Kurt Beck Ministerpräsident A. D. Und Vorsitzender Der Friedrich-Ebert-Stiftung Im Gespräch Mit Klaus Kastan Kastan

Kurt Beck Ministerpräsident A. D. Und Vorsitzender Der Friedrich-Ebert-Stiftung Im Gespräch Mit Klaus Kastan Kastan

Sendung vom 5.2.2014, 21.00 Uhr Kurt Beck Ministerpräsident a. D. und Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung im Gespräch mit Klaus Kastan Kastan: Herzlich willkommen zum alpha-Forum, wir kommen heute aus Mainz. Sie fragen sich, warum heute aus Mainz? Wenn Sie wissen, wer heute unser Studiogast ist, dann wissen Sie auch, warum wir uns heute aus Mainz melden. Kurt Beck ist unser Gesprächspartner, der langjährige Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. Hallo, Herr Beck. Beck: Hallo, Herr Kastan. Kastan: Sie sind im Januar 2013 zurückgetreten von Ihrem Amt als Ministerpräsident und haben das u. a. mit Ihrer Gesundheit begründet. Wie geht es Ihnen heute? Beck: Ich muss sagen, nachdem der Druck durch dieses Amt weg war und meine Ärzte gute Arbeit geleistet haben, haben wir das Ganze eingepegelt. Ich muss halt ein bisschen auf meine Gesundheit achten, aber ich kann mich wieder engagieren und es geht mir gut. Kastan: Geht Ihnen der tägliche Besuch der Staatskanzlei ab? Beck: Ich habe es mir, wie ich sagen muss, schlimmer vorgestellt, als ich auf einmal nach fast 20 Jahren Abschied genommen habe. Ich war ja vor meinen 18 Jahren als Ministerpräsident auch noch drei Jahre lang Fraktionsvorsitzender SPD im Landtag gewesen. Ich muss sagen, ich vermisse das eigentlich nicht. Ich habe eine Reihe von ehrenamtlichen Funktionen, die mich gut ausfüllen, und die Tatsache, dass der Wechsel zu Malu Dreyer so gut funktioniert hat, hilft mir sehr. Man hat einfach das Gefühl, es geht gut weiter. Kastan: Malu Dreyer war ja Ihre Kandidatin. Beck: Es gab an mich die Bitte, aus dem Kreis all derer im Land, die infrage kamen, einen Vorschlag zu machen. Das habe ich gemacht und es ist Gott sei Dank ein sehr, sehr guter Vorschlag geworden, wie sich jetzt nach einem Jahr bewiesen hat. Kastan: Wissen Sie, wie lange Sie Ministerpräsident waren? 18 Jahre? Beck: Ja, 18 Jahre und so in etwa vier, fünf Monate. Kastan: Sie waren es genau 18 Jahre, zwei Monate und 21 Tage, denn wir haben ganz genau nachgerechnet. Beck: So genau habe ich mir das gar nie angeschaut. Kastan: Ich glaube, es gibt keinen Ministerpräsidenten in Deutschland, der länger im Amt gewesen ist als Sie. Beck: Doch, es gab Johannes Rau und es gab Peter Altmeier ... Kastan: Peter Altmeier war einer Ihrer Vorgänger. Beck: Ja, er war der erste Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz gewesen. Und wenn man seine beiden Aufgaben als Ministerpräsident zusammennimmt, dann zählt auch Bernhard Vogel dazu: Er hat in Rheinland-Pfalz und in Thüringen zusammen etwa die gleiche Anzahl an Jahren erreicht wie Altmeier. Kastan: Sie machen in der Tat nicht Eindruck, als wäre Ihnen heute langweilig. Sie haben als ehemaliger Ministerpräsident auch nach wie vor ein Büro hier in Mainz. Wohnen tun Sie aber in Steinfeld im Süden von Rheinland- Pfalz. Fahren Sie jeden Tag hin und her? Wie schaut denn der "Rentneralltag" des Kurt Beck aus? Beck: Ich fahre nicht jeden Tag nach Mainz, aber ich habe nach wie vor eine kleine Wohnung in Mainz. Denn wenn man nach Berlin muss, ist das von Mainz aus einfacher zu machen. Als Vorsitzender der Friedrich-Ebert- Stiftung bin ich nämlich doch zwei, drei Tage in der Woche in Berlin. Von Mainz aus ist die Fahrt zum Flughafen Frankfurt doch deutlich einfacher, als wenn man zuerst einmal fast 200 Kilometer zum Flughafen fahren muss. Aber insgesamt ist es in der Tat so, dass ich noch mit vielen, vielen Menschen Kontakt habe. Bernhard Vogel, den ich ja gerade schon erwähnt habe, hat mir einmal gesagt: "Sie werden sehen, Sie werden eine Unzahl von Einladungen zu Festreden und Ansprachen bekommen." Er hatte recht mit dieser Prognose, und ich finde das auch ganz schön, weil man auf diese Weise doch so manches nutzen kann von den Erfahrungen, die man gemacht hat. Kastan: Wird man denn im Laufe der Jahre milder in den eigenen Urteilen? Sie sind ja ein bekannter Sozialdemokrat, Sie sind jemand, der wirklich in der Sozialdemokratie groß geworden ist und Sie haben in der Sozialdemokratie Ihre politische Karriere gemacht: Wägt man heute Sachen anders ab als in der Zeit, in der man aktiver Ministerpräsident gewesen ist? Beck: Schon ein bisschen anders. Man versucht einfach, die Dinge ein bisschen gelassener zu sehen. Aber ich muss ehrlich sagen, dass ich mich über Dinge, die ich als richtig ungerecht empfinde, heute noch genauso aufrege wie zu früheren Zeiten. Das hält einen in gewisser Weise auch in Schwung. Aber man wägt selbstverständlich anders ab: Die Erfahrung nicht nur außerhalb des Amtes, sondern schon auch im Amt selbst in den letzten Jahren verfehlt nicht ihre Wirkung. Ja, man verändert sich auch. Kastan: Sie haben ja eine eher untypische Karriere gemacht. Untypisch ist sie, denn wenn man sich heute die Berufe der Abgeordneten im Bundestag oder in den Länderparlamenten durchliest, dann findet man viele Juristen, viele Lehrer, viele Beamte und viele Menschen aus der freien Wirtschaft. Sie jedoch haben kein Abitur gemacht, haben kein Studium gemacht, sondern haben den Beruf des Elektrikers gelernt. Auf dem zweiten Bildungsweg haben Sie dann die Mittlere Reife nachgemacht. War dieser ganz persönliche Karriereweg, den Sie beschritten haben, eher von Vorteil oder eher von Nachteil? Beck: Weder noch, wie ich im Nachhinein sagen muss. Es ist sicherlich der aufwendigere, der schwierigere Weg, wenn man als Erwachsener dann noch einmal in die Abendschule geht. Ich habe z. B. oft meinen Urlaub dafür verwendet, um etwas nachzuholen und mich weiterzubilden: Wenn andere in Urlaub fuhren, habe ich gelernt. Aber das waren eben auch Erfahrungen, die mir später über so manche Hürde hinweggeholfen haben. Ich wünsche mir daher für die Zukunft sehr, dass auch weiterhin Leute mit einer praktischen Berufsausbildung in die Politik aufgenommen werden, Leute, die in diesem Berufsbereich tätig waren und ihre Familie mit ihrer Hände und ihres Kopfes Arbeit ernährt haben. Auch diese Menschen müssen in der Politik die Chance für einen Aufstieg haben, denn wir brauchen einfach beide Erfahrungen: die akademische genauso wie die praktische. Gerade die Bindung und Verbindung mit Leuten, die aus dem Handwerksbereich, aus dem mittelständischen Bereich kommen, die dort Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind, hat mich immer getragen. Ich fand und finde bei diesen Leuten – auch über Parteigrenzen hinweg – häufig einen Konsens, weil man eben doch vieles aus dem eigenen Erleben beurteilen kann und einen klaren Standpunkt entwickelt hat. Kastan: Gab es denn auch mal Situationen in Ihrem Leben, in denen Sie es bereut haben, kein Abitur zu haben, nicht studiert zu haben? Beck: Ach, die formale Ausbildung hat mir eigentlich nie gefehlt. Ich habe das ganze Leben als Lehre und sozusagen auch als Studium betrachtet. Was ich mir freilich unendlich stark gewünscht habe, war, dass ich die Chance gehabt hätte, eine Reihe von Fremdsprachen zu lernen. Das war im Nachhinein und neben dem Beruf nur sehr eingeschränkt möglich. Kastan: Sie haben Ihre Berufsausbildung gemacht und sich auch relativ schnell für Ihre Kollegen engagiert. Das haben Sie zunächst in der Christlichen Arbeiterjugend gemacht und später in der Gewerkschaftsjugend. 1972 wurden Sie Mitglied der SPD: Das war dieses berühmte Jahr – die älteren Zuschauer erinnern sich noch genau daran –, in dem es geheißen hat: "Willy wählen!" Willy Brandt hat damals bei den Bundestagswahlen für die Sozialdemokratie einen großen Sieg errungen. Die Sozialdemokratie hat in Koalition mit der FDP von 1969 bis 1982 die Bundesregierung gestellt: zuerst unter Willy Brandt und dann unter Helmut Schmidt. Hat Sie denn Willy Brandt inspiriert, Mitglied der SPD zu werden? Beck: Ja, ganz zentral. Wobei es aber so ist, dass ich nicht erst nach dieser Bundestagswahl 1972, sondern schon vorher in die SPD eingetreten bin. Denn ich lege immer Wert darauf, nicht bloß zu den Gewinnern gehören zu wollen, sondern schon auch mitzukämpfen. Kastan: Das war damals ja doch eine sehr eigene Atmosphäre in Deutschland. Beck: Ja, ich habe 1971 beschlossen, in die SPD einzutreten. Das war damals eine gespaltene Atmosphäre in Deutschland: Da wurden sehr harte Auseinandersetzungen geführt. Deshalb habe ich mich engagiert und bin dann zum 1.1.1972 Mitglied geworden. Aber es haben damals schon auch kommunale und regionale Themen für mich eine Rolle gespielt, mich zu engagieren. Es gab eine Kommunalreform: Ich war dafür, viele waren dagegen. Ich habe mir auch deswegen gedacht, dass ich da mitmachen muss. Der zweite regionale Grund war, dass damals bei uns in der gesamten Südpfalz Bahnstrecken stillgelegt worden sind. Ich habe zusammen mit dem damaligen evangelischen Dekan etwas ins Leben gerufen, das man heute eine Bürgerinitiative nennen würde: Wir haben für den Erhalt dieser Bahnstrecken auch über die deutsche Grenze hinaus bis nach Wissembourg gekämpft. Wir haben damals aber erfolglos protestiert, worauf ich mir vorgenommen habe: "Wenn ich jemals etwas zu sagen haben werde, dann fährt diese Bahn wieder!" Sie fährt nun seit 12 Jahren wieder. Kastan: Sie fährt also nach wie vor? Beck: Sie fährt wieder, denn sie war über viele Jahre hinweg eingestellt worden. Wir haben in Rheinland-Pfalz ein Programm, das sich Rheinland-Pfalz- Takt nennt, denn bei uns spielt der Schienenverkehr auch in der Region eine ganz, ganz große Rolle. Deshalb war es möglich, das wieder zu befördern. Es waren also drei Gründe, die mich dazu gebracht haben, in die SPD einzutreten, wovon zwei sehr praktische waren. Aber zentral war eben auch dieses grundsätzliche Engagement, Willy Brandt bei seinem Vorhaben zu unterstützen, mehr Demokratie zu wagen. Seine Vorstellung war, dass wir in Deutschland doch nicht immer noch härter nebeneinander leben können, bis wir uns komplett auseinandergelebt haben: Das hat damals viele Menschen begeistert und mich eben auch. Kastan: Sie sind ja in einer eher schwarzen, konservativen Gegend aufgewachsen, nämlich in Steinfeld. Wie sind Sie denn da dennoch eher ein Roter geworden? Beck: Der erste Punkt ist, dass ich als Kind eine schwere Hautkrankheit hatte, die auch entstellend wirkte, weil sie sich eben auch im Gesicht stark ausgeprägt hat.

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