UNTERNEHMENSFÜHRUNG Revolution in der Chefetage: Der Aufsichtsratsvorsitzende wächst in eine dominante Rolle, auch auf Druck der Investoren. Die neue Souveränität schafft Konflikte im Verhältnis zum CEO. em rührseligen Ritual mag sich keiner ver­ weigern, der ein Unternehmen dem Ka­ pitalmarkt übereignet. So hat auch der DER HYPER· Niederländer Peter Terium (53), Chef der AKTIVE Als CEO steuerte RWE-Abspaltung namens Innogy, am Wolfgang Reitzle 7. Oktober, im Angesicht der ersten Kurs­ (r.) den Gasekon­ notiz, die Börsenglocke freudig und strah­ zern Linde jahre­ lang durch trübes lend geläutet (,,ein super, super Tag"). Fahrwasser. Mit Das Zeremoniell schaffte es sogar ins beachtlichem Er­ ,,Heute Journal". Es handelte sich schließ­ folg. Als Aufsichts­ lich um die größte Aktienplatzierung seit ratsvorsitzender räumt er nun auf, dem Jahr 2000; der Innogy-Wert, in dem als müsste er Ökostrom, Vertrieb und Energienetze ge­ tagtäglich seinen bündelt sind, notierte zu Handelsschluss Ruf als Mister bei 20 Milliarden Euro. Linde erneut unter Beweis Der kleine, schlanke Mann, der be­ stellen. trächtlichen Anteil an diesem Erfolg hat, obwohl er erst seit einem halben Jahr am­ tiert, hält sich im Hintergrund: Werner Brandt (62), Aufsichtsratsvorsitzender sowohl der Mutterfirma RWE als auch der Tochter Innogy. Brandt, seit seiner glor­ reichen Zeit als SAP-Finanzvorstand bei Börsianern hoch angesehen, versteht sich auf den Umgang mit Investoren. Er hat wohl auch in diesem !PO-Fall Beden- > managermagazin NOVEMBER 2016 UNTERNEHMEN UNTERNEHMENSFÜHRUNG ken im Vorfeld ausräumen können, sich aus in eine dominantere Posi­ Die sollten fortan ihren eigenen An­ seinen doppelten Kontrolleursjob tion, mischen sich ins Tagesgeschäft legern berichten, wie sie auf Haupt­ betreffend oder die künftigen Ge­ ein, organisieren sich professionell, versammlungen votieren wollten. schäftsbeziehungen zwischen Mut­ mit eigenem Equipment und eigener Verbunden mit der Empfehlung, mit ter und Tochter. Entourage: mein Büro, mein Perso­ dem Management Kontakt zu hal­ Der Aufpasser, der auch dem Auf­ nal, mein Anwalt, mein Sprecher. ten. Bei Fragen zum Thema Corpo­ sichtsrat von ProSiebenSat.1 vorsitzt Der Wandel ist auch in ihrem In­ rate Governance heißt das: Der Auf­ und als einer der machtvollsten teresse. Früher waren sie in erster sichtsratsvorsitzende wird verlangt. Unternehmenswächter der Republik Linie für die Honneurs zuständig, Die EU griff den Vorstoß auf. In gilt, will sich zu diesem Sujet nicht nickten ab und gelegentlich ein; einer neu gefassten Aktionärsrechte­ weiter äußern. Primär sei der Dia­ jetzt drohen ihnen - bei verstärkter richtl inie, derzeit in Arbeit, sollen log mit dem Kapitalmarkt Aufgabe Haftung und Aggressivität der An­ auch deutsche institutionelle In­ des Vorstands. Aber, ja, er habe „ver• leger - Schadensersatzklagen und vestoren entsprechend angewiesen einzelt" mit Investoren geredet, Jobverlust. werden. über Govemance-Themen. Konkre­ Bei der Avantgarde der Aufsicht Als Vorreiter sieht sich die Fonds­ teres ist Mister Diskret nicht zu steigert sich der Geltungsdrang bis­ gesellschaft Union Investment. entlocken. weilen ins Hyperaktive. Was Kon­ Portfoliomanager Ingo Speich (39), Brandt steht für einen neuen fliktpotenzial birgt - wenn der CEO für Aktien und Corporate Gover­ Trend, manche sprechen gar von DERENGA· in die Rolle der Nummer zwei ge­ nance zuständig, spricht regelmäßig einer Revolution. Der Aufsichtsrats­ GIERTE drückt wird. So stellt sich die ewig mit 28 der 30 Dax-ARV: ,,Wir suchen Den neuen Bayer­ vorsitzende (ARV) bekommt ein Vorstandschef junge Governance-Frage neu: Wer seit Jahren den Kontakt, das ist für immer stärkeres Gewicht in der Werner Baumann führt eigentlich den Laden? Und: uns nichts Neues." Unternehmensführung. Investoren hat Oberaufseher Wer sollte es tun? Als Pionier versteht sich auch wollen sich nicht nur regelmäßig Werner In Radio-Eriwan-Manier ist die Hans-Christoph Hirt (43). Der Wenning (u.) mit dem Management austauschen, früh gefördert Sache - im Prinzip - klar. Es gibt schmächtige Schnelldenker lenkt als sondern auch mit dem Oberkontrol­ und gefordert. zwei Gremien: Der Vorstand führt, Co-Chef von London aus die deut­ leur, sie haben ihn schließlich ge- Beim Monsanto­ der Aufsichtsrat kontrolliert und schen Interessen des Finanzinvestors ~ wählt. Schon wird die Forderung Deal, dem größ• berät. Aber in der Praxis wurde das ten Abenteuer Hermes. Der betreut weltweit mehr .!; nach eigenen Corporate-Governan­ der jüngeren duale deutsche System in den ver­ als 200 Milliarden Euro Vermögen ~ ce-Roadshows laut, analog zu den deutsche::n Wirt­ gangenen Jahren immer mehr aufge­ Dutzender Pensionsfonds, hält An­ : herkömmlichen Werbereisen des schaftsgeschichte, weicht. Die Aufgaben der Inspizien­ teile an jedem Dax-30-Konzern. "'< Vorstands. standen Werner tenrunde nahmen beständig zu, Seit mehr als zehn Jahren pie­ & Werner Seit ~ Es ist ein Push-and-Pull-Effekt: auch auf Druck der Öffentlichkeit, ~ an Seit. sackt Hirt Vorstände und Aufseher. :t Manche Kontrolleure drängen von die Katastrophen wie die Finanzkri­ Der „schärfste Kritiker von Ver­ se und gescheiterte Unternehmens­ sagern und Raffzähnen im Manage­ strategien nicht zuletzt den Kontrol­ ment" (,,Frankfurter Allgemeine leuren anlastete. ,,Der Aufsichtsrat Sonntagszeitung") wird gehört, weil avancierte zum Mitentscheider­ er mit Argumenten hantiert und ihm gremium", sagt Freshfields-Partner Krawallrhetorik fremd ist. Christoph Seibt. Bei einem gemeinsamen Mittag­ essen entwarfen Hirt und Daniela ,,Voice" statt „Exit" Mattheus, oberste Aufsichtsrats­ Parallel wuchs seine Attraktivität dienstleisterin beim Wirtschaftsprü• als Ansprechpartner für institutio­ fer EY, erste Ideen, die eine Arbeits­ nelle Investoren, die mittlerweile gruppe im Juli in „Leitsätze für den fast zwei Drittel der Dax-30-Anteile Dialog zwischen Investor und Auf­ besitzen. sichtsrat" goss. Eine freiwillige Ver­ Der Drive kam aus Großbritan• einbarung zu direkten Gesprächen nien. Wenn angelsächsischen Pensi­ mit dem Chefkontrolleur, für die - onsfonds früher die Unternehmens­ taktisch geschickt - die erste Reihe führung nicht passte, verkauften sie der deutschen Aufsichtsräte gewon­ einfach ihre Aktien. Mit der Firmen­ nen wurde. Multiaufseher wie Jür• spitze tauschten sie sich nicht aus, gen Hambrecht (70; BASF, Daimler, Stimmrechte nahmen sie selten Fuchs Petrolub) und Ulrich Lehner wahr. Als die britische Regierung zu (70; ThyssenKrupp, Henkel, Eon, der Erkenntnis gelangte, die interne Deutsche Telekom, Porsche) als Mit­ Kontrolle durch Aufsichtsräte sei glieder der Arbeitsgruppe. Beratend weitgehend gescheitert, sowohl im tätig: Paul Achleitner ( 60; Deutsche nationalen One-Board-System als Bank, Bayer, Daimler), WernerWen­ auch in Deutschland, drängte sie die ning (70; Bayer, Henkel, Siemens) Fonds zu mehr „Voice" statt „Exit". und auch Werner Brandt. > UNTERNEHMEN Seitdem wird das Papier dis­ terte. Aufsichtsratschef Peter Bauer kutiert und seziert. Die Initiative (56), einst aufKaesers Vorschlag auf korrespondiert mit einem wachsen­ den Posten gelangt, wollte schlich­ den Selbstbewusstsein der Anleger, ten, stellte sich dann aber, wie das die hiesige Kontrolleure zuletzt ge­ gesamte Gremium, hinter Berliens hörig unter Feuer nahmen. Konzept. Finanzvorstand Klaus Finanzaktivist Chris Hohn (50), Patzak (51), ein Kaeser-Vertrauter, mit seinem Hedgefonds The Chil­ musste gehen. dren's Investment Fund seit Mai Nun setzt Kaeser auf den gewinn­ VW-Aktionär, schrieb gleich mehre­ bringenden Ausstieg. Könnte klap­ re geharnischte Briefe an VW-Ober­ pen, ein chinesischer Halbleiterkon­ aufseher Hans Dieter Pötsch (65): zern signalisierte Anfang Oktober Managerboni müssten weg, entlohnt ein grundsätzliches Interesse an der werden sollte nur noch in Aktien; die Lichtfirma (siehe Seite 10). Hauptanteilseigner seien überfor• Die Beispiele zeigen, wie schnell dert; das Land Niedersachsen sollte Investoren nervös werden - und seine zwei Mandate niederlegen. Bei dass es dann auf den Aufsichtsrats­ der Deutschen Bank haben Investo­ chef ankommt. ren wie Hermes-Bote Hirt Chefkon­ Einer der Ersten, der das erkannt trolleur Achleitner dazu gedrängt, hat, war Siemens-Oberkontrolleur 2015 nahezu den kompletten Vor­ Gerhard Cromme (73). Nach der stand, mit Anshu Jain (53) an der Korruptionsaffäre gingen Cromme Spitze, auszutauschen. Und Großak• und Vorstandschef Peter Löscher tionär Katar hat im Juli einen den (59) gemeinsam auf Roadshow. Um Scheichs genehmen Mann in den zu dokumentieren: Der Aufsichtsrat Aufsichtsrat entsandt. ,,Auf Anre­ Capital (AOC), unterstützt von Ko­ trägt den Neuanfang mit. gung" der arabischen Kapitalgeber, alitionären wie der Allianz, mit einer Auch Paul Achleitner tat, als er so die entlarvende Bankmitteilung, eigenen Liste gegen die Kandidaten DER STRAU· CHELNDE das Amt des Deutsche-Bank-ARVan­ wurde der Wirtschaftsanwalt Stefan des Managements an. Der Aufsichts­ Er ging seine nahm, alles, um eine eigene Macht­ Simon als neuer Kontrolleur ge­ ratschef wurde abgewählt, zwei Sta­ Aufgabe hoch­ position aufzubauen. Fachmännisch richtlich bestellt. Der schwedische da-Leute setzten sich erst in Stich­ professionell an, ging er die Sache an, trennte Vor­ Geldanleger Cevian reklamiert bei wahlen durch. Ruhe? Nö, der Streit gilt als Avant­ gardist der Auf­ stands- und Aufsichtsratsbüro, schuf ThyssenKrupp-Chefaufseher Leh­ geht weiter: AOC hat Ende Septem­ seherszene. Doch sich ein eigenes Chairman's Office ner wohl schon bald einen zweiten ber Klage gegen
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