Prager Frühling N E T S Ä G g N E n i D l D h N ü U r T F S r E F e g M a O r V P n i š e r 30 a M l e r a K d n u k e š o B l e v a P , m r o h c S d l a v E Die Tschechoslowakische Neue Welle die erst durch den Einmarsch der Truppen des War - der 1960er Jahre schauer Pakts im August 1968 und die anschließenden Die 1960er Jahre sind geprägt von Erneuerungsbewe - Verbote zahlreicher Filme gestoppt wurde. gungen des Kinos: Die nouvelle vague in Frankreich Der Begriff »Prager Frühling« steht gemeinhin für das und das free cinema in England hatten Ende der von der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei 1950er Jahre den Reigen eröffnet, das cinema novo unter Alexander Dubček getragene Reformprojekt und in Brasilien, der Neue Deutsche Film in der Bundes - den Versuch, einen »Sozialismus mit menschlichem republik und letztendlich das New Hollywood sollten Antlitz« aufzubauen. Diese Bewegung hatte aber ihren folgen. Auch in den osteuropäischen Ländern gab es Vorlauf, der sich seit Anfang der 1960er Jahre in der im Zuge der Tauwetterperiode der Chruschtschow-Ära CSSR bemerkbar machte und sich auf alle Künste er - Aufbruchsbewegungen, die neue Formen des Autoren - streckte, insbesondere in der Literatur und beim Thea - films gegen staatliche Gängelei und strenge inhaltliche ter. Autoren wie Bohumil Hrabal und Milan Kundera lie - Kontrollen durchzusetzen versuchten. In keinem Land ferten Vorlagen für mehrere der Filme und arbeiteten aber debütierten innerhalb weniger Jahre so viele selber an Drehbüchern mit. Die direkt nach dem Krieg junge Filmemacher wie in der CSSR: Ab 1963 trat eine eröffnete Filmfakultät an der Akademie der Musischen ganze Generation in Erscheinung, deren Filme in den Künste (FAMU) in Prag wusste ihre Freiheiten auszu - kommenden Jahren auf allen internationalen Filmfesti - nutzen und ihren Studenten einen unverstellten Blick vals die höchsten Preise erhielten und sogar zwei Mal auf gesellschaftliche Realitäten zu ermöglichen – fast mit dem Oscar für den besten ausländischen Film aus - alle wichtigen Filmregisseure der CSSR, die in den gezeichnet wurden. Anders als in anderen Ländern war 1960ern debütierten, durchliefen diese Schule. Die im dies nicht nur ein Strohfeuer, das nach zwei oder drei Mai 1963 in Libice veranstaltete Kafka-Konferenz stieß Jahren wieder verlöscht war, sondern eine Bewegung, nicht nur eine öffentliche Beschäftigung mit dem bis dahin in Osteuropa verfemten Werk Franz Kafkas Macht Toleranz gegenüber alternativen Meinungen ver - an, sondern beflügelte den Kampf gegen Machtmiss - langte. Der Regisseur sollte nicht mehr nur der künstle - brauch und Bürokratismus und für eine Welt der sozia - rische Organisator einer Filminszenierung – um nicht len Demokratie, Initiative und Verantwortung. Jan Žal - fremder Gedanken zu sagen – sein, die Aussage über man beschrieb die Situation der 1950er Jahre folgen - seine eigene Sichtweise der Welt wurde zum obersten dermaßen: »Zehn Jahre, einerseits erfüllt von einem Prinzip.« (Ivan Klimeš) Der Wille zum Experiment, zu messianischen Glauben an den Sozialismus und von neuen Stilen und zu neuen Visionen zeigt sich insbe - Aufbaufieber, andererseits vom Kalten Krieg, von Isola - sondere in Filmen von Věra Chytilová, Jan Schmidt tion, von der Drohung einer atomaren Katastrophe und oder Juraj Jakubisko. TAUSENDSCHÖNCHEN ist eine den Praktiken des Dogmatismus, brachten eine ›Er - feministische surreale Komödie, die bis heute in der schütterung über den Verlust der Werte‹.« Filmgeschichte einzigartig ist. ENDE AUGUST IM HOTEL Die ersten Filme der Tschechoslowakischen Neuen OZON entwickelt eine Endzeitvision, die später oft ko - Welle begnügten sich mit der möglichst realistischen piert und im amerikanischen Mainstream-Kino weiter - g n i Darstellung des Alltagslebens. »Auf der Leinwand war entwickelt wurde. VÖGEL, WAISEN UND NARREN ist l h ü immer öfter die scheinbar nicht-stilisierte Welt der jun - ein phantastisches Märchen » über die jungen Leute r F gen Leute in deren authentischer Umgebung zu sehen, von heute, die nicht erwachsen werden wollen und r e g eine intim beleuchtete Welt von gewöhnlichen, nicht- durch ihre Verrücktheit, ihren Wahnsinn die eigene a r heldenhaften menschlichen Typen, die oft von Nicht- Unsicherheit überdecken«. P Schauspielern verkörpert wurden.« (Ivan Klimeš) Miloš Abrupt beendete der Einmarsch der Truppen des War - 31 Forman formulierte die Absichten seiner Filme sehr schauer Pakts in die CSSR am 21. August 1968 das klar: »Üblicherweise gilt als politischer Film nur der Experiment des Prager Reformkommunismus und Film, in dem politische Inhalte dargestellt werden. Ich damit auch die Blütezeit der tschechoslowakischen Ki - bin jedoch der Auffassung, dass auch Filme vollkom - nematographie. Ulrich Gregor beschreibt die Konse - men unpolitischen Inhalts wie DIE LIEBE EINER BLON - quenzen: »Zwar konnte das Kino der jungen Regis - DINE politisch sind. Denn der Tenor dieses Films ist die seure auch unter der Okkupation etwa noch ein Jahr Überprüfung des eigenen Daseins, die Frage nach dem, ein verstecktes Dasein führen, manche Filme wurden was mit uns und um uns herum geschieht. Da liegt die noch gedreht und sogar exportiert, bis Ende 1969 die Frage nach der Zukunft nicht mehr fern. Sicher wäre es Entwicklung zu einem endgültigen Stillstand kam. In möglich, engagierter und deutlicher zu argumentieren, allen Bereichen wurden die bisher verantwortlichen Lei - auch andere Themen zu wählen, aber ich glaube, dass ter des Filmwesens von ihren Posten entfernt und gerade jetzt, in dieser Situation, die nächste Frage die durch willfähige Diener des neuen Regimes ersetzt. nach unseren eigenen Angelegenheiten sein soll, die Fast alle Regisseure des neuen tschechoslowakischen Frage nach unseren individuellen Belangen. Dass es Films erhielten Arbeitsverbot, ihre früheren Filme wur - überhaupt möglich ist, einen Film darüber zu drehen, den in die Archive verbannt und nicht mehr gezeigt ist ein konkret politisches Zeichen. Vor einigen Jahren (was dazu führte, dass das tschechoslowakische Kino wäre das nach Kenntnis unserer Geschichte kaum der 1960er Jahre jahrzehntelang weder im In- noch denkbar gewesen.« Anders als die nouvelle vague in Ausland präsent war und quasi zu existieren aufgehört Frankreich oder das free cinema in England entwickelte hatte). Eine Reihe von Regisseuren emigrierte (aber nur der tschechoslowakische Film kein Starsystem, son - Milo š Forman gelang es, sich in den USA zu etablieren dern definierte sich allein über seine Autoren und deren und eine neue Karriere zu beginnen). Die blieben, konn - Sichtweisen. ten zunächst jahrelang keine Filme mehr drehen oder Der Episodenfilm PERLEN AUF DEM MEERESGRUND – wurden wieder auf systemkonforme Unterhaltung fest - zu dem auch noch der Kurzfilm GESAMMELTE ROHHEI - gelegt. Kirchhofsruhe beherrschte den tschechoslowa - TEN zu zählen ist, der separat herausgebracht wurde – kischen Film, der in Provinzialität und politischem Dog - war das Manifest der jungen Filmemacher: Ausgehend matismus versank.« von Kurzgeschichten Bohumil Hrabals zeigten sie ihre Die Filmreihe zeigt eine durchaus subjektiv gefärbte unterschiedlichen Handschriften. »Ein Politikum von Auswahl von Filmen, die die Vielfalt des Kinos der gro ßer Tragweite verbarg sich auch im Prinzip der Ori - 1960er Jahre vermittelt. Einige der Filme sind hierzu - ginalität. Anders zu sehen als die anderen, enthielt ein lande noch völlig unbekannt, manche wurden erst Element des Trotzes und stellte eine unberechenbare, zwanzig Jahre nach ihrer Entstehung überhaupt für also unkontrollierbare Einzigartigkeit dar, die von der Aufführungen freigegeben. Verblüffend ist die stilisti - sche Vielfalt und die Frische der Filme, die sie dank SBERNE SUROVOSTI (GESAMMELTE ROHHEITEN) – ihrer künstlerischen Innovationskraft und ihres politi - CSSR 1965 – R+B: Juraj Herz, nach der Erzählung schen Wagemuts auch heute noch ausstrahlen. Das »Baron Prášil« von Bohumil Hrabal – K: Rudolf Milíč – Filmmuseum München dankt dem Tschechischen Zen - M: Zdeněk Liška – D: Václav Halama, František Ketzek, trum München und dem Národní filmový archiv für die Bobina Maršátová, Libuše Palečková, Jan Vlček – Unterstützung bei der Konzeption der Retrospektive, für 31 min – Groteske über die Relativität der Werte, die die Bereitstellung der Filme und für die Untertitelung auf einem Wertstoffhof spielt. – NEZVANY HOST (DER von außerhalb von Tschechien unbekannten Werken. UNGEBETENE GAST) – CSSR 1969 – R+B: Vlastimil Einige der Filme laufen in neuen digital restaurierten Venclík – K: Tomáš Procházka – D: Iva Šašková, Jiří Fassungen, so DER FEUERWEHRBALL und das legen - Hálek, Pavel Landovský, Václav Kotva – 23 min, OmeU däre, bildgewaltige Historiengemälde MARKETA LAZA - – Ein junges Ehepaar wird durch ein Klopfen an der Tür ROVA. Als Gäste und Zeitzeugen erwarten wir die Re - aufgeschreckt. Ein Mann mit einem großen Koffer tritt g gisseure Jan Schmidt, Karel Vachek, Juraj Herz und Jiří ein und benimmt sich sofort wie zu Hause. n i l Menzel sowie die Schauspielerin Magda Vašáryová und ▶ Freitag, 21. September 2012, 18.30 Uhr h ü r den Leiter des Národní filmový archiv Michal Bregant in F r München. Vachek hat mit WAHLVERWANDTSCHAFTEN PERLICKY NA DNE (PERLEN AUF DEM MEERES - e g a das wichtigste filmische Dokument über die Vorgänge GRUND) – CCSR 1965 – R+B: Jiří Menzel, Jan Němec, r P im Frühling 1968 geschaffen, das einen Markstein in Evald Schorm, Věra Chytilová, Jaromil Jireš, nach Kurz - 32 der Geschichte des Dokumentarfilms darstellt. geschichten von Bohumil Hrabal
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