
05/2013 Tipps zur Datenmigration bei Groupware Titelthema Umzugsplaner Groupware-Migration 20 Microsofts Produktpolitik treibt kontinuierlich viele Anwender vom Windows Small Business Server auf eine freie Groupware. Aber auch so manche funktionsarme Cloudlösung legt einen Umstieg nahe. Bei der Migration der Daten gibt es jedoch einiges zu sortieren, das über die bloße Technik hinausgeht. Tim Schürmann, Markus Feilner www.linux-magazin.de 25 Prozent Ähnlichkeiten mit früheren Projekten auf“, warnt Michael Kromer (Abbildung 1) vom Groupwarehersteller Zarafa (Abbildung 2, [1]). Er mahnt zur Geduld: „Während der Mi- gration sollten alle Beteiligten Ruhe be- wahren, gerade wenn unvorhergesehene Probleme auftreten. Das Unter- oder gar Abbrechen einer laufenden Migration auf- grund von Ungeduld zählt zu den absolut typischen Migrationsfehlern.“ Auch Cornelius Weiss (Abbildung 3), Entwicklungsleiter bei Metaways, der Firma hinter Tine 2.0 (Abbildung 4, [2]) preist Ruhe, Geduld und Beharr- lichkeit als die obersten Tugenden: „Ich habe kaum eine Migration erlebt, wo es © Jean-Marie Guyon , 123RF.com Guyon © Jean-Marie nicht auch zwischendurch mal Zweifel am Gesamtprojekt gab.“ Sie gehören zu den komplexesten He- durch deren Hersteller – und genau das Und FSFE-Urgestein Georg Greve (Abbil- rausforderungen, die sich in der Unter- geschieht in dieser Branche derzeit: Mehr dung 5), Mitgründer der Kolab Systems nehmens-IT finden: Groupwaremaschi- und mehr wandern Kunden vom lokalen AG (Abbildung 6, [3]) sagt: „Die Technik nen. Meist werkelt Microsofts Exchange Server in die Cloud und – nicht selten ist immer lösbar, das ist nie das wahre auf den kombinierten Mail-, Adressbuch- gleichzeitig – von proprietären Produkten Problem. Aber deutlich leichter tut sich, und Kalenderservern. Zu den ohnehin zu Open-Source- oder zumindest OSS- wer von vornherein auf Open Source und schon ausreichend komplizierten drei Ba- basierten Angeboten. offene Protokolle gesetzt hat.“ sisdiensten kommen fast in jeder Firma Die Migration der Allrounder ist jedoch Erweiterungen wie Verzeichnisdienste, oft ein langwieriger Prozess, in dem die Schritt 1: Einarbeiten CRM, ERP und Dokumentenmanagement, Technik (für viele Admins überraschen- was die Server zu den zentralen Daten- derweise) nicht die Hauptrolle spielt. Die Arbeit für die Admins fängt jedoch schleudern im Unternehmen macht. Das Linux-Magazin hat für diesen Artikel schon lange vor der eigentlichen Mig- deutsche Groupwarespezialisten (Consul- ration an – bei der Bestandsaufnahme. Handle with care! tants und Hersteller) nach ihren besten Hierzu muss sich die für die Migration Tipps, Tricks und Best Practices gefragt – Mancher Admin ist schon froh, wenn und einige teils überraschende, aber stets DELUG-DVD das System dauerhaft so läuft wie ge- hilfreiche Antworten bekommen. Auf der Delug-DVD finden Sie DELUG-DVD wünscht, und handelt eher nach dem zum 25. Jubiläum der ältesten noch exis- Motto „Never touch a running system“. Jedes Mal anders tierenden Open-Source-Groupware Citadel Eine Groupware migration ist schnell [11] ein VMware-Image mit der aus den als ein kostspieliges Mammutprojekt „Das ist ein Feld, in dem es extrem indivi- Bulletin Boards der 80er Jahre gewachse- bekannt, das Unternehmen nur ungern duell zugeht. Von den zahlreichen Group- nen, vollständig unter Open-Source-Lizenzen angehen. Ist aber proprietäre Software waremigrationen, die ich in den letzten stehenden und mit vielen offenen Standards im Spiel, entsteht der Zwang nicht selten Jahren betreut habe, wiesen maximal kompatiblen Groupware. 05/2013 Titelthema Groupware-Migration 21 www.linux-magazin.de Abbildung 1: Michael Kromer ist IT-Consultant bei Zarafa und hat dort bereits zahlreiche Migrationen betreut. Seine Erfahrung zeigt: Jede ist anders. Abbildung 2: Gute Outlook-Unterstützung, Anbindung mobiler Geräte und ein modernes Webinterface bietet zuständige Person möglichst gut mit der Zarafa. Mapi und Active Sync machen das möglich, die Daten landen in einer SQL-Datenbank. bestehenden, aber auch mit der Ziel- Umgebung auskennen. Wer später, also als unnötig oder der Zugriff auf die Daten ist mehr als nur eine Datenablage, sie beim eigentlichen Umzug, nicht von Pro- ist über allzu lange Zeit nicht möglich, bildet Unternehmensstrukturen ab, durch blemen überrascht werden will, muss die weil die Methode in den Planungen ein- Rechte und Prozesse, aber auch durch die typischen Limits beider Systeme kennen fach nicht vorgesehen war.“ Art, wie die jeweilige Groupware tickt. und die potenziellen Schwachstellen be- Um das zu verhindern, muss die für die Da sind jeweils ganz andere Prinzipien, reits erahnen. Migration zuständige Person viel und re- Denkansätze und Arbeitsweisen im Spiel, gelmäßig mit den betroffenen Anwendern die Unternehmen umsetzen müssen.“ Bestandsaufnahme der Groupware kommunizieren. „Es sollte aus jedem Bereich der Gesamtumgebung Groupware-Psychologie Als Nächstes ist zu klären, welche Funk- eine im Projekt verantwortlich eingebun- tionen die Anwender in der alten Group- dene Person geben, die einschätzt, ob das Bereits die Frage nach dem richtigen ware überhaupt genutzt haben. Nur die Migrationsverfahren und das Zielsystem Client programm spricht nach seiner Mei- muss der Admin dann auch tatsächlich richtig sind.“ nung Bände: „Wir bei Tine 2.0 empfehlen bei einem Umzug berücksichtigen. Al- Dem stimmt auch Cornelius Weiss voll keine Clients. Zarafa unterstützt Outlook lerdings warnt hier Ingo Steuwer (Ab- und ganz zu: „Einfach nur zu fragen, sehr gut, Kolab bietet auch Support für bildung 7) von Univention (Abbildung welche Groupwarelösung die richtige KDEs Kontact. Ein modernes Webinter- 8, [4]): „Ein häufiger Fehler ist es, den ist, Zarafa, OX, Kolab, Citadel, Tine oder face ist unserer Meinung nach heute das tatsächlichen Bedarf der Endanwender Zimbra, das greift zu kurz. Groupware Wichtigste.“ falsch einzuschätzen. Dann gelten Alt- daten oder Funktionen des alten Systems Abbildung 3: Cornelius Weiss ist einer der Kern- entwickler von Tine 2.0 und Entwicklungsleiter bei Abbildung 4: Tine 2.0 ist aus Egroupware hervorgegangen, hat aber nichts mehr mit diesem zu tun. Gemein- der Metaways GmbH. sam mit Kolab haben die Entwickler das Open-Source-Active-Sync-Modul Synchotron zusammengestellt. 05/2013 Titelthema Groupware-Migration 22 www.linux-magazin.de Abbildung 5: Hat die FSFE und Kolab geprägt: Georg Greve, CEO von Kolab Systems. Aber bei den Clients fangen die Fragen erst an, denn hier sind die Details wich- tig: Gibt es in der IT-Architektur des Un- Abbildung 6: Kolab 3.0 ist jüngst erschienen, bringt Roundcube als Webmailer mit und will Outlook, Kontact, ternehmens Modelle für Benutzer-Rollen Thunderbird und Mobiltelefone unterstützen. und -Rechte oder Richtlinien für Geräte und Clients? „All das muss die Evaluati- Systems muss immer der User im Mittel- Projektplanung oder -leitung übersieht onsphase erfassen und mit der in Frage punkt stehen. Der Migrationsbeauftragte derart psychologisch-firmenpolitische kommenden Groupwarelösung in Ein- muss also regelmäßig Lieschen Müller Prozesse gerne. klang bringen.“ Dazu kommt, so Weiss fragen, was ihre Probleme sind.“ Der Auf- weiter, „die Frage: Was wird im Unter- wand lohnt sich, weil „ein frustrierter Logistik nehmen wirklich gelebt?“ Oft kämen in Benutzer immer teurer als die Dienstleis- Abteilungen – ohne Wissen der zentralen tung bei der Umstellung ist“. Doch auch logistisch erweist sich das als IT – Erweiterungen, Funktionen oder De- Die Rechnung gelte übrigens bei jeder eine große Herausforderung. „Trainings tails zum Einsatz, die die ganze Migra- Migration weg von Microsoft Exchange: planen, die Rollouts terminieren, die Mei- tion torpedieren, ganz ähnlich wie im „Man muss akzeptieren, dass auch Ex- nungsmacher vorab schulen, das sind Münchner Office-Migrationsprojekt. change Stärken hat, und wer seine Leute viele Parameter, die sehr unterschiedliche gegen deren Willen davon wegzwingt, Fähigkeiten verlangen“, erklärt Weiss. Negativ-Vorbild Limux hat ein Problem.“ Da sei es ganz wichtig, Sein Tipp: Wer eine Groupwaremigration den Menschen zu vermitteln, man helfe plant, soll den Projektplan fürs Einfüh- Dort hatten Admins bei der Bestandsauf- ihnen, ihre Aufgaben besser, schneller rungsprojekt mit allen Abteilungsleitern nahme plötzlich eine hohe fünfstellige und einfacher zu erledigen – eine absolut abstimmen, dabei genug Reserven ein- Zahl an wild gewachsenen, aber für den untechnische, aber aufwändige Arbeit. kalkulieren, aber den Plan detailliert und Betrieb zwingend notwendigen Format- vorlagen und Office-Makros gefunden. Einführungsprojekt „Hier ist es in der Bestandsaufnahme sehr, sehr wichtig, Ängste abzubauen Das gelingt dem leichter, der der Umstel- und Awareness für derlei Probleme zu lung ein Einführungsprojekt, also eine schaffen.“ In einer offenen Atmosphäre Art Pilotphase, voranstellt und dort die müssen die Migrationsbeauftragten die „kritischsten User reinnimmt. Die Mei- Mitarbeiter fragen: Wie arbeitet ihr, was nungsmacher sollen sich hier so richtig nutzt ihr, was braucht ihr? auskotzen“, erzählt Weiss. „Die Schu- Um das abzubilden, arbeitet Metaways lung und Begleitung, den Mitarbeitern mit Partnern wie Userprompt [5] zu- im Schneeballsystem den individuellen sammen, die mit psychologischen und Mehrwert der Umstellung zu vermitteln, didaktischen Methoden bei der neutralen das ist viel wichtiger und schwieriger Bestandsaufnahme helfen, etwa durch als die Migration technisch hinzubekom- Zufriedenheitsstudien oder Beratungs- men.“ Das sei angesichts
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