300 Jahre und mehr Zur Geschichte des Hofes Kul"uke in Freren Ä gg- JI 5 77 ik wg Norbert Schitt Freren, April 1997 Ein neues Kapitel für einen alten Bauernhof Am 10. Mai 1996 erwarb die DEULA Freren Gebäude und angrenzende Flächen des ehemaligen Kolonates Kutüke vom letzten Besitzer, der Familie Imming. Seit mehreren Jahren schon wurden Stauungen und Weiden des Gehöftes Uphusen Nr. 6, jetzt Bahnhofstraße 39, nicht mehr landwirtschaftlich genutzt. Das einfache, aber eindrucksvolle Haus aus Natursteinen, einmalig in der Stadt Freren, gibt Zeugnis von einer mehrhundertjährigen Geschichte. Die DEULA Freren, Lehranstalt für Landwirtschaft Technik Umwelt, möchte Gebäude und Flächen schrittweise in ihren Bildungsbetrieb integrieren. Dabei soll möglichst viel historische Substanz erhalten bleiben. Man schützt nur, was man kennt. Diese Schrift soll dazu beitragen, die Vergangenheit der Hofstelle und einiger seiner Bewohner ein wenig zu erhellen. Wir sind Herrn Norbert Schiff daher zu großem Dank verpflichtet, daß er die wenigen Spuren zu einem Bild zusammenfügte. Viele Informationen erhielten wir von Frau Karoline Meyer, geb. Kulüke und ihrer Tochter, Frau Dr. Ellen Meyer. Auch ihnen gilt unser Dank. Die DEULA Freren hat mit dem Erwerb von „Hof Kulüke" zu ihrer eigenen 50 jährigen Geschichte ein paar Jahrhunderte „hinzugekauft". Wir werden sie zu würdigen versuchen. DEULA Freren GmbH, Dr. Rudolf Holtkamp Geschäftsführer Von undenklichen Zeiten...? Es ist wohl mehr als 300 Jahre her, als das Kolonat Kulüke entsteht. Können wir uns heute noch in diese Zeit, in ihre Lebensverhältnisse zurückversetzen, eine undenklich lange Zeit zurück? Das Kolonat Kulüke gehörte sicherlich nicht zu den großen, bedeutenden Höfen Frerens. Doch verdient auch dieser Hof, daß wir uns an seine Vergangenheit erinnern. Kleine Höfe wie das Kolonat Kulüke haben wenig Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Sie werden in schriftlichen Quellen selten erwähnt und - wie nicht anders zu erwarten - je weiter wir zurückgehen, desto lückenhafter und ungenauer werden die Informationen. Bis ins 15. Jahrhundert liegen nur ganz wenige Urkunden über die Höfe im Frerener Raum vor.' ) Diejenigen, die vor 1300 erwähnt werden, lassen sich heutigen Besitzungen nicht mehr zuordnen. Es waren in der Regel Haupthöfe in Abhängigkeit etwa der Klöster Werden oder Corvey, aber auch Besitzungen der Bischöfe von Osnabrück. Diese Höfe wurden von einem Verwalter, einem Schulten, geleitet. Er hatte dafür zu sorgen, daß die Abgaben pünklich und vollständig abgeliefert wurden. Obgleich die Schulten ursprünglich Unfreie waren, waren sie dennoch als Vertreter des Grund- und Gerichtsherren von großem Einfluß und ihre Namen sind oft überliefert. Urkundlich erwähnt werden solche Haupt- oder Schultenhöfe immer dann, wenn ein Besitzwechsel beurkundet oder eine andere Familie mit einem solchen Hof belehnt wurde. Unbedeutendere Besitzungen sind vor 1550 urkundlich nicht nachweisbar. 1) Vgl. dazu und dem folgenden: Slemeyer, Hans. Zur Geschichte der Höfe im alten Kirchspiel Fueren. 1983. Manuskript beim Heimatverein Freren. 3 Der älteste Hof in Freren, der einem bestimmten Besitz heute zugeordnet werden kann, ist denn auch ein alter Schultenhof, nämlich Hofschulte, 1321 erstmals erwähnt. Wir können also nicht erwarten, daß ein kleines Kolonat wie Kulüke vor 1550 erwähnt wird. Aber es hat wahrscheinlich zu dieser Zeit auch noch nicht existiert. Das ist deshalb wahrscheinlich, weil in die „Beschrivinge des Ampts unde Graveschap Lingen etc." aus dem Jahre 1550 mit Nachträgen bis 1592 1) ein Besitz namens Kulüke nicht aufgeführt wird. Die „Beschrivinge" liefern einen beinahe vollständigen Überblick über alle Besitzungen bis hin zum Kotten, soweit deren Besitzer Abgaben zu leisten hatten. Ein Kolonat Kulüke, so darf man vermuten, wäre hier genannt worden. Als entfernte Möglichkeit könnten drei Namen auf 'Kulüke' hinweisen. Ein Johan Kuill war Brinksitzer auf der Mark, ebenso ein Albert KulI und ein Dress (wohl Andreas) 'Kuist'. 2) Die Namen erinnern an die Schreibung 'Kul' bzw. 'Kuhl', die in einer Urkunde von 1673 als Ursprung der sehr viel späteren Schreibweise 'Kulüke' sicher zuzuordnen ist. Ein LLuike Kuist', der Name taucht 1680 auf, wird an anderer Stelle von Slemeyer direkt mit dem Namen Kulüke in Verbindung gebracht, allerdings ohne Begründung.') Da weitere Hinweise für diese Zeit fehlen, muß also offenbleiben, ob einer dieser Namen als Ursprung des Namens Kulüke betrachtet werden kann. Es ist eher unwahrscheinlich. 1)Staatsarchiv Osnabrück. Dep. 22. (Thonberge). Nr. 1. 2)Slemeyer. a.a. 0. S. 13 und S. 17 3)Slemeyer a.a. 0. S. 44: Rechnung der Geistlichen Güterkasse von 1680. 1. Freren mit Uphusen,... C. Brinksitzer 4) Kuist, Luike (wohl das Kolonat Kulüke) 4 Im Jahre 1603 taucht das erste Mal ein genauerer Hinweis auf, daß ein Kulüke existiert. Laut Rechnungsablage der Frerener Kirche von 1603 bezog die Pfarrei Einkünfte (außer vielen anderen) „Von Gärten im Kirchdorf Freren" aus einem „Garten von 1% SchS [Scheffel Saat] bei Kuyluycken Haus von Tepe harms" Bis zum oben genannten Zeitpunkt gibt es zwar Hinweise auf den Namen, aber keinen Hinweis auf ein Besitztum namens Kulüke, weder als Kotten noch als Kolonat. Das ist erst 1673 der Fall. In diesem Jahr kauft ein „Lucas Kuhl zu Freren" von Lucas Bölcher Land „vor de suma van enhunder sestig R.taler". An anderer Stelle der Urkunde findet sich der Name in anderer Schreibweise, nämlich 'Luke Ku!'. In dieser Schreibung ist der Name möglicherweise später eingefügt worden. 2) Luke wie auch Luicke sind wohl alte Schreibweisen von 'Lucas'. Die Schreibung der Familiennamen ist lange Zeit - bis Ende des 19. Jahrhunderts nicht einheitlich. So auch bei 'Kulüke'. in dieser Schreibweise finden wir den Namen das erste Mal im Jahre 1832. Bis 1910 aber finden wir immer noch andere Formen. Wie unterschiedlich die Schreibung ausfällt, zeigt die folgende Übersicht: 1) Vgl. Slemeyer: Fnduren Freren. Teil V: Anlagen. o.J. Manuskript beim Heimatverein Freren. anlagen 2. S. 1. Bei Schriver: Geschichte des Kreises Lingen. II. Teil. S. 241 . ‚ auf den sich Slemeyer z.T. stützt, wird der Name allerdings anders widergegeben: Reformierte Rechnungsablage über die Pfarreinkünfte. Ferner besaß der Pastor: 5. einen Garten von 1 V2 Scheffelsaat bei Kuli!. Slemeyer hat jedoch Schrievers Angaben anhand des Originals im Frerener Pfarrarchiv ergänzt. 2) Die Urkunde ist nach wie vor in Familienbesitz: Frau Karoline Meyer, geb. Kulüke, Lingen. Hier sind in chronologischer Folge nur Schreibweisen aufgeführt, die sicher 'Kulüke' bedeuten. 1 1603 Kuyluycken 1673 Kul Luke Lucas Kuhl 1680 Kuist, Luike (?) 1683 Kul, Lüdecke 1707 Cuil, Luycke 1726 Kuel, Ludecke 1788 Kuhluicke 1799 Kuhluike 1800 Kuhluiken 1809 Kuhlüke 1812 (?) Kuhluike 1832 Kulüken 1832 Kulüke 1844 Kulücke 1846 Kuhlücke 1853/54 Kuluike 1863/65 Kulüke 1871/72 Kullüke 1894 Kulluike 1895 1910 1913 Kulüke In den Urkunden von 1895 1910 auch Kullüke Danach findet man nur noch die Schreibweise 'Kulüke'. 1) Es würde zu weit führen, die Quellen hier wiederzugeben. Siehe dazu im Anhang Das Kolonat Kul zum ke Zwischen 1603 und 1619 wurde in der Grafschaft Lingen alles Saatland vermessen. Auch die gerodeten Felder wurden erfaßt, von denen keine Abgaben erhoben wurden. Hierbei wurde sicherlich auf besondere Genauigkeit geachtet, denn es ging dem Prinzen von Oranien, dem damaligen Landesherrn, um die exakte Festsetzung der Steuereinnahmen. Ein Besitz, der mit 'Kulüke" in Verbindung gebracht werden kann, wird in den entsprechenden Registern nicht genannt, dürfte also nicht existiert haben.') Die Kaufurkunde von 1673, die das erste Mal auf ein Besitztum „Lucas Kuhl zu Freren" hinweist, nennt auch den Kaufpreis: „de suma van enhunder sestig R. taler". Das erlaubt uns eine Vermutung, wie groß der erstandene Besitz gewesen sein mag. Einhundersechzig Reichstaler - das war damals eine beträchtliche Summe. Es dürfte sich danach um ein Besitztum von über zehn Hektar gehandelt haben, allerdings nur zum kleineren Teil als Saatland. Das erscheint noch wahrscheinlicher, weil bereits im Landmessungsprotokoll von 1683 bzw. im Contributions-Blaffert" von 1688 ein „Kul. Lüdecke" als Einviertelerbe in Uphusen genannt wird. 2) Ein solches Erbe dürfte damals einschließlich Weiden und Gehölzen diese Größe gehabt haben. Übrigens wird in allen späteren Verzeichnissen, die Auskunft auch über die Erbesqualität geben, der Hof Kulüke als Y4Erbe ausgewiesen. Die Bezeichnung des Besitzes Kulüke als Colonat bzw. des Hofbesitzers als Colon taucht an verschiedenen Stellen auf, so um 1790 in einem „Verzeichnis der königlichen eigenbehörigen Colonate" 3) in einem »Verzeichnis derjenigen Colonen, welche an Privat Gutsherren jährliche Prästanden [= Abgaben] zu entrichten haben" und in einem „Seelenverzeichnis" von 1832 4) 1) vgl. Slemeyer, Zur Geschichte der Höfe. .a. a. 0. S. 33 ff. 2) vgl. Slemeyer, Zur Geschichte der Höfe. ..a. a. 0. S. 48 3) vgl. Slemeyer, Friduren Freren Teil V: Anlagen a. a. 0. Anlage 8, S. 1 4) vgl. Slemeyer, Zur Geschichte der Höfe... a. a. 0. S. 101f und S. 123 7 Der Begriff „Kolonat" geht zurück auf das lateinische „colonatus". Das war die römische Bezeichnung für Pacht an öffentlichem und privatem Land. Die Kolonen bewirtschafteten vor allem staatliche Güter bzw. die Güter der Kaiser. Sie waren nicht Eigentümer und zahlten die Pacht in Form von Naturalien und Dienstleistungen. Während der Kaiserzeit bleiben die Kolonen zwar persönlich frei, aber sie waren an Grund und Boden gebunden. Ihr Status näherte sich dem der Sklaven. Die Ähnlichkeit mit den Verhältnissen
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