlebach das Thema des heiligen Wandels. Vorbild für die Kapelle soll die Pfarrkirche von Reckingen gewesen sein, So bezeichnet man Darstellungen der Heiligen Familie auf dem Tempelgang was man an der zierlichen architektonischen Gliederung des Innenraumes nach Jerusalem, begleitet von der Taube des Heiligen Geistes. Der Altar ist sieht. Das niedrige schmiedeiserne Chorgitter stammt aus dem dritten Vier- jedoch kleiner und dezenter als in Mühlebach und sehr schön in den Farben tel des 18. Jahrhunderts. rot-grün gehalten. In den Seitennischen stehen Figuren der Heiligen Anna und Antonius von Padua. Der Altar stammt wohl vom Mühlebacher Bild- Der Altar des heiligen Rosenkranzes wurde in einer unbekannten Werk- hauer Johann Josef Bodmer (1670-1743), der in der Nachfolge der Bodmer/ statt im Untergoms gefertigt und ist wohl in der Spätrenaissance entstan- Sigristen-Werkstatt steht. Typisch für diesen Meister sind die schräggestell- den. Die Aedikula ist einfach aber reich verziert, das Altarblatt enthält eine ten Mandelaugen der Altarfiguren. Sehr reizvoll wirkt eine Skulptur der Him- typische Gommer Rosenkranzdarstellung. Bemerkenswert sind die Statuen melskönigin (1. Hälfte des 17. Jh.). Das Chorbogenkruzifix stammt aus der 2. der Heiligen Franz Xaver und Antonius aus dem dritten Viertel des 18. Jh. Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die beiden Gemälde an der Rückwand stellen und das Chorbogenkruzifix aus der Werkstatt von Franz Lagger, Reckingen, den heiligen Johannes mit Buch und Feder, über der linken Schulter ein Adler sowie die kindlich anmutenden Leuchterengel. Ein Fastenbild stellt

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