›ICH MÖCHTE LEBEN …‹ 100 Jahre Waldorfschule Eurythmie zum Jubiläum Else-Klink-Ensemble Eurythmeum Stuttgart Als das Kind Kind war, ging es mit hängenden Armen, wollte, der Bach sei ein Fluss, der Fluss sei ein Strom, und diese Pfütze das Meer. Peter Handke, aus: ›Lied vom Kindsein‹ Gratulation Waldorf 100 – Ein Eurythmieprogramm zum Geburtstag Die Waldorfpädagogik ist von Stuttgart aus in die Welt Beginning in Stuttgart, the impulse of Waldorf education gegangen und hat sich fast über die ganze Erde ausgebreitet. has since grown and expanded to almost every corner of the Das Eurythmeum Stuttgart und mit ihm das Else-Klink- earth. The Eurythmeum Stuttgart and the Else Klink Ensem- Ensemble fühlen sich diesem Schwesterimpuls zutiefst ble feel deeply connected to this partner initiative, not least verbunden, nicht nur, aber auch, weil viele von uns selbst because many of us were Waldorf school students ourselves: einmal Waldorfschüler waren: in der Stuttgarter Ur-Schule, at the Uhlandshöhe – the very first Waldorf school, as well in anderen deutschen Waldorfschulen, in Australien, Argen- as at other schools all over Germany, in Australia, Argentina, tinien, in Japan, Süd-Korea, den USA oder Israel. Selbstbe- in Japan, South Korea, the USA and Israel. The old cliché wusst haben Waldorfschüler das, was ursprünglich vielleicht that Waldorf students can dance their name is now a badge einmal spöttisch gemeint war, nämlich, dass sie ihren ›Namen worn with pride and thus eurythmy has become a unique 5 tanzen‹ können, längst positiv besetzt, und so ist das Fach and well-known subject taught at Waldorf schools every- Eurythmie heute vielleicht zum bekanntesten Alleinstel- where. For us, the eurythmists of the Else Klink Ensemble, lungsmerkmal der Waldorfschulen geworden. Wir, die Mit- it is our passion and our profession – in art for the stage glieder des Else-Klink-Ensembles, haben die Eurythmie sogar and in education. With the program ›Ich möchte leben …‹ zu unserem Beruf gemacht – in der Kunst und in der Pädago- (›I want to live …‹) we wish to congratulate and to celebrate gik! Mit unserem Programm ›Ich möchte leben …‹ gratulieren the Uhlandshöhe Waldorf school and all the Waldorf schools wir von Herzen der Freien Waldorfschule Uhlandshöhe in throughout the world on this momentous anniversary of 100 Stuttgart und allen anderen Waldorfschulen weltweit zum years of Waldorf education. We wish you joy and strength 100. Geburtstag der Waldorfpädagogik! Wir wünschen viel for the next 100 years! Freude und Kraft auch für die kommenden 100 Jahre! The heart of our eurythmy program focuses on the many Unser Eurythmieprogramm ist auf vielfältige Weise dem layers of being a child and of growing up. Childlike play, Kind-Sein und dem Heranwachsen gewidmet. Kindliches childlike amazement, questions and trials, but also youthful Spiel, kindliches Staunen, Fragen und sich Erproben, aber self-becoming and self-determination resonate throughout auch jugendliche Selbst-Werdung und -Bestimmung klingen the performance. A composition by the 16-year-old Gustav Die Freiheit der Phantasie ist an. Eine Komposition des 16-jährigen Gustav Mahler eröffnet Mahler opens the program, the title of which ›Ich möchte unser Programm, dessen Titel ›Ich möchte leben …‹ einem leben …‹ (I want to live) is taken from a poem by 17-year-old keine Flucht in das Unwirkliche; Gedicht der 17-jährigen Selma Merbaum entnommen ist, Selma Merbaum, which gives us a harrowing insight into her die uns ihren unerschrockenen Lebenswillen und dessen intrepid will to live in the face of great danger. Bedrohung erschütternd erlebbar macht. sie ist Kühnheit und Erfindung. However, not only childhood and adolescence are addres- Aber nicht allein Kindheit und Jugend kommen zu Wort. Es sed. For the question also arises (Handke, Lied) of how Eugène Ionesco stellt sich auch die Frage danach (Handke, Lied), wann und and when the treasures of the soul during childhood, can wie die Kostbarkeiten der kindlichen Seele über die Kindheit remain active throughout later stages of life? Doesn‘t the hinaus wirksam werden können? Wie bei einem Mozart zum example of Mozart - the embodiment of the grace of a child Beispiel – bei ihm, bei gleichzeitig größter Genialität und and pure genius and perfection at the same time - show us The freedom of fantasy is Vollkommenheit. Ist es nicht der Vorzug der schöpferisch that creators are privileged to be like children, that they 7 Tätigen, dass sie wie Kinder sein dürfen, gar sein müssen? Und are even obliged to be like children? And is it not the case, not a flight into the unreal; ist es nicht so, dass die existenziellen Herausforderungen that the existential challenges of our time are asking for unserer Zeit nach mutigen, schöpferischen und zukunfts- approaches and solutions, that are creative, courageous, it is boldness and invention. fähigen Ansätzen und Lösungen fragen? In einem Gespräch and sustainable? In a conversation between angels (Handke) unter Engeln (Handke) erfahren wir von deren Freude über we learn of their joy regarding those rare moments in life, Eugène Ionesco die seltenen Momente, in denen Erwachsene spielen, stau- wherein adults play, marvel, let go and suddenly do the un- nen, sich einlassen, Neues zulassen und Unerwartetes tun. expected … So let us learn from the children and celebrate Lernen wir also von den Kindern – und feiern wir den 100. the 100th anniversary of a pedagogy that Rudolf Steiner Geburtstag einer Pädagogik, für die Rudolf Steiner den conceived of as the art of education! Anspruch formulierte, eine Erziehungs-Kunst zu sein! We wish you an inspiring performance, Wir wünschen Ihnen eine inspirierende Aufführung, the Else-Klink-Ensemble Ihr Else-Klink-Ensemble Als das Kind Kind war, wusste es nicht, dass es Kind war, alles war ihm beseelt, und alle Seelen waren eins. Als das Kind Kind war, hatte es von nichts eine Meinung, hatte keine Gewohnheit, saß oft im Schneidersitz, lief aus dem Stand, hatte einen Wirbel im Haar und machte kein Gesicht beim fotografieren. Peter Handke, aus: ›Lied vom Kindsein‹ Waldorfpädagogik Gemeinsame Aufgaben von Pädagogik und Eurythmie im Hinblick auf das Kind von Tomáš Zdražil Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes eine freudige Bejahung, ja eine Begeisterung für das, was Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt. sich aus den kindlichen Anlagen entwickeln möchte. Und Friedrich Schiller. schließlich braucht es für die Erlebnisse der zarten Kinder- seelen eine schützende pädagogische Begleitung. Heute, in Die menschlichsten, bildsamsten Kräfte kommen in der Kind- der Zeit der ›verschwindenden‹ oder ›verkauften‹ Kindheit heit und im Spiel zur Entfaltung. Die intensivste Bündelung und der ›expandierenden Erwachsenenwelt‹ sind diese Ge- aller inneren wie äußeren Kräfte, im Zugehen auf die Welt, sichtspunkte aktueller denn je. ›Den Kindern ihre Kindheit zeichnet das Kind aus. Das Kind wird dadurch zum Vorbild zurückgeben!‹, das formulierte Rudolf Steiner einmal sogar des Mensch-Seins, die Kindheit zur wertvollsten Lebensphase als ›eine Aufgabe der Waldorfschule‹ – und der Schule der 11 schlechthin. Im 20. Jahrhundert drückte es Pablo Picasso Zukunft, möchte man heute hinzufügen. einmal so aus: Jedes Kind ist ein Künstler. Das Problem ist, Blicken wir auf die Gegenwart, müssen wir uns fragen: ein Künstler zu bleiben, wenn du erwachsen bist. Wie schwer ist es inzwischen für ein Kind geworden, sich In diesen denkwürdigen und nicht minder rätselvollen Aus- seines Leibes zu bemächtigen, sich seinen Leib verfüg- sprüchen ist viel vom ureigensten Anliegen der Waldorf- bar zu machen? Wie schwer ist es geworden, sprachfähig pädagogik enthalten. Sie will keine neuen pädagogischen zu werden, nicht zu verstummen? Und wie schwer ist es Forderungen und Programme aufstellen, sondern ›die geworden, seine Erlebnisse und Gefühle in den Bewegun- Kindesnatur‹ beschreiben. Einfach und mutig zugleich ist gen zum Ausdruck zu bringen und die Seele und den Leib dieser Anspruch, denn ganz natürlich soll sich daraus für damit in Einklang zu versetzen, sie zu harmonisieren? Die den Pädagogen ergeben, was er mit den Kindern zusammen Pädagogik ist gefragt und gefordert, hier zu helfen, und der macht. Dazu gehört eine ehrfurchtsvolle Stimmung vor dem, Beitrag der Eurythmie ist dabei unverzichtbar. Sie trägt zu was jedes Kind auf die Erde mitbringt. Es gehört dazu auch einem lebendigen Sich-Wohlfühlen im bewegten Leibe bei. Sie vermittelt ein unmittelbares ›leibhaftiges‹ Gefühl für das Wort und den Laut. Sie macht den ganzen leiblichen Menschen zum Ausdruck der Seele und des Geistes und Der Mensch spielt nur, bildet so aus der menschlichen Gestalt ein Kunstwerk. Die Waldorfschule ist ohne die Eurythmie, die Eurythmie wo er in voller Bedeutung ohne die Waldorfschule nicht wirklich zu denken. Sie sind wie Geschwister, die etwa zur gleichen Zeit an die Öffent- des Wortes Mensch ist, lichkeit gekommen sind, sie haben ein – inzwischen hun- dertjähriges – gemeinsames Schicksal. So ist es erfreulich, Das Kind in Ehrfurcht und er ist nur da ganz Mensch, dass sich zum 100. Geburtstag der Waldorfpädagogik auch die Bühneneurythmie einfindet. Als Geschenk hat das Else- aufnehmen, wo er spielt. Klink-Ensemble ein Programm mitgebracht, das sich künst- In Liebe erziehen, lerisch den Themen Kindsein, Jugendkräfte, Spiel und 13 Friedrich Schiller. Phantasie widmet. Auch in der zukünftigen Welt werden In Freiheit entlassen. die Waldorfschule und die Eurythmie wichtige gemeinsame Rudolf Steiner Aufgaben haben – insbesondere
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