Ein Unverhofftes Wiedersehen Mit August Babberger in Der Kunststiftung Hohenkarpfen1

Ein Unverhofftes Wiedersehen Mit August Babberger in Der Kunststiftung Hohenkarpfen1

Ein unverhofftes Wiedersehen mit August Babberger in der Kunststiftung Hohenkarpfen1 Elmar Vogt »und darin eine Gewissheit spüre es sei so gewesen …« Anlass für diesen Beitrag war für mich das 30jährige Bestehen des Kunstmuseums Hohen- karpfen, das im Sommer 2016 gefeiert wurde. Eine Ausstellung präsentierte zu diesem Anlass eine Auswahl an wichtigen Werken aus der eigenen Sammlung.2 Am Anfang stand die Stift ung eines umfassenden Konvoluts von Darstellungen des Lebens der Menschen und der Landschaft der Hochbaar von der Hand des aus Tuttlingen stammen- den Malers und Zeichners Ernst Rieß (1884–1962). Ihren Zuwachs verdankt die Sammlung insbesondere Ankäufen des Landes Baden-Würt- temberg und anderer Institutionen, die dem Museum zur dauerhaft en Bewahrung überlassen worden sind, sowie zahlreichen Schenkungen einzelner Werke oder ganzer Sammlungen aus privater Hand. »Was in der Natur vorgeht, was in mir selbst ist, soll sichtbar werden« August Babberger, um 1920/22 Was deutsche Museen so »auf Lager« haben, ist zu einem relativ hohen Prozentsatz un- sichtbar. Bis zu 90 Prozent der Sammlungen liegen im Depot. Damit haben sie ebenso viel Aufmerksam- keit und Pfl ege verdient wie die Werke, die zur Schau gestellt sind. Die erste Aufgabe ei- nes Museums ist laut Sebastian Giesen, Ge- schäft sführer der Hermann Reemtsma Stif- August Babberger »Selbstbildnis mit Scheerhorn«, Pastell, 54,5 x 37,8 cm (Blatt), Inv. Nr. Babb. Z 523. © bpk / Staatliche Kunsthalle Karlsruhe / Annette Fischer / Heike Kohler 530 Elmar Vogt Badische Heimat 4 / 2017 530_Vogt_Ein unverhofftes Wiedersehen mit August Babberger.indd 530 03.12.2017 11:55:10 tung, »der sorgsame und pfl egliche Umgang Von Hausen im Wiesental mit der anvertrauten Sammlung, das heißt nach Hausen ob Verena die Sicherstellung einer dauerhaft en Überlie- ferung für nachfolgende Generationen«.3 Geboren wurde August Babberger am 8. De- Wenn von der Zeit des deutschen Expressi- zember 1885 in Hausen im Wiesental. onismus gesprochen wird, fehlt meistens der Sein Vater August war Zimmermann und Name August Babberger, er fehlte oft auch in stammte aus Auggen, seine Mutter Apollo- den bisherigen zahlreichen Ausstellungen, die nia B., geborene Matt, aus Strittmatt im Hot- dieser Epoche gewidmet wurden. zenwald. In einer autobiographischen Skizze Umso erfreulicher ist es, dass das Werk Au- schrieb er 1920 rückblickend: gust Babbergers, der zu den wichtigsten Ver- »In Hausen war ich bis zum 10. Lebensjahr, tretern des Expressionismus in Baden und be- und von dort zogen die Eltern mit mir nach deutenden expressionistischen Künstlern der Basel, wo ich mitten in das erste Schuljahr der klassischen Moderne gezählt werden darf4, in Sekundarschule geriet und wegen des feh- den letzten Jahren wieder vermehrt einem lenden Französisch, das in Hausen nicht be- breiten und interessierten Publikum zugäng- trieben wurde, musste ich ein Jahr zurück in lich gemacht wurde und wird5. die Primarschule, wodurch ich in den Vorteil kam, dem Rat meines Lehrers folgend, in die Realschule einzutreten. Nach Ablauf der üb- Die Verschmelzung lichen vier Schuljahre bemühte ich mich, in von Mensch und Natur … einer Seidenfabrik als Dessinateurlehrling (Musterzeichner) anzukommen, da ich gerne Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was zeichnete und meine diesbezüglichen Lehrer erzählen, sagt – sehr zu recht – das Sprich- meine Begabung dafür erkannt haben wollten. wort. Marcel Proust hat in seinem Roman Der Versuch misslang aber schon in der »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« da- ersten Fabrik, erstens weil ich Deutscher war rauf aufmerksam gemacht, wie wichtig das – und nach vierjähriger Lehrzeit zum Militär künstlerische Sehen, das Betrachten der Welt hätte einrücken müssen, und außerdem be- durch die Augen der Künstler ist, und hat ge- fürchtete einer der Herren, ich sei farbenblind. zeigt, dass die Beschäft igung mit Kunst für Da entschloss ich mich rasch, mit dieser alle Nichtkünstler eine viel größere Bedeu- Blindheit in ein Malergeschäft als Lehrling tung besitzt als das Reisen: »Die einzig wahre einzutreten, und während dieser Zeit be- Reise, der einzige Jungbrunnen wäre für uns, suchte ich die Gewerbeschule in Basel. wenn wir nicht neue Landschaft en aussuchten, Nach der Lehrzeit war ich zwei Winter- sondern andere Augen hätten«. semester bei Dr. Schnyder. Als Anstreicher Die Verschmelzung von Mensch und Natur war ich in Basel, Buchloe und in Nürnberg und die Faszination für die Bergwelt: bis zu meinem 23. Jahre. Ein Versuch, an die Diese Motive ziehen sich durch das gesamte Münchner Akademie zu kommen, scheiterte Werk des Malers August Babberger. an den strengen Herren Professoren. »Was in der Natur vorgeht, was in mir selbst Im Januar 1908 kam ich nach Karlsruhe, ist, soll sichtbar werden«, hat es der Künstler auf dem Wege nach Hamburg, wo ich mit selbst ausgedrückt. Akkordarbeit rascher etwas Geld verdienen Badische Heimat 4 / 2017 Ein unverhofftes Wiedersehen mit August Babberger 531 530_Vogt_Ein unverhofftes Wiedersehen mit August Babberger.indd 531 03.12.2017 11:55:11 wollte, um im Sommer in die Berge zu kön- sammenhänge, die in erstaunlicher Ordnung, nen, und zeigte Hans Th oma (1839–1924) zeitfüllend oder einen anderen Gehalt ausma- meine Federzeichnungen, und er riet mir, in chend, sich ablösten, um wie Grundmotive im- Karlsruhe zu bleiben und zu radieren. mer wieder variiert wiederzukehren. Gefühls- Durch seine praktische Hilfe erhielt ich mäßig bin ich überzeugt, dass sich alle zehn später ein Ehrenstipendium der Rheinlande, Jahre eine Drehung um sich selbst vollzieht, womit ich durch Freunde an die Internatio- dass innerhalb zehn Jahren dieselben Motive nale Kunstschule in Florenz gehen konnte, wo wiederkehren, sich ausdehnend und sich jedes ich zwei Winter verbrachte, Akte malend und Mal klarer zeigend nach der Reife hin und ent- zeichnend. Als Führer hatte ich mir Hodler wickelter. So glaubte ich schon innerhalb der und Marées gewählt, die in Florenz durch die ersten zehn Jahre als ein Motiv, das Verhältnis primitiven Toscaner verstärkt wurden. Nach des Kindes zur Landschaft , (in dem der Wohn- diesen zwei Jahren siedelte ich nach Frankfurt ort als in die Landschaft Gewachsenes gilt, oder über und wurzelte dort 8 Jahre, bis die Beru- das Verhältnis zum Haus oder der Schule, oder fung nach Karlsruhe kam, wo ich nun auch zu den Kindern und Erwachsenen, so das zum schon wieder 10 Jahre verbrachte. Das ist der Vater, zu der Mutter, den Geschwistern hin), äußere Weg ungefähr«. feststellen zu können. Ich nahm zuerst das Mo- Die Landschaft , aus der heraus er nach sei- tiv Landschaft , weil ich glaube (und darin eine nen eigenen Worten erst zu verstehen ist, ist Gewissheit spüre) es sei so gewesen, nämlich: vor allem die Bergwelt. Es ist die Landschaft dass die Natur, welche in ihrem Teil zu Hau- seiner Heimat, das Wiesental, Hausen vor al- sen im Wiesental mich umgab, einen wichtigen lem, der südliche Schwarzwald um Höll bei Bestandteil in meinem Leben, als Hauptmotiv St. Blasien; es ist die Klausenpasshöhe in der ermöglichte. […]«.6 Schweiz, wo er zwanzig Jahre hindurch Som- mer für Sommer verbrachte. »Ich bin in die Landschaft des südlichen Schwarzwalds bis zu Wegen dieser Herrlich- den Alpen hineingewachsen, die mein Gesicht keiten habe ich nicht nur geworden sind und die Formen für meine Aus- Heimweh gehabt … drucksweise abgeben« […], schreibt der Künst- ler. In seinen »Notizen zu Lebenserinnerun- Über die Erinnerungen an seinen Geburtsort gen« notiert er unter anderem: Hausen im Wiesental schreibt August Bab- »Nie ist es mir bewusster geworden, wie eben, berger weiter7: […] »Ich rieche noch den Staub da Sie, meine Schüler, nach meinen Jugender- der Strasse, über den Maienberg und den ganz innerungen fragen, dass ich wirklich schon anderen Geruch des Weges nach Gresgen. älter geworden bin. Durch gelesenes Erlebnis Die Strasse nach Raitbach wird mir un- habe ich entdeckt, wie sehr die Geschehnisse vergesslich bleiben durch das Mäuerchen, in der Jugendjahre Fundament seien und deshalb dem die kleinen, weissen Schneckenhäuschen das Wichtigste an einem Leben, weshalb ich sta[e]cken, oder jener Weg nach Zell an dem im Gehen auch schon auf mein eigenes Leben ich die Ziegen hütete, die mir immer davon zurückschaute, dort forschend, welcher Kern liefen, sobald eine Frau in einem blauen Kleid das Gehäuse sei, aus dem das weitere Wach- daher kam, das auch meine Mutter trug und sen hervorkam und ich fand rhytmische Zu- an welchem Weg ausserdem jene Wunder- 532 Elmar Vogt Badische Heimat 4 / 2017 530_Vogt_Ein unverhofftes Wiedersehen mit August Babberger.indd 532 03.12.2017 11:55:11 »Die Hochzeitsreise«, nicht datiert, Holzschnitt, aquarelliert, 33 x 50 cm (Blatt), Inv. Nr. 176-1-8, 2000, Schenkung aus Privatbesitz. © Kunststiftung Hohenkarpfen, Fotografie: Roland Sigwart, Hüfingen/ Kunststiftung Hohenkarpfen August Babberger und Anna Maria Babberger- Tobler: »Das Winterbuch«, 1934, (Titelseite), Holzschnitt, aquarelliert, 53,3 x 43 cm (Blatt), Inv. Nr. 175, Schenkung aus Privatbesitz. © Kunststiftung Hohenkarpfen, Fotografie: Roland Sigwart, Hüfingen/ Kunststiftung Hohenkarpfen. blume wuchs, Rührmichnichtan, sonst platzte ihre Frucht. Eine Herrlichkeit tut sich auf, die jene Jahre erfüllte, dass ich gut begreife, wie ich in Florenz davon träumte, teils sie noch »Bruder Fritz Babberger-Herzog beim Handorgel verschönend bis zum Märchen in grosse Uep- spielen«, n. d., Radierung, 18 x 13,3 cm (Platte), pigkeit hinein oder in Angst, das Dorf würde 18, 1 x 13,4 cm (Blatt), Inv. Nr. 178, 2000, durch neue Häuser

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