+ tc14 A 08.04.2005 9:23 Uhr Seite 1 testcard Beiträge zu einer avancierten Gegenwartskultur, die zwar strukturell der Hochkultur zuzurechnen wäre, aber nicht im Gewand traditioneller Hochkultur daherkommt, sondern genealogisch an die Tradition der angloamerikanischen Popkultur seit Mitte der 1960er-Jahre beziehungsweise an die historischen Avantgarde- und Neoavantgarde-Bewegungen anknüpft, und die sich gleichzeitig weigert, sich der neokonservativen oder neofaschistischen Reaktion zu ergeben. #14: Discover America Ventil Verlag + tc14 A 08.04.2005 9:23 Uhr Seite 2 inhalt Editorial Thomas Venker Roger Behrens 4 AEM. American Electronic Bossa Nova. Fünf Versuche Music – Sounds ohne local einer Annäherung Nachruf auf Tine Plesch scene(s) 79 6 42 Robert Engelbrecht Jens Thomas Matthias Schönebäumer Das Brummen eines Alle gegen einen. Ursachen We Almost Lost Detroit. Kontinents. Drones und und Folgen des Antiamerika- Pop-Standort Detroit: Minimalismus nismus Schwarze Musikkultur 90 8 zwischen Verfall und Aufschwung Hans Plesch Oliver Uschmann 50 Christian Wolff und Frederic Die Guten und die Bösen. Rzewski. Zwei amerikanische Beobachtungen zum Yvonne Kunz Komponisten amerikanischen Aufstand America brought to you 96 gegen George W. Bush by IKEA. Williamsburg 2004 16 58 Yvonne Kunz USA à la Carte. Grand Buffet: Martin Büsser Christian Schmidt Independent im Wildlife Park Befreite Klänge. Die neue Von Amerika lernen heißt des weißen Mittelstands- Lust an Experiment und siegen lernen! Die US-Zine- amerika Kollektiv – von Black Dice Kultur 102 bis Load Records 64 24 Silke Hackenesch Jens Petz Kastner The Wrong Nigga to Fuck Wit! Christoph Jacke ¡Vivan las Americas! Die HipHop-Kultur als Quiet is the New Loud. Neozapatismus und Popkultur zeitgenössische Form des Neue stille Songschreiber 72 Black Freedom Struggle? in den USA 108 34 + tc14 A 08.04.2005 9:23 Uhr Seite 3 Simon Strick Holger Roemers Manfred Heinfeldner Rap und Tod. Vom Gangsta Rap It’s a Whole New World Im Rhythmus des Beat. zu den amerikanischen Out There. 54, Almost Famous Das andere Amerika schrei(b)t Rap-Megastars der 1990er und Rock Star: Hollywoodfilme 198 114 über das Pop-Milieu 148 Peter Bräunlein Ina Beyer Kritischer Cowboy. Smells Like Queer Spirit Andreas Rauscher Kinky Friedman zwischen 118 Doing the Right Thing. Subversion und Klamauk Die Filme von Spike Lee 204 Tim Stüttgen 154 Made in USA. Gender Studies Bernhard Herbordt und ihre Wirkung auf die Thomas Ballhausen Komar & Melamid. Mythos, Popkultur Das Vietnamtrauma im American Dreams und die 126 Horrorfilm. Jacob’s Ladder 164 Affirmative Ästhetik 208 Katja Scheer Marcus Stiglegger White Fantasy of Overcoming Heimatfilme … Discovering Rezensionen Ton Racism. Die Riot Grrrl- Oliver Stones Amerika 212 Bewegung zwischen Anspruch 171 und der Bildung eines weißen Rezensionen Papier Subjekts »Grrrl« Susann Witt-Stahl 252 136 USA, Israel, die Linke und die Kulturindustrie. Im Gespräch Rezensionen Film Martin Büsser mit Moshe Zuckermann 293 Beschädigte Provinz. Die Filme 180 des Harmony Korine Impressum/Abo 140 Franziska Meifert 302 USA-Lektüren. Eine aktuelle Bücherschau 186 + tc14 A 08.04.2005 9:23 Uhr Seite 4 4 | testcard #14 Editorial Discover America, benannt nach weil es hier nun nicht nur gilt, dem gleichnamigen Titel einer Hitler (den »bösen Verführer« LP von Van Dyke Parks aus dem der Deutschen), sondern mit ihm Jahre 1972, lädt ein, ein Land neu auch gleich die »amerikanischen zu entdecken. Viele Linke erliegen Besatzer« zu entsorgen. Doch hierzulande dem sie mit der während sich die deutsche Kultur Rechten wundersam einenden derzeit in einer Art Racheakt Kurzschluss, dass US-amerika- gegen alles »Amerikanische« und nische Kultur und Mentalität ja als amerikanisch Empfundene längst bekannt seien und sich auflehnt, bemerken deren Wort- auf McDonald’s, Hollywood und führer zugleich gar nicht, wie sehr Michael Jackson – kurz: auf so sie selbst noch einen Großteil genannten Kulturimperialismus – ihrer nun »gegen Amerika« ein- reduzieren ließen. Der in Deutsch- gesetzten Ausdrucksmittel alleine land neu erstarkte Antiameri- den USA zu verdanken haben – kanismus, dem nicht nur linke allen voran all jene Pop-Natio- Antiimp-Blätter und rechte nalen, die sich für eine Deutsch- NPD-Organe, sondern auch die Quote im Radio ausgesprochen bürgerlichen Medien zum Groß- haben und ohne den Rock’n’Roll teil erlegen sind, macht sich nicht doch gar nichts wären. Ihre Na- nur der dummen Gleichsetzung men lassen sich auf der Home- eines zugegebenermaßen gefähr- page des »Vereins deutsche lichen Präsidenten mit »den Sprache« nachlesen (www.alle- USA« oder »den Amerikanern« in-eigener-sache.de), die sich schuldig, sondern spielt auch der bereits ästhetisch als offen ideo- seit drei bis vier Jahren massiv logisch positioniert – mit dem vorangetriebenen Renationalisie- Bild der Germania, das Schwert rung Deutschlands in die Hände. in der einen Hand in den Himmel Es gibt offenkundige Parallelen, gereckt, in der anderen eine wenn nicht Wechselbeziehungen E-Gitarre. Indie- und Rap-Durch- zwischen Antiamerikanismus schnitt wie 2RAUMWOHNUNG, und einer sich stolz pazifistisch Maximilian Hecker, Mieze (MIA), gerierenden Positionierung als SPORTFREUNDE STILLER, FURY von amerikanischen Machthabern IN THE SLAUGHTERHOUSE, verschmähtes »Old Europe« Moses Pelham, Smudo und Xavier einerseits und einer reaktionären Naidoo betteln auf dieser Seite bis revanchistischen Geschichts- ebenso bedenkenlos um die schreibung andererseits, die uns bereits im Bundestag verhandelte »die Deutschen« als ein geläuter- Quote wie all jene Abgehalfter- tes wie auch einst von Hitler und ten, die Angst haben müssen, Weltkrieg »unterjochtes Volk« ihr Geld ohne Quote bald mit verkaufen will – die Rede ist unter Auftritten auf HL-Markt-Park- anderem von Jörg Friedrichs platzfesten verdienen zu müssen, Büchern über ein »Bombenopfer- darunter Ina Deter, Wolf Maahn, land«, von Guido Knopps ZDF Achim Reichel, Peter Schilling, History und von Filmen wie Das Stefan Waggershausen, Pe Werner Wunder von Bern. und Frank Zander. Die Initiative George W. Bush kam, scheint erklärt derweil unverhohlen, dass es, für die Deutschen zur rechten ihre Quotenforderung keineswegs Zeit, konnte als Anlass genom- deutschtümelnd sei: »Dieses men werden, den neuen natio- ewiggestrige Argument ist nalen Taumel in vermeintlicher dümmlich. Die jetzige Quasiquote Unschuld zu zelebrieren – ein ist amerikatümelnd.« Das alte Taumel, der deshalb ebenso pazi- Argument: ›Wer gegen uns ist, fistisch wie poppig daherkommt, ist für Amerika.‹ + tc14 A 08.04.2005 9:23 Uhr Seite 5 Editorial | 5 In der Hoffnung, dass sowohl hierzu markante Worte: »Die Bands wiederum, etwa BLACK die Quoten-Debatte wie auch die ganze Download-Debatte sollte DICE und ANIMAL COLLECTIVE Namen der eine Quote unterstüt- die Plattenindustrie endlich aus New York, haben die Kollek- zenden Musiker bald vergessen dazu bringen, etwas kreativer zu tivimprovisation des Free Jazz sein werden, bekennen wir ohne werden. Ein Teil der Kreativität auf ihre musikalisch nicht mehr Scham, eine amerikatümelnde könnte darin bestehen, den Kids determinierte Mischung aus Folk, testcard-Ausgabe zusammen- keine CDs mehr für 20 Dollar Elektronik und Post-Punk über- gestellt zu haben. Dass diese eine anzudrehen, die aus einem Hau- tragen, arbeiten also an einer mu- Kritik am jetzigen Präsidenten, fen beschissener, morgen schon sikalischen Enthierarchisierung, an christlichen Fundamentalisten vergessener Musik bestehen, dar- die bei ANIMAL COLLECTIVE und sexistischen Rednecks nicht geboten in miserablem Artwork noch dadurch betont wird, dass ausschließt, sondern im Gegenteil und hässlicher Plastikhülle.« sich alle Musiker nach Tierarten bedingt, wenn es um die Frage Das Do-it-yourself-Prinzip benannt haben und ihre Identi- geht, an welcher Stelle wir von der Independent-Labels ist selbst täten meist hinter Tiermasken Amerika lernen können, versteht noch kein Ausdruck politischen verbergen. sich von selbst. Dagegens, sondern verkörpert le- Wenn beleidigte Deutsche Ein Großteil der hier versam- diglich den alten amerikanischen sich für die Radio-Quote stark melten Artikel handelt von Künst- Wahlspruch, dass jeder ganz machen und von »angloamerika- lern, Musikern und Filmemachern, alleine für seinen Erfolg auf dem nischer Dominanz« sprechen, die gemeinhin dem »anderen Markt verantwortlich ist. Inzwi- erwähnen sie all diese in den USA Amerika« zugerechnet werden. schen haben viele junge Musiker entstandenen Netzwerke und Dieser Begriff ist allerdings selbst Do it yourself jedoch als Politi- deren vielfältige Ausdrucksweisen problematisch, impliziert er kum für sich wiederentdeckt mit keinem Wort. Sie erwähnen doch, es gäbe immer schon ein und knüpfen damit an vergleich- sie entweder nicht, weil diese »average America« – das Amerika bare Netzwerke wie das in den ungemein anregende Musik so eines George W. Bush –, von dem 1980ern entstandene Dischord gar nicht in ihr Bild vom »auslän- dieses »andere«, dem wir Euro- Records an. In erster Linie handelt dischen Schund« (Heinz Rudolf päer uns näher fühlen, das wir es sich bei den neuen Netzwerken Kunze) passen mag, weil sie so- gerne auch als europäisch verein- um Mainstream-Verweigerung, wieso in keinem Radio vor oder nahmen, abweicht. Wer so über also um eine popinterne Abgren- nach der Quote gespielt würde andere urteilt, muss sich gefallen zung, die oft jedoch auch poli- oder weil sie diese Musik einfach lassen, dass viele Menschen im tische Konsequenzen nach sich nicht kennen, aufgrund einer Ausland den durchschnittlichen
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