Der Zusammenbruch Der Werft Bremer Vulkan

Der Zusammenbruch Der Werft Bremer Vulkan

15_LessonsLearned 21.03.2005 13:48 Uhr Seite 54 15_LessonsLearned 21.03.2005 13:48 Uhr Seite 55 Lessons Learned Verloschen Der Zusammenbruch der Werft Bremer Vulkan Im August 1997 wurde die traditionsreiche Werft Bremer Vulkan geschlossen. Mit über 700 gebauten Schiffen hatte der Bremer Vulkan deutsche Schiffbau- geschichte geschrieben. Als Anfang vom Ende muss rückblickend der Amts- antritt von Friedrich Hennemann betrachtet werden, den der Bremer Senat nach ersten Turbulenzen 1987 als Manager einsetzte. Hennemann konstruierte ein komplexes Unternehmensgeflecht aus Finanzierungs- und Beteiligungsge- sellschaften, aus Reedereien und Maklern und übernahm fast die gesamte ost- deutsche Werftindustrie – andere wollten diese maroden Unternehmen nicht einmal geschenkt haben. Die Ursachen für den Zusammenbruch sind jedoch nicht nur bei Hennemann zu finden … Autor Ein kurzer Blick zurück befand sich daher in großen Schwierigkeiten. Frank Hinzu kamen die Tiefgangsprobleme der Weser, Romeike Alles begann im Vegesacker Hafen, der wäh- so dass große Schiffe nicht gebaut werden rend des Dreißigjährigen Krieges zwischen 1619 konnten. Schließlich begann Victor Nawatzki, ist Herausgeber der RISK- und 1622 von holländischen Wasserbauern er- der im November 1887 die Leitung der Lange- NEWS und Gründer und Initiator von RiskNET, dem richtet wurde. Schon recht früh entstanden dort schen Schiffbaubetriebe übernahm, mit der Su- führenden deutschsprachi- etliche Werften. Gut zweihundert Jahre später che nach einem potenten Käufer für die Lange- gen Internetportal rund um das Thema Risikomanage- hatte sich eine florierende Schiffbauindustrie Werft. Schließlich kauften am 23. Oktober 1893 ment. entwickelt. Im Hinblick auf den Bremer Vulkan der Bremer Großkaufmann Franz E. Schütte, der ist hierbei vor allem der Name Johann Lange er- Bankier Bernhard Loose, der Bremer Schiffs- wähnenswert, dessen Leben und Wirken ganz makler C. Aug. Bunnemann sowie der Vege- eng mit der Gründung dieser Werft verbunden sacker Reeder Friedrich Bischoff die Langesche ist. Lange war Werks- und Geschäftsführer bei Werft zu dem enorm günstigen Preis von der Jantzen-Werft und verantwortete den Bau 225.000 Mark. In Zukunft sollten nicht nur Schif- von insgesamt zehn Schiffen. Später gründete fe, sondern vor allem auch Antriebe gebaut wer- er seine eigene Werft und baute – nach Archi- den. Daher nannten die Gründer das Unterneh- ven des Bremer Vulkan – mit der „Weser“ das men: Bremer Vulkan, Schiffbau & Maschinenfa- erste Dampfschiff. 1833 gründete Lange in Bre- brik. merhaven eine Zweigniederlassung und ließ 1840 das erste Trockendock bauen. Der Ruf der Der Bremer Vulkan wird die Nummer Werft und ihres Schiffbaumeisters ging weit Eins über die Region hinaus. Nach Johann Langes Tod übernahm sein gleichnamiger Sohn den Be- Der Bremer Vulkan begann mit 60 Mitarbeitern trieb. Als gravierender Einschnitt für den Schiff- und fokussierte sich zunächst vor allem auf die bau in Vegesack erwies sich die Eröffnung des Seefischerei. Ende des 19. Jahrhunderts kaufte Suezkanals am 17. November 1869. Durch das der Bremer Vulkan die Konkurrenzwerft „Bre- Verbot von Seglern hatten insbesondere die bri- mer Schiffsbaugesellschaft Vegesack/Fähr“ und tischen Werften einen strategischen Vorteil. Der freute sich über volle Auftragsbücher. Die Wirt- Schiffbau in Vegesack befand sich zu Beginn schaftskrise von 1907 bis 1909 sorgte schließ- der neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts in ei- lich für einen brutalen Zusammenbruch aller ner Phase des Umbruchs. Die großen Reede- Perspektiven auf der Vegesacker Werft. 1600 reien verlangten größere Schiffe mit einer aus- Mitarbeiter verloren ihren Arbeitsplatz, die Pro- gefeilten technischen Ausstattung. Hierauf hat- duktion im Maschinenbau wurde halbiert und ten sich vor allem die großen Werften in Eng- der Schiffsbau auf etwa ein Viertel zusammen- land und Übersee spezialisiert. Die Lange-Werft gepresst. Den nächsten Aufschwung brachte RISKNEWS 02/05 55 15_LessonsLearned 21.03.2005 13:48 Uhr Seite 56 die Zeit vor dem ersten Weltkrieg. 18 Schiffe genden Zeit wurden die ersten 200-Meter-Tan- und etliche Dampfmaschinen wurden von etwa ker, Massengut- und Containerschiffe gebaut. 2800 Mitarbeitern gebaut. Nach den Rekordjahren am Ende der fünfziger Jahre, in denen die Bundesrepublik mehr Schif- Der Bremer Vulkan wird die Nummer Eins unter fe ablieferte, als alle übrigen Schiffbaunationen den deutschen Werften. 1916 wird das Reichs- zusammen, fiel der deutsche Schiffbau jedoch marineamt zum alleinigen Auftraggeber für die wieder in eine tiefe Krise, die auch der Bremer Werft. Nach Ausrufen des „unbeschränkten U- Vulkan zu spüren bekam. Trotz alledem gehörte Boot-Krieges“ werden vier U-Boot-Rümpfe so- die Phase Ende der sechziger Jahre zu den er- wie acht komplette U-Boote in Vegesack gefer- folgreichsten in der Werftengeschichte. In die- Es mag wohl drei Jahre her tigt. Nach dem Krieg wurden die Aufträge über ser Zeit wurden insgesamt 13 größere Schiffe sein, als an einem Abend, „graue Schiffe“ sehr schnell mit zivilen Aufträ- abgeliefert. an dem ich gerade in voller Arbeit war, mein verehrter gen ausgeglichen. So bestellte etwa Hapag aus Freund Loose ins Kontor Hamburg beim Bremer Vulkan zwölf Fracht- 1970 standen Neubauaufträge von 450.000 Ton- kam und sagte: kommen Sie! Haben Sie Lust? Wir dampfer „von den größten Abmessungen, die nen Tragfähigkeit in den Auftragsbüchern. Und wollen eine Schiffswerft der Bremer Vulkan bauen kann.“ 1918 betrug auch im Maschinenbau waren die Orderbücher kaufen. – Das wäre doch das letzte bei diesen trost- der zivile Auftragsbestand bereits über 370 Mil- voll. Im Mai 1973 wurde ein neues und moder- losen Aussichten, erwider- lionen Mark. nes Baudock in Betrieb genommen, um Schiffe te ich ihm. Da haben Sie Recht. Aber wenn wir die mit einer Tragfähigkeit von bis zu 450.000 Ton- Schiffswerft halb ge- Die Machtübernahme der Nazis traf den Bremer nen aufnehmen zu können. Leider blieben je- schenkt bekommen? – Nun, dann will ich kein Vulkan in einer Phase tiefster Depression. Zu doch die Aufträge aus. Die Ölkrise führte dazu, Spielverderber sein und dieser Zeit baute die Werft lediglich kleine dass Großtanker in Europa teilweise überflüssig will mir das Weitere überle- gen. (Dialog zwischen Schiffe, so genannte Logger. In der Zeit von wurden, da das Nordseeöl plötzlich eine größere Schütte und dem Bankier 1934 bis zum Ausbruch des Krieges im Jahr Rolle spielte. Hapag-Lloyd etwa wandelte 1975 Loose) 1939 wurden vor allem Handelsschiffe produ- einen Auftrag für einen Supertanker in sechs ziert. Grund hierfür waren unter anderem Auf- Containerschiffe um. Insbesondere die Konzen- träge aus dem Ausland, die am preisgünstigen tration auf den Tankerbau sahen viele als den und qualitativ sehr guten Schiffbau in Vegesack ersten Sargnagel für die deutschen Werften. nicht vorbeikamen. So gingen 1937 drei Viertel Große Stahlplatten konnten andere Nationen aller Handelsschiffe nach England, in die USA schlichtweg günstiger zusammenschweißen. sowie in die skandinavischen Staaten. 1975 waren vor allem die Japaner mit einem Ab- lieferungsvolumen von 50 Prozent führend im Schwieriger Neuanfang nach dem Schiffbau. Auf Platz zwei folgte Deutschland mit zweiten Weltkrieg einem Anteil von sieben Prozent. Zwischen Anfang des 20. Jahrhun- 1975 und 1980 verlor jeder vierte Mitarbeiter der derts werden in Vegesack Wie bereits zur Gründung der Werft konzen- Bremer Vulkan seinen Arbeitsplatz. 40.000 Bruttoregisterton- nen (BRT) abgeliefert. Da- trierte sich der Bremer Vulkan in den ersten mit war der Bremer Vulkan Nachkriegsjahren vor allem auf die Produk- die Nummer eins unter den Der Vulkan erlischt beinahe deutschen Werften. tion von Pontons und Fischereifahrzeugen. Doch der Beginn war schwierig: die deutsche Insbesondere zwei Aufträge führten bereits Handelsflotte war von vier Millionen BRT vor Ende der siebziger Jahre fast zum Zusammen- dem Krieg auf 80.000 BRT im Jahr 1945 ge- bruch des Bremer Vulkan. So entstanden beim schrumpft. Auch der Bremer Vulkan musste Bau des Luxus-Kreuzfahrtschiffes Europa 100 sich an das Verbot der Alliierten zum Bau von Millionen Mark Verlust in den Büchern der be- Schiffen halten. Die ersten Schiffe durften nicht teiligten Unternehmen. Grund hierfür war unter schneller als zwölf Knoten und nicht größer als anderem, dass die Konstrukteure schlichtweg 1.500 BRT sein und ihr Aktionsradius durfte überfordert waren und die geplanten Baukosten 200 Meilen nicht überschreiten. Erst ab 1949 überschritten wurden. So verdrehte sich etwa erlaubte das Washingtoner Abkommen den das Bugstrahlruder nach der Probefahrt zur Bau von Handelsschiffen in Deutschland. Daher Form eines Korkenziehers. Ein weiteres Ver- veränderte sich die Auftragslage der Bremer lustprojekt war das 1977 gestartete Fregatten- Vulkan ab 1950 schlagartig. Nun wurden im Programm F-122 der Bundesmarine. Nach Durchschnitt etwa zehn Schiffe jährlich gebaut Abschluss des Programms staunten die Betei- und geliefert. Auch die abgelieferte Antriebs- ligten über ein Finanzloch von 200 Millionen leistung stieg von 20.000 PS im Jahr 1950 auf Mark, das schlussendlich von der Bundesrepu- 95.000 PS nur vier Jahre später. Vor allem aus- blik Deutschland, also dem Steuerzahler, gefüllt ländische Reedereien gehörten nun wieder zum wurde. Bereits zum damaligen Zeitpunkt wäre 56 RISKNEWS 02/05 Kundenstamm des Bremer Vulkan. In der fol- der Bremer Vulkan in den Konkurs geschlittert, 15_LessonsLearned 21.03.2005 13:48 Uhr Seite 57 Lessons Learned wenn nicht der Bund mit 195 Millionen

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