Was Wusste Roland Koch? Immer Neue Enthüllungen Aus Dem Hessen-Sumpf: Die Industrie Sponserte CDU-Spitzenmann Roland Koch Gezielt Mit Spenden an Einen CDU-Verein

Was Wusste Roland Koch? Immer Neue Enthüllungen Aus Dem Hessen-Sumpf: Die Industrie Sponserte CDU-Spitzenmann Roland Koch Gezielt Mit Spenden an Einen CDU-Verein

Deutschland A. VARNHORN Ministerpräsident Koch: (Fast) immer ehrlich, (fast) nichts gewusst, (fast) alles aufgeklärt CDU HESSEN Was wusste Roland Koch? Immer neue Enthüllungen aus dem Hessen-Sumpf: Die Industrie sponserte CDU-Spitzenmann Roland Koch gezielt mit Spenden an einen CDU-Verein. Ermittlungen der Justiz belegen, dass schwarze Kassen bis vor kurzem zum Alltag der Union gehörten. ussitzen hat er gelernt. Gern beruft chen. In der Wiesbadener Zentrale war, sich der hessische Ministerpräsident das zeigt das Verfahren gegen den früheren ARoland Koch, 41, auf das große Vor- CDU-Chef Manfred Kanther und andere bild Helmut Kohl, 70, nach dem die Nach- Helfer und Funktionäre der Partei, der welt eines Tages „Straßen und Plätze“ be- lockere Umgang mit Schwarzgeld nicht die nennen werde. Ausnahme, sondern die Regel. Der Untersuchungsausschuss, der den Und Koch, der gelernte Wirtschaftsan- hessischen Schwarzgeldskandal aufklären walt, der zielstrebige, intelligente Macher, soll, will Akten haben? Nicht mit Koch, der schon mit 20 Jahren den CDU-Vorsitz der mauern und verzögern lässt, wie es in seiner Heimatregion nahe Frankfurt er- nur geht. Die Richter, die entscheiden müs- oberte, bekam davon nie etwas mit? sen, ob Koch und seine CDU mit rechts- Seit Monaten lodern die Vorwürfe im- widrigen Methoden an die Macht kamen, mer wieder auf, Koch sei ein Lügner und wollen die Ermittlungen der Staatsanwalt- müsse zurücktreten. Niemand überblickt schaft lesen? Die können lange warten. noch, mit wie vielen Dementis der CDU- Koch hat gute Gründe, das CDU-Kon- Chef ein ums andere Mal zu löschen ver- volut so lange wie möglich unter Verschluss sucht: Er war (fast) immer ehrlich, er hat zu halten. Die Dokumente, Vernehmungs- (fast) nichts gewusst, er konnte doch (fast) protokolle und Zufallsfunde, ein Akten- alle Machenschaften aufklären. berg von 200000 Seiten, werden der hessi- Mit Tremolo in der Stimme hatte er am schen Union noch schwer zu schaffen ma- 14. Januar, als er das Geheimnis der 22 der spiegel 36/2000 DPA Ex-Schatzmeister Prinz Wittgenstein Schwarze Kassen für den Alltag ahnen, wie rings um ihn das Schwarzgeld schwappte: • Sein früherer Landesgeschäftsführer Siegbert Seitz war offenbar fest in ille- gale Transaktionen eingebunden. • Koch selbst unterschrieb 1998 den ent- Koch-Brief von 1998: „Fühlen Sie sich ausdrücklich ermuntert“ scheidenden Brief, der dem langjähri- gen Schatzmeister Casimir Prinz zu Schweizer Konten lüften musste, in die Ka- seine eigene Verwicklung in die Affäre stol- Sayn-Wittgenstein und dem CDU-Fi- meras gebarmt: „Roland Koch galt bisher pern sollte, bleiben die Liberalen in der nanzberater Horst Weyrauch als Legiti- als ein ehrlicher Mann.“ Sollte sich das än- Regierung. Das hat Landeschefin Ruth mation diente, die Partei weiterhin mit dern, werde er sich „in der Politik nicht Wagner im engsten Kreis schon fest ver- Schwarzgeld zu versorgen. weiter befassen“. sprochen. • Noch im Februar dieses Jahres schrieben Das ist lange her. Auch die Freien De- Doch nach den Ermittlungsergebnissen nervöse CDU-Hauptamtliche ein kom- mokraten, die mit Koch in der Koalition von Kripo und Staatsanwaltschaft ist Koch plettes Kassenbuch neu, um aktuelle vereint sind, haben gelernt, sich in Nach- weniger glaubhaft denn je. Nicht mehr vor- Schwarzgeld-Transaktionen zu verschlei- sicht zu üben – regieren ist stellbar erscheint, wie der ern. Da inszenierte Koch schon seine sa- einfach zu schön. Selbst wenn CDU-Spitzenmann das Kunst- tirereife „brutalstmögliche Aufklärung“. einer der engsten politischen stück fertig gebracht haben Dreister als irgendwo sonst in der Re- Freunde Kochs, Staatskanzlei- soll, nicht zu spüren, nicht zu publik haben die Christdemokraten im tra- chef Franz Josef Jung, über ditionellen Schwarzgeld-Archipel Hessen Geschäftsführer Seitz (1994) (siehe Grafik Seite 24) getrickst, gefälscht und manipuliert. Ob es um ein paar Mark für studentische Aushilfen ging oder um ein paar Millionen für eine Immobilie – die geheimen Quellen sprudelten. Mögen andere CDU-Landesverbände nach den parteiübergreifenden Spendenaffären der siebziger und achtziger Jahre auf halbwegs korrekte Buchführung geachtet haben – die Hessen pflegten die illegalen Traditio- nen, als hätte es nie Prozesse, Strafbefeh- le, Untersuchungsausschüsse und Geset- zesänderungen gegeben. So wucherte ein finanzielles Schatten- reich, das wohl nur sehr wenige in der Par- tei in allen Verästelungen kannten. Die prä- zisen Mechanismen waren zwar, etwa durch die findigen Experten Weyrauch und Wittgenstein, nicht nur nach außen, son- FOTOS: S. HUSCH / TERZ FOTOS: dern auch intern vor neugierigen Augen CDU-Landesgeschäftsstelle, Akademie-Schild abgeschottet. Doch sicher ist: Weitaus mehr Diskrete Millionen Helfer, als Koch zugeben will, wussten über der spiegel 36/2000 23 Deutschland Sonderfonds, von denen man so genau mann angehören, ist durchaus beachtlich. Der HDI habe sich daraufhin entschlos- nicht redet, ganz gut Bescheid. Allein 300000 Mark kamen im vergangenen sen, den damaligen Wiesbadener Opposi- Zwei Schwarzgeldsysteme lassen sich Jahr vom Haftpflichtverband der Deutschen tionsführer zu unterstützen. Koch sei „ein unterscheiden: Industrie (HDI) in Hannover, einem milli- Lichtblick im Umfeld der übrigen politi- • die Schweizer Konten, auf die Wey- ardenschweren Versicherungskonzern. Auch schen Persönlichkeiten“. rauch, Wittgenstein und der damalige die hessischen Unternehmer lassen sich nicht Das Weitere besprach Wieandt mit Joa- hessische CDU-Generalsekretär Kanther lumpen. Die Gaben, die der Verband der chim Lehmann, dem Wirtschaftsbeauf- 1983 über 20 Millionen Mark transferier- Metall- und Elektro-Unternehmen Hessen tragten der hessischen CDU, im feinen ten und die sie bei Bedarf anzapften; e. V. (Hessen Metall) in den neunziger Jah- Schlosshotel Kronberg. Als hauptamtlicher • zwei schwarze Kassen für ren schickte, summieren sich auf Mitarbeiter der Schatzmeisterei sorgte Leh- den Alltag in der Landesge- Die Spur fast zwei Millionen Mark. Be- mann seit den sechziger Jahren dafür, dass schäftsstelle, die eine geführt sonders großzügig zeigte sich die in Wiesbaden die Kassen voll sind. Schatz- als „Spendenkasse CDU der Spenden Hessen Metall im Wahlkampf- meister Wittgenstein ließ ihm regelmäßig Hessen“, die andere als führt jahr 1998 (320000 Mark). Gratifikationen zukommen, etwa im Fe- „SK“ (Sonderkasse). Die Die Spur der Spenden führt bruar 1992 einen Betrag von 32000 Mark wurden unter anderem ge- direkt zum direkt zum amtierenden Minis- „als Honorierung Ihres persönlichen Ein- speist aus großen Bargeld- amtierenden terpräsidenten Koch. Dessen satzes und auch Ihres Fleißes und Ihrer spenden der Süßwarenfirma Karriere wurde offenbar mit Zähigkeit bei unermüdlichem Einsatz, um Ferrero, die der Partei seit Minister- hohen, nicht öffentlichen Sum- Spenden zu bekommen“. Natürlich kam Anfang der achtziger Jahre präsidenten men von Spitzenmanagern der auch dieses Geld von Schweizer Konten. rund eine Million Mark zu- Wirtschaft gefördert. Der CDU-Finanzexperte, erinnert sich kommen ließ – außerhalb der Rech- Die Aussagen des früheren Spitzenban- Wieandt, habe einen Weg aufzeigen sollen, nungslegung. kers Paul Wieandt lassen wenig Raum für wie eine Spende unauffällig und steuermin- Und dann gab es da noch die Hessische Zweifel. In einer CDU-Finanzakte waren dernd an die Partei gehen könne. Gar kein Akademie für politische Bildung. Auf den Fahnder auf dessen Namen gestoßen, da- Problem, habe Lehmann erklärt, es gebe da eingetragenen Verein weist in der Frank- neben der handschriftliche Vermerk: ja die Hessische Akademie für politische Bil- furter Straße in Wiesbaden nur ein Klin- „Über Verband 300“, soll heißen 300000 dung, einen eingetragenen Verein, der ge- gelschild hin. Die anderen Nutzer der Mark. Wieandt, von 1990 bis 1997 Vor- meinnützige Zwecke verfolge und Spen- Gründerzeit-Villa lassen gern blauweiß- standsvorsitzender der Frankfurter BfG- denquittungen fürs Finanzamt ausstellen rote Fahnen flattern, als stolzen Hinweis, Bank, berichtet von gezielten Werbe- könne. Der Sitz der Akademie, wie prak- dass hier die CDU residiert. gesprächen vor der Landtagswahl vom Fe- tisch, sei in der CDU-Landesgeschäftsstelle. Der Etat der diskreten CDU-Akademie, bruar vergangenen Jahres: Die Mitglieder Er, Lehmann, sei Schatzmeister des Vereins. deren Vorstand der hessische Justizminister eines unionsnahen Wirtschaftskreises soll- So kam man ins Geschäft. Nach Rück- Christean Wagner (CDU) und der Wiesba- ten zur rechten Zeit etwas für ihre Über- sprache mit dem HDI-Vorstand, dem er als dener CDU-Fraktionschef Norbert Kart- zeugung tun. Berater verbunden ist, wickelte Wieandt Löhr Kiep Lüthje Grau Wittgenstein Weyrauch Grauer Filz und schwarze Kassen Spenden der „Staatsbürgerlichen Vereinigung“ ab- 1983 Die Spendenaffären der hessischen CDU gewickelt werden. Nach Lüthje wurden diese Trans- aktionen als „Reisen zu Frau Hürlimann oder Frau Der hessische CDU-Generalsekretär Manfred Stirnimann“ umschrieben. Kanther und CDU-Landesschatzmeister Casimir 1967 Prinz zu Sayn-Wittgenstein schaffen rund Der Frankfurter Kaufmann Karl Friedrich Grau 20 Millionen Mark aus dem Vermögen der Der hessische CDU-Landesschatzmeister Walter sammelt bei Prominenten wie Axel Springer Spen- Landespartei auf geheime Schwarzgeldkonten Löhr entwickelt zusammen mit einem Pater der den für als gemeinnützig anerkannte Vereine. Ab- in der Schweiz. Der CDU-Steuerberater Horst Steyler Mission in St. Augustin bei Bonn ein züglich einer Provision von meist zehn Prozent Weyrauch fungiert dabei als

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