6. September 1949: Fraktionssitzung1

6. September 1949: Fraktionssitzung1

CDU/CSU – 01. WP Fraktionssitzung: 06. 09. 1949 [3.] 6. September 1949: Fraktionssitzung1 ACDP, VIII-001-1006/1. Zeit: 12.00 Uhr–14.40 Uhr und 19.00 Uhr–20.30 Uhr. 1. Vertreter der Presse in den Fraktionssitzungen 2. Bundesratspräsident - Bundespräsident - Koalitionsverhandlungen 3. Koalitionsbildung 4. Sitzung des Ältestenrates: Vorbereitung der ersten Sitzung des Bundestages, darin auch: Nationalhymne, Bundestagspräsident, Konstituierung des Bundesrates, Sitz- ordnung 5. Sitzung der Bundesversammlungsfraktion Dr. Adenauer: Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst feststellen, daß in dem Kurzprotokoll ein Fehler ist. Wir haben in unserer Sitzung nicht etwa einen ersten Vorsitzenden, zwei zweite und einen dritten Vorsitzenden gewählt, sondern wir haben gewählt einen ersten Vorsitzenden und drei Vertreter zu gleichen Rechten.2 Ich weiß nicht, ob in der Presse etwas Ähnliches gestanden hat wie in dem Protokoll. Wenn etwas Derartiges dringestanden hat, dann muß es korrigiert werden. Wir haben unsere Pressevertreter hier, und zwar die Herren Krueger, Lubbers und Böx. Sind das die ein- zigen, die hier sind? (Zuruf: Und Junges!) Sind Sie damit einverstanden, daß bei dieser Diskussion die Herren anwesend sind? Ich würde Ihnen empfehlen, ja zu sagen. Ich glaube, wir haben die Gewähr, daß diese Her- ren nichts an die Öffentlichkeit bringen, was nicht an die Öffentlichkeit kommen darf. (Zuruf Dr. Vogel: Ich möchte bitten, den Rolf Vogel auch zuzulassen. Er vertritt zwei Zeitungen.) Aber Sie übernehmen die Gewähr. (Dr. Vogel: Ja!) Damit sind Sie einverstanden? (Zustimmung!) Ich habe Ihnen gestern vorgetragen, daß heute nachmittag die Frage des Vorsitzes im Bundesrat entschieden wird. Ich habe auf die große Bedeutung dieser Frage hingewie- sen3, so daß ich mich darauf beschränken kann, die wesentlichsten Gesichtspunkte zu wiederholen. Wir waren hier – Widerspruch ist von keiner Seite laut geworden – der Auffassung, daß der bayerische Ministerpräsident Dr. Ehard Vorsitzender des Bundes- rates werden sollte aus zwei Gesichtspunkten: einmal damit auch Süddeutschland an einer sichtbaren Stelle in die Erscheinung tritt und zweitens, weil Herr Ministerpräsi- dent Ehard – und das ist gerade für die CSU in Bayern in ihrem Kampf gegen die Bay- 1 Protokoll abgedruckt in: Udo Wengst (Bearb.), Auftakt zur Ära Adenauer. Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung 1949, Düsseldorf 1985, Dokument Nr. 61, S. 241–278. Sofern die folgenden Fußnoten lediglich unter der Angabe einer Nummer auf Dokumente verweisen, bezieht sich das auf den eben genannten Band. 2 Vgl. Nr. 50, S. 184. 3 Vgl. Nr. 59, S. 222f. Copyright © 2018 KGParl 1 CDU/CSU – 01. WP Fraktionssitzung: 06. 09. 1949 ernpartei wichtig – in dieser Form die politische Entwicklung mit beeinflussen kann. Wir waren uns darüber klar, daß ohne die Hilfe der FDP im Bundesrat dieses Ziel nicht zu erreichen ist. (Bausch: Sind doch instruiert von den Kabinetten der Länder!) Nein, die sind nicht instruiert von den Ländern4, sondern es ist so, daß diese Verpflich- tung, den Kabinettsbeschlüssen entsprechend abzustimmen, sich auf die Angelegenheit bezieht, die nach dem Grundgesetz mit der ganzen Gesetzgebung und Verwaltung zu- sammenhängt. Es bestand im Vorstand wohl Einmütigkeit darüber – das liegt wohl auch in der Natur der Sache –, daß nicht bei der Frage der Wahl des Vorsitzenden und seines Vertreters oder zweier Stellvertreter nach Kabinetten dort entschieden wird. Nun hat Herr Vogel davon Mitteilung gemacht, daß Herr Hilpert gestern eine Aufstel- lung gemacht habe, wonach zur Erreichung dieses Zieles absolut notwendig ist, daß wir die demokratischen Stimmen dafür bekommen. Wir waren im Vorstand, und ich glau- be, Sie werden diese Ansicht teilen, der Auffassung, daß die Frage des Bundespräsiden- ten jetzt geklärt werden muß, einmal im Hinblick auf die Sache selbst und zweitens im Hinblick auf die Abstimmung, die heute nachmittag im Bundesrat erfolgen soll. Wir haben in Aussicht genommen, vor dieser Sitzung des Bundesrates eine Bespre- chung mit den Vertretern der FDP und der DP abzuhalten, um bei dieser Besprechung die Angelegenheit absolut klarzulegen, daß die der FDP angehörigen Mitglieder des Bundesrates für Herrn Ehard stimmen. Wir waren uns weiter im Vorstand darüber klar, daß das nicht zu erreichen wäre, wenn nicht die Frage des Bundespräsidenten jetzt gelöst würde. Nach eingehenden Beratungen nach allen Richtungen hin ist der Vor- stand mit 13 gegen 3 Stimmen bei einer Stimmenthaltung zu dem Beschluß gekommen, Ihnen vorzuschlagen, Herrn Heuss als Bundespräsidenten zu wählen, Vorbehalten, daß auf der ganzen Koalitionsebene, Minister usw., eine Verständigung zwischen der FDP, der Deutschen Partei und uns erfolgt. Die bisherigen Verhandlungen waren nur unver- bindlicher Art, sowohl von uns wie auch von den anderen Seiten. Es sind, wie ich heute früh durch eine Radiomeldung gehört habe, in den gestern abgehaltenen Fraktionssit- zungen der FDP5 und der Deutschen Partei Kommissionen gewählt worden, die mit uns über die Koalition verhandeln sollen.6 In gleicher Weise würden auch wir sechs Herren zu bestimmen haben. Wir können das gleich machen. Es wird Ihnen vom Vor- stand vorgeschlagen, dazu zu bestimmen die vier Vorsitzenden sowie die Herren Gengler und Gerstenmaier. Das ist das Ergebnis der langen und ausgedehnten Beratun- gen im Vorstand. Ich möchte Ihnen zum Schluß sagen, daß sich alle Beteiligten darüber klar sind, daß, wie es im politischen Leben keine Ideallösung gibt, […] auch die Nomi- nierung des Herrn Heuss als Bundespräsident keine Ideallösung [ist]. Wir waren uns auch darüber einig, daß für unsere Partei damit eine gewisse Gefahr verbunden sei, aber wenn man sich vor Augen hält, daß wir uns hier wohl einmütig auf den Standpunkt gestellt haben, daß der Bundeskanzler die wichtigste und für unsere Parteientwicklung entscheidende Figur sei, zusammen natürlich mit dem Kabinett, jedenfalls entscheiden- 4 Vgl. Nr. 60 mit Anm. 4. 5 Über den Verlauf dieser Sitzung, über die bisher kein Protokoll gefunden wurde, meldete dpa-Inland (Nr. 35) am 5. 9. 1949: »Der Parteivorsitzende Professor Dr. Heuss gab den 52 Abgeordneten einen Überblick über die politischen Aufgaben der FDP. Minister a. D. Blücher berichtete anschließend über seine bisherigen Verhandlungen mit den anderen Parteien.« Wildermuth schrieb in sein Tage- buch: »Um 9.00 Uhr im Bürgerverein (nomen est omen ?)Fraction. Manches geht ganz ordentlich. Es ist erstaunlich, wie minderwertig jede Art von Nationalismus macht.« NL Wildermuth 28. 6 Ihnen gehörten laut Bericht Nr. 52 von dpa-Inland vom 6. 9. 1949 für die FDP die Abgeordneten Blücher, Schäfer, Oellers und Wellhausen, für die DP Seebohm, Kuhlemann und Frau Kalinke an. Copyright © 2018 KGParl 2 CDU/CSU – 01. WP Fraktionssitzung: 06. 09. 1949 der als die Figur des Bundespräsidenten, dann kommt man zwangsläufig zu dem Er- gebnis, das ich Ihnen als die Meinung des Vorstandes unterbreitet habe. Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sich dieser Ansicht der großen Mehrheit des Vorstandes anschließen würden, und zwar möglichst ohne lange Diskussion. Es läßt sich natürlich an jeder Lösung sehr viel kritisieren, aber ich wiederhole nochmals: Die Politik ist die Kunst des Möglichen, und wir haben keine absolute Mehrheit. Wir sind darauf ange- wiesen, mit der FDP und der Deutschen Partei eine Regierung zu bilden. (Zuruf: Verlangt die FDP unter allen Umständen, daß der Bundespräsident ihr angehö- ren muß, unter der Bedingung, daß sie eine Koalition eingeht oder nicht?) Es haben Koalitionsverhandlungen in dieser Schärfe bisher überhaupt noch nicht statt- gefunden, aber ich glaube, mit einer an absolute Sicherheit grenzenden Wahrscheinlich- keit Ihnen sagen zu können: ja.7 Das Wort hat Herr Pünder. Dr. Pünder: Ich möchte mich dem Vorschlag des Vorstandes anschließen. Ich habe schon in einer Vorbesprechung ausgeführt, wenn die Kanzlerschaft Adenauer heißt, dann müsse der Bundespräsident drei Voraussetzungen mitbringen: 1. dürfe er nicht der CDU/CSU angehören, 2. müsse er ein evangelischer Christ sein und 3. dürfe er nicht aus Westdeutschland sondern aus Süddeutschland stammen. Diese drei Voraussetzungen sind bei Herrn Heuss gegeben. Das ist wohl keine Ideallö- sung. Herr Adenauer hat das auch schon betont, aber ich glaube, ein Mann, der diese drei Voraussetzungen uns bietet, ist außer seiner Person nicht zu finden. Aus diesem Grunde möchte ich mich dem Vorschläge anschließen. Dr. Adenauer: Das Wort hat Herr Hilpert. Dr. Hilpert: Wenn nach den Ländern abgestimmt werden soll, bin ich persönlich der Meinung, daß Dr. Maier mit uns stimmt.8 Dann würden wir 24 Stimmen haben. Wird nach Personen abgestimmt, dann haben wir bestenfalls 23 Vertreter.9 Dann müßten wir noch einen Vertreter von der FDP, denn die DP ist im Kabinett nicht vertreten, her- überziehen. Ich bin der Meinung, daß eine Verkoppelung in der Frage des Bundesprä- sidenten notwendig ist, zumindest müßte man das überprüfen. Zur Frage der Persönlichkeit des Bundespräsidenten, der im Vorstand Ihre Zustim- mung gefunden hat, darf ich Ihnen folgendes sagen: Ich habe seit geraumer Zeit, beson- ders aber seit der letzten Fraktionssitzung ein beunruhigendes Gefühl bekommen, daß wir unter Umständen in allen sachlich wohlerwogenen Gesichtspunkten und hinsicht- lich der Parteientwicklung mit der Wahl dieses Bundespräsidenten ein außerordentli- ches Handicap bekommen. Ich bin der Meinung, daß man eigentlich alles daransetzen müsse, diese Frage noch in der Schwebe zu halten, weil in der Zwischenzeit soviel Mo- mente gerade vom Standpunkt der Evangelischen

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