Zur Sozial- Und Kulturgeschichte Des Fußballs

Zur Sozial- Und Kulturgeschichte Des Fußballs

FES Titel KMH (8)2006 17.11.2006 11:39 Uhr Seite 2 C M Y CM MY CY CMY K Beatrix Bouvier (Hrsg.) Zur Sozial- und Kulturgeschichte des Fußballs Gesprächskreis Politik und Geschichte im Karl-Marx-Haus Heft 8 Zur Sozial- und Kulturgeschichte des Fußballs Das Geburtshaus von Karl Marx (1818-1883) ge- hört zu den besonderen Sehenswürdigkeiten der Stadt Trier. Das von der Friedrich-Ebert-Stiftung ge- tragene barocke Bürgerhaus präsentiert eine Dauer- ausstellung zu Leben, Werk und Wirkung von Karl Marx und Friedrich Engels. Im nahegelegenen Studien- zentrum steht zusätzlich eine große Spezialbiblio- thek zur Verfügung. www.fes.de/karl-marx-haus ISSN 1860-8280 ISBN 10: 3-89892-572-2 ISBN 13: 978-3-89892-572-3 Probedruck Gesprächskreis Politik und Geschichte im Karl-Marx-Haus Heft 8 Beatrix Bouvier (Hrsg.) Zur Sozial- und Kulturgeschichte des Fußballs Friedrich-Ebert-Stiftung KMH Heft 8.indd 1 14.11.2006 17:07:41 ISSN 1860-8280 ISBN 10: 3-89892-572-2 ISBN 13: 978-389892-572-3 Herausgegeben von Beatrix Bouvier Studienzentrum Karl-Marx-Haus der Friedrich-Ebert-Stiftung, Trier Kostenloser Bezug im Studienzentrum Karl-Marx-Haus der Friedrich-Ebert-Stiftung Johannisstr. 28, 54290 Trier (Tel. 0651-97068-0) E-mail: [email protected] © 2006 by Friedrich-Ebert-Stiftung Trier Umschlag: Pellens Kommunikationsdesign GmbH, Bonn Druckerei: Bonner Universitäts-Buchdruckerei Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany 2006 KMH Heft 8.indd 2 14.11.2006 17:07:41 3 Inhalt Beatrix Bouvier Vorwort 4 Christian Koller Von den englischen Eliteschule zum globalen Volkssport: Entstehung und Verbreitung des Fußballs bis zum Ersten Weltkrieg 14 Dietmar Hüser Sport und Politik – Die FIFA in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts 37 Nils Havemann Fußball unterm Hakenkreuz 59 Thomas Schnitzler Fußball und Rassenhygiene: Der DFB-Gründungspräsident Ferdinand Hueppe 78 Thomas Raithel Sport als Chiffre? Das „Wunder von Bern“ und die deutsche Gesellschaft der 1950er Jahre 120 Giselher Spitzer Nationalmannschaft mit Maschinenpistole und Stahlhelm am antifaschistischen Schutzwall angetreten... Der DDR-Fuß- ballsport zwischen Funktionalisierung, Identitätsbildung und Double Identity 149 Diethelm Blecking Vom Polackenklub zu Türkiyem Spor – Migranten und Fußball im Ruhrgebiet 183 KMH Heft 8.indd 3 14.11.2006 17:07:41 4 Vorbemerkung der Herausgeberin Zur Sozial- und Kulturgeschichte des Fußballs Fußball sei mehr als ein Spiel: So oder ähnlich war der Tenor zahlreicher Veröffentlichungen, die sich im Jahr der Weltmeister- schaft in Deutschland über die sportlichen Ereignisse hinaus mit dem Thema „Fußball“, seiner Geschichte und seiner Bedeutung als kulturelles Phänomen beschäftigten. Nicht nur Bücher und eine kaum zu überschauende Publizistik haben sich des Themas angenommen, sondern auch universitäre Lehrveranstaltungen, wissenschaftliche Kolloquien und Veranstaltungen unterschied- licher Art. So hat beispielsweise die Initiative der Friedrich- Ebert-Stiftung „Fans for Football“ große Beachtung gefunden. Und mit sozial- und kulturgeschichtlichen Aspekten hat sich die Vortragsreihe im Trierer Studienzentrum Karl-Marx-Haus der Friedrich-Ebert-Stiftung beschäftigt, die hier dokumentiert wird. Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass Fußball der Sport ist, den sich – fast – die ganze Welt zu eigen machte. Untrennbar mit der Entwicklung zur Massengesellschaft verbunden, wurde er im 20. Jahrhundert Teil der Populärkultur. Die große und bedeutsame Ausnahme bilden die USA, die als Vorreiter der und führend in der Populärkultur beim Fußball eher eine Außenseiterrolle ein- nehmen.1 Eine These dazu geht von verschiedenen Faktoren des „amerikanischen Sonderwegs“, des „american exceptionalism“ aus, bei dem Parallelen des gesellschaftlich begrenzt akzeptierten Soccer, wie es im amerikanischen Sprachgebrauch heißt, mit dem wenig vorhandenen Sozialismus aufgezeigt werden. Dieser ame- rikanischen Besonderheit ist Werner Sombart bereits zu Beginn 1 Vgl. Andrej S. Marcovits, Steven L. Hellerman, Im Abseits. Fußball in der amerikanischen Sportkultur, Hamburg 2002. KMH Heft 8.indd 4 14.11.2006 17:07:42 5 des 20. Jahrhunderts nachgegangen.2 In Distanzierung zum ari- stokratisch geprägten Europa noch des 19. Jahrhunderts wurde in den USA das bürgerliche Ideal des freien Individuums auf einem freien Markt propagiert bzw. die Vorstellung davon erzeugt. Im Hinblick auf den Sport, so die These von Marcovits/Hellerman, habe das kapitalistische Konzept vom freien Spiel der Kräfte die identitätsstabilisierende Umformung der aus England impor- tierten Sportarten Rugby und Cricket in die dann als „typisch amerikanisch“ geltenden Sportarten Football und Baseball geför- dert. Als der Fußball gegen Ende des 19. Jahrhunderts von Groß- britannien aus seinen Siegeszug um die Welt antrat und zum kul- turellen und dann populärkulturellen Bestandteil vieler Völker wurde, war die amerikanische Sportkultur – nicht zuletzt in Ab- grenzung von Europa – bereits von jenen zwei Sportarten ge- prägt, die als typisch amerikanisch den American Way of Life repräsentierten. Dies wiederum habe die Integration des Fußballs in die Populärkultur blockiert. Soccer blieb nicht zuletzt deshalb einerseits „Immigrantensport“ und andererseits Elitesport, der anders als sonst auf der Welt nicht auf den Straßen gespielt wird, sich gleichwohl als Collegesport einiger Beliebtheit erfreut. Wenn die Entwicklung des modernen Fußballs mit der Entwick- lung zur Massengesellschaft verbunden ist, so gingen mit dieser Entwicklung zentrale Modernisierungsmerkmale einher: Indus- trialisierung, Verstädterung, öffentliche Erziehung auf der Basis eines gewandelten Körperverhältnisses und Teilnahme von Men- schen am öffentlichen Leben. Zur modernen Gesellschaft – und dem modernen Sport – zählen zudem Disziplin, die das Leben und die Arbeit in der industrialisierten Umgebung erfordern, Trennung von Freizeit und Arbeit und organisierte Erholung für 2 Werner Sombart, Warum gibt es in den Vereinigten Staaten keinen Sozialis- mus?, Tübingen 1906. KMH Heft 8.indd 5 14.11.2006 17:07:42 6 die Massen. Hinzu kommen ein billiges und effektives öffent- liches Transportsystem sowie schnelle und allgemein zugäng- liche Massenkommunikationsmittel. Sport als Teil des öffent- lichen Lebens war wie die Gesellschaft im Prozess der Moderni- sierung wesentlich von zwei widerstreitenden gesellschaftlichen Kräften bestimmt: den Interessen des Bürgertums und denen der Industriearbeiterschaft. Schließlich ist ein Faktor zu nennen, der den organisierten Sport als kulturelles Phänomen beeinflusste, nämlich der Nationalismus als bedeutsames Charakteristikum der Moderne. Fußball eignet sich dazu, Stereotype zu bestätigen, sowohl in Bezug auf das Selbst- als auch das Fremdbild. Für manche kann die Sicht auf die Welt stark vom Fußball geprägt werden. Die Geschichte des Fußballs ist nicht allein die Geschichte eines kulturellen Phänomens. Sie ist und bleibt auch eine Geschichte sozialer Ein- und Ausgrenzung, eine des Kampfes von Unterpri- vilegierten für materielle Lebenschancen und nicht zuletzt eine der Profitmaximierung. Denn dass der einstmalige Elitesport zum Massensport werden konnte, hat auch mit harten ökonomischen Fakten, insbesondere mit früher Kommerzialisierung und Profes- sionalisierung des Spiels zu tun. Sie erst ermöglichten es den An- gehörigen der unteren Schichten, an der sportlichen Spitze mitzu- mischen. Christian Koller (Zürich) beschrieb in seinem Vortrag die Ent- wicklung des Fußballs vom Spiel der englischen Eliteschulen hin zum globalen Volkssport und seiner Verbreitung bis zum Ersten Weltkrieg.3 Die Anfänge des Fußballs reichen freilich weiter zu- rück als die seiner modernen Variante. Frühe Vorformen finden sich in vielen Kulturen der Welt, so auch in Europa, im Mittelal- 3 Christian Koller, Fabian Brämdle, Goal! Kultur- und Sozialgeschichte des modernen Fußballs, Zürich 2002. KMH Heft 8.indd 6 14.11.2006 17:07:42 7 ter etwa in Italien und England. Dieser wilde Volksfußball wurde in England – wohl wegen seiner Exzesse – mehrfach verboten und verschwand, um zu Beginn des 19. Jahrhunderts wiederauf- zuleben und zwar an den Eliteschulen. Die Lösung von Diszi- plinproblemen und die Vermittlung neuer Werte für die Kinder der aufstrebenden Mittelschichten ließen sich durch den Fußball erreichen. Ehemalige Schüler gründeten Klubs, und Spielregeln für das „Gentlemen-Spiel“ entstanden. Damit einher ging bald die Förderung des Sports auch als „sinnvoll“ genutzte Freizeit. Mit der Popularisierung verbunden waren Ansätze zur Professio- nalisierung und gleichzeitig Kommerzialisierung. Dies bedeutete zugleich eine Abwendung der Oberschichten vom Fußball, der dann unter den Arbeitern Großbritanniens schnell Verbreitung fand. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatten sie einen Lebens- standard erreicht, der ihnen den Sport ermöglichte: einen freien Samstagnachmittag, Mittel für die Ausrüstung, für Eintrittskarten und die Anfahrt. Mit der Zunahme an Aktiven und Zuschauern entstand ein Markt, der wiederum die Ausbreitung des Fußballs beschleunigte. Seine rasche Verbreitung als „English Way of Life“ zuerst in industriell weit entwickelten Staaten des Konti- nents, dann in Südamerika, war eine Art direkten und indirekten Kulturtransfers über englische Kaufleute, Lehrer oder Angestell- te von englischen Firmen. Im wilhelminischen Deutschland hatte es der Fußball mit seinem deutlichen Wettbewerbscharakter ge- gen das favorisierte und vorwiegend gemeinschaftsorientierte Turnen zunächst schwer. Doch als Fußball schließlich am Vor- abend des Ersten Weltkrieges in die Ausbildungspläne

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