Die Monatsschrift Für Alle Eichsfelder · Heft 10 · Oktober 2012 56. Jahrgang

Die Monatsschrift Für Alle Eichsfelder · Heft 10 · Oktober 2012 56. Jahrgang

56. Jahrgang H 11859 Die Monatsschrift für alle Eichsfelder · Heft 10 · Oktober 2012 In dieser Ausgabe Hilft Schnaps gegen Cholera? Zum Wehrertüchtigungs- Als die Wehrpfl icht lager bei Heiligenstadt noch galt Erinnerungen der Lehrerin Anna Wüstefeld Vom Leben im Grenz- 27. Eichsfeldtage in gebiet Worbis Asbach Einzelpreis 2,50 EUR incl. 7 % MWSt ZUM LÖWEN Marktstraße 30 37115 Duderstadt Telefon (0 55 27) 8 49 00-0 Telefax (0 55 27) 84 90 08 49 schmackhafte Eichsfelder Küche Reisegesellschaften herzlich willkommen Ritteressen wie im Mittelalter Wurst- und Hausschlachtemuseum Film über die traditionelle Eichsfelder Hausschlachtung www.klausenhof.de · Tel.: (036081) 61422 · Familie Röhrig · 37318 Bornhagen/Eichsfeld Eichsfelder Heimatzeitschrift – Die Monatsschrift für alle Eichsfelder 345 Hilft Schnaps gegen Cholera? Zwei Flinsberger Rezepte aus dem Seuchenjahr 1850 von Dr. Alfons Grunenberg Im Jahr 1850 war das Eichsfeld von einer Die Ausbreitung der Cholera auf dem Cholera-Epidemie betroffen, die viele Men- Untereichsfeld schenleben kostete. Nahezu zeitgleich trat Die Cholera wurde auf dem Untereichsfeld die Krankheit auf dem Unter- und Obereichs- erstmals in Gieboldehausen Anfang Juli 1850 feld auf. diagnostiziert.1 Am 4. Juli kehrte eine aus- Die Cholera ist in Mitteleuropa eine recht gewanderte Arbeiterin aus dem choleraver- junge Krankheit. Erst im 19. Jahrhundert seuchten Magdeburg zurück nach Giebolde- kam sie auf unseren Kontinent, zog dann hausen. Die Krankheit verbreitete sich rasch aber mehrfach auch über das Eichsfeld. und forderte bis Anfang September dessel- Der Infektionsweg stellte die Ärzte vor ein ben Jahres 324 Menschenleben. Auch in den Rätsel. Bis zum ersten Auftreten der Cho- Nachbarorten breitete sich die Krankheit aus lera gingen die Mediziner prinzipiell von nur und fordert viele Opfer. zwei verschiedenen Übertragungswegen bei Krankheiten aus: Durch üble Dünste (Mias- Ort Zeitraum Todesfälle2 mentheorie) und durch Kontakt mit einem In- Gerblingerode3 22. Juli-14. August 30 fizierten (Kontagionstheorie). Beides war für Gieboldehausen4 4. Juli-Anfang Sept. 324 die Übertragung der Cholera nicht erforder- Krebeck 19 lich. Dies führte Mitte des 19. Jahrhunderts in Lindau 122 Fachkreisen zu großen Unsicherheiten und Seeburg 18 zu skurrilen Behandlungsmethoden. Wollbrandshausen 31 Heute ist bekannt, dass die Cholera eine bakterielle (vibrio cholerae) Infektion ist, die Die Cholera auf dem Obereichsfeld dann auftritt, wenn Trink- und Abwassersys- Nahezu zeitgleich trat die Cholera auf dem teme nicht ausreichend voneinander getrennt Obereichsfeld auf. Sie nahm ihren Anfang sind. So erfolgt die Übertragung insbesonde- in Büttstedt.5 Auch hier ist der Grund für das re durch fäkalienkontaminiertes Trinkwasser. plötzliche Auftreten der Krankheit bekannt. Die Choleraerkrankung verläuft meist in drei Die nach Büttstedt zurückgeschickte kontami- Stadien: Brechdurchfall, Flüssigkeitsmangel- nierte Wäsche eines Soldaten war die Ursa- erscheinungen und allgemeine Symptome che für das Unheil. Die Wäsche des weit weg wie zum Beispiel Lungenentzündung, Haut- vom Eichsfeld stationierten Soldaten wurde ausschlag oder gar Koma. Die Sterblichkeits- vermutlich ohne vorherige Reinigung getra- rate liegt unbehandelt bei 20-70 %. gen und löste die Epidemie von 1850 auf dem Bei einer so schwerwiegenden Erkrankung Obereichsfeld aus. Der erste Vermerk eines versuchten die Menschen alles, um ihr Leben Choleratoten datiert laut Kirchenbuch vom 15. zu retten. Sie riefen geistigen Beistand an, Juni. Insgesamt 62 Todesopfer forderte hier versprachen sich viel von ärztlicher Hilfe, die die Krankheit. Wie auch auf dem Untereichs- aus den genannten Gründen damals weitge- feld fand die Cholera in den benachbarten Or- hend wirkungslos war oder griffen zu alten ten schnell weitere Verbreitung: In Heuthen Hausrezepten. Zwei dieser Rezepte sind aus (108), Heiligenstadt (101) und Flinsberg (49) Flinsberg durch mündliche Überlieferung und waren neben Büttstedt (62) die meisten Opfer später erfolgter schriftlicher Aufzeichnung er- auf dem Obereichsfeld zu beklagen. halten geblieben. Bezogen auf die Einwohnerzahl wurde Flins- berg auf dem Obereichsfeld am härtesten 350 Eichsfelder Heimatzeitschrift – Die Monatsschrift für alle Eichsfelder Die Arbeit unserer Vorfahren Nach Erinnerungen der Lehrerin Anna Wüstefeld (1890-1981) Mitgeteilt von Gerhard Rexhausen Alle meine Ahnen waren Bauern mit weniger Alle 14 Tage wurde gebacken. Das war für und größerem Besitz. Die Arbeit war schwer die Bauersfrau ein schwerer Tag. Am Abend und mannigfaltig. Jede Furche, die der Pflug vorher wurden Roggenmehl und Wasser mit zog, auch jede Spur der Egge musste mit- Sauerteig (vom letzten Backen zurückbehal- marschiert werden, und viele, viele Kilometer ten) angesetzt. In der Nacht durchsäuerte al- waren es am Tage. Klee, Gras und die Halm- les. Am anderen Morgen wurde der Teig ge- früchte wurden mit der Sense geschnitten. knetet und zu runden Broten geformt. Groß- Alles ging durch die Muskelkraft. Früh um 4 mutter hatte einen Backofen, der von der Uhr ging mein Vater zum Mähen. Um 8 Uhr Küche aus bedient wurde. Nachdem die Hei- brachte ich ihm im Körbchen das Frühstück. zung des Backofens mit einem Strohwisch, Vor hundert Jahren noch wurde das Korn mit einer „Welle“ (trockenes Reisig) und dicken der Sichel geschnitten, gebunden und auf- Scheitholzsplittern in Gang gesetzt war, gestützt. Oben auf den Stucken wurde ein wurde auf Großmutters Hausdiele ein Bund Lockenkopf gesetzt, d. h. ein Bund verkehrt Stroh ausgebreitet, um die warmen Brote und hinauf gesetzt, die Stoppeln nach oben, die Kuchen darauf zu lagern. Als Erstes wurde Halme mit den Ähren als schützendes Dach manchmal ein Brotkuchen gebacken, das ist darüber. Das Kornschneiden dauerte so lan- ein Kuchen aus Brotteig mit Speckbrocken, ge, dass man beim grünen Korn anfing, damit Zwiebeln und Kümmel bestreut. beim letzten nicht zu viele Körner ausfielen. Dann schob meine Mutter den Hallerku- Das Dreschen des Getreides begann im Spät- chen hinein, dieser, oft mit Schmierkäse herbst, wenn die Feldarbeit getan war. Jeden und Schmand bestrichen, schmeckte mir Morgen stand man um 2 Uhr auf. Die Bunde am besten. Auch den Nachbarn war man wurden aus dem Schutt auf die Scheunendie- gefällig und backte ihnen einen Kuchen mit. le geworfen in zwei Reihen, sodass die Äh- Zuletzt wurde der wertvolle Schmandkuchen, ren in der Mitte lagen. Im Takt schlugen die auch mit Äpfeln, Wispern (Wildkirschen), Dreschflegel die Körner heraus. Dann wurde Zwetschen bestückt, hineingeschoben. Ich gewendet und von der Kehrseite bearbeitet. sehe noch im Geiste meine Mutter, wie sie Das Stroh wurde ausgeschüttelt, recht fest mit hochrotem Kopfe, in beiden Händen den eingebunden mit dem „Bindestock“. Im Laufe Backschieber im Ofen hin und her rangierte, des Tages wurde beim offenen Scheunentor, damit ja die Kuchen von allen Seiten garge- damit Durchzug entstand, die Frucht gegen backen wurden. Meine Großmutter litt viel an den Wind geworfen, um die Spreu vom Korn Kopfschmerzen. An den Backtagen müssen zu trennen. So ging es täglich bis Fastnacht diese wohl besonders stark gewesen sein. und wohl dem, der etwas zum Dreschen hat- Sie hatte sich dann ein Kopftuch quer vor die te. Mein Vater erzählte, wenn er des Morgens Stirn gebunden. Kaum war der Kuchen gar zur Schule ging, standen oft Männer auf dem und aus dem Ofen heraus, stand sie auch dunklen Hausflur, die gern am Tage nur für das schon mit Muskat und Reibe bereit; denn Essen arbeiten wollten. Als dann um 1880 der ohne Muskat schmeckte ihr kein Kuchen. Mingeröder Müller mit der ersten Dreschma- Von der Küche führte die Bodentreppe nach schine arbeitete, sind viele Bauern auf langen oben. Die Nachbarsfrauen, die auch auf ei- Wegen mit Fudern dorthin gezogen. Manch- nen Kuchen warteten, sowie die Schwestern mal mussten sie einen Tag vor der Maschi- meiner Großmutter benutzten die Treppe als ne warten, sie arbeitete eben sehr langsam, Sitzgelegenheit und vertrieben sich die Zeit brachte aber große Erleichterung. Roggen- des Wartens mit Dorfgeschichten. Nun wurde und Weizenmehl brachte der Müller ins Haus. erzählt, was ich sehr idyllisch fand. 352 Eichsfelder Heimatzeitschrift – Die Monatsschrift für alle Eichsfelder Zum Wehrertüchtigungslager bei Heiligenstadt von Georg Klingebiel Unterhalb der Elisabethhöhe von Heiligen- Heiligenstädter Bürgermeister Peter Müller, stadt befand sich während des Dritten Reichs dass in Heiligenstadt ein solches Lager bei ein terrassenförmig angelegtes Lager zur der „Alten Burg“ gebaut werden soll. Ausbildung von Hitlerjungen, woran sich In den Jahren zuvor war schon eine Bann- einige ältere Heiligenstädter noch erinnern schule bei der Kapelle „Alte Burg“ gebaut können. Die offizielle Bezeichnung für dieses worden. Hierbei handelt es sich um das Lager lautete „Reichsausbildungslager der heutige Haus auf der Bleibe, das damals als Hitlerjugend. Wehrertüchtigungslager Ger- Schule für das Jungvolk im Bann 222 Hei- manische Jugend“. Am 20. Juli 1940 erging ligenstadt bestimmt war. Diese Jungen be- von Berlin die Mitteilung an den damaligen zeichnete man als Pimpfe. Die Elisabethhöhe. Der Weg von der „Alte Burg“ an der B80 (im Hintergrund Uder). Eichsfelder Heimatzeitschrift – Die Monatsschrift für alle Eichsfelder 353 Im Zusammenhang mit dem Wehrertüch- Die beiden Abbildungen stammen aus dem tigungslager wurde am 17. Januar 1941 in Familiennachlass von Karl Heine und vermit- der Stadtratssitzung in Heiligenstadt der Be- teln optische Informationen zur Anlage des

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