SÜDWESTRUNDFUNK SWR2 Wissen – Manuskriptdienst Archivradiogespräch: Die Stasi-Bänder Von Gábor Paál mit Maximilian Schönherr Redaktion: Detlef Clas Sendung: Montag, 28. Februar 2011, 8.30 Uhr, SWR 2 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Wissen/Aula (Montag bis Sonntag 8.30 bis 9.00 Uhr) sind beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden für 12,50 € erhältlich. Bestellmöglichkeiten: 07221/929-6030 Kennen Sie schon das neue Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem kostenlosen Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. 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Werner Hollstein / Bandausschnitt: Also bei der Westberliner Polizei ist ein Gummiknüppel an und für sich nicht üblich, sondern wir haben einen Holzknüppel. Gábor Paál: Die DDR-Staatssicherheit hat nicht nur Akten gesammelt, sondern auch jede Menge Tonmaterial, aus Telefonüberwachungen, aus Raumüberwachungen, das heißt Lauschangriff per Wanze. Gerichtsprozesse wurden auch mitgeschnitten. 170.000 Tonträger waren verzeichnet, und 28.000 davon sind nach der Wende übrig geblieben. Tonbänder, Kassetten, Plattenfolien, so viel Material, dass man, wenn man das alles nonstop durchhören wollte, dafür 3 Jahre bräuchte. Seit dem Zerfall der DDR lagern diese Tondokumente, genau wie die ganzen Akten aus Papier, in der Bundesbehörde für die Stasi-Unterlagen, also das, was früher Gauck- Behörde hieß, jetzt Birthler-Behörde heißt und demnächst Jahn-Behörde heißen wird. Die Archivare dort bereiten das Material zurzeit auf, das hat Priorität, denn die Tonbänder halten nicht ewig. Der Magnetstaub zerbröselt und das Material soll natürlich vor dem Verfall gerettet werden. Nach und nach wird dieses Tonmaterial für die Öffentlichkeit freigegeben. Das heißt, was Sie jetzt gleich hier hören werden, ist bisher noch nie öffentlich gesendet worden, noch nie öffentlich zu hören gewesen. 2 Mein Name ist Gábor Paál und bei mir im Studio ist Maximilian Schönherr. Er hat das Material beschafft und dafür gesorgt, dass wir es jetzt hören können. Maximilian, war das ein großer Aufwand an dieses Material ranzukommen? Maximilian Schönherr: Das ist vor allem den guten Kommunikationswegen zwischen den Archivaren und Dokumentaren in Deutschland zu verdanken. Da gibt es den Dokumentar im Südwestrundfunk in Stuttgart, Georg Polster. Und Georg Polster hat zum Beispiel eine Meldung von der Gauck-Behörde bekommen in der stand, dass interessante Bänder gefunden und teilweise schon erschlossen wurden. Erschlossen heißt bei Dokumentaren ja immer, man hat sie durchgehört, man kann sie einigermaßen zuordnen. Auf die Weise kamen die zu uns und werden für das Archivradio im SWR aufbereitet, wo wir die Möglichkeit haben, auch sehr lang, ausschweifende Takes zu senden, und viele Bänder sind sehr lange. Wir haben bisher nur einen kleinen Vorgeschmack bekommen, denn diese Behörde hat mit 3 Jahren O-Ton - wenn man also das ganze Material durchhören wollte – so viel Material, dass wir nicht annähernd dazu kämen, einen repräsentativen Ausschnitt zu senden. Wir werden uns jetzt mal die ersten, die allerfrühesten vorknöpfen, da gibt’s am wenigsten Material. Da bekam ich zum Beispiel einen Originalton vom Spätsommer 1951. Gábor Paál: Was ist das, was wir jetzt als Erstes hören? Maximilian Schönherr: Damals gab es eine sehr junge DDR, 1951 war die DDR zwei Jahre alt. Und die Jugendbewegung der DDR hieß FDJ, Freie Deutsche Jugend. Die ging vom Ostsektor, sozusagen eingeladen vom Westberliner Bürgermeister Ernst Reuter, im Sommer – es war schön – singend über diese Grenze. Gábor Paál: Es gab ja noch keine Mauer. Maximilian Schönherr: Es gab keine Mauer, aber ich entnehme diesen insgesamt 10 Stunden, die ich gehört habe, dass die Grenze doch dichter war. Und es war problematisch, denn jenseits der Grenze warteten so eine Art Panzerspähwagen auf sie und eine ganze Menge Leute, Militär und Paramilitär, und haben die in Straßen reingedrängt. Und zu diesem Thema hat die junge DDR dann, sozusagen die SED, die Partei, einen Ausschuss gegründet, der nennt sich Groscurth-Ausschuss. Der heißt deswegen Groscurth-Ausschuss, weil Anneliese Groscurth das angeregt hat. Und die hören wir jetzt; allerdings in einer nicht sehr guten Qualität. Sie eröffnet diesen Kongress und die Saalmikrofonie hat noch nicht so ganz eingesetzt. Anneliese Groscurth / Bandausschnitt: Hunderte, besonders Mädchen, wurden brutal misshandelt, erlitten zum Teil schwere Verletzungen. Als Westberliner Ärztin und als Mutter bin ich tief empört über diese unmenschlichen Hoheitsakte. So weit ist es also schon wieder in Westberlin 3 gekommen. Ich sehe hier die Rückkehr der scheußlichen und barbarischen Methoden der Nazizeit. Ich habe selbst meinen Mann als Opfer der Nazi… verloren. Er starb als deutscher Antifaschist auf dem Schafott. Ich will nicht, dass in Deutschland je wieder so etwas geschehen kann. Ich will nicht, dass meine beiden Söhne Opfer eines neuen Faschismus, eines neuen Krieges werden. Ich bin entschlossen mich mit aller Kraft dafür einzusetzen, dass der Geist des Hasses und der Verhetzung unterbunden wird. Gábor Paál: Die Qualität dieser Aufnahme ist im wahrsten Sinne des Wortes berauschend. Aber diese Frau, das war ja eine Ärztin, die, wie du gesagt hat, in den Westen gegangen ist, dort auch eigentlich lebt. War das eine Art Prozess, wo sie aufgetreten ist? Maximilian Schönherr: Für sie stank diese Re-Nazifizierung, wie sie das nannte, die im Westen stattfand. Sozusagen unter Anleitung der Amerikaner Kapitalismus einzuführen und ruhig die alten Richter in ihren Positionen zu lassen, die aus der Nazizeit noch da waren. Da sozusagen mit der Nazizeit nicht aufzuräumen. Das hat die junge Bundesrepublik ja auch tatsächlich erst viel, viel später gemacht. Gábor Paál: Sie hat es an diesem Vorfall mit der FDJ, also mit diesen FDJlern, festgemacht, die in den Westen gegangen sind und dort irgendwie in die Enge getrieben wurden. Maximilian Schönherr: Und schwer misshandelt wurden. Es wurde damals in der Westpresse dargestellt, als hätte die FDJ Streit gesucht; und deswegen gab es eine Straßenschlägerei. In diesem Ausschuss hier klingt das gar nicht so. Man hört teilweise sehr junge, damals schwerverletzte Mädchen, also 16-jährige Frisörinnen; Frisösinnen sagten sie damals noch. Anneliese Groscurth hat gesagt, dieses zum Himmel schreiende, ungerechte Verhalten müssen wir aufarbeiten. Und weil wir kein Gericht haben, im Osten, an der Humboldt- Universität, wo das hier stattfand, was sozusagen wirklich mit dem Westen abrechnen kann, machen wir einen Ausschuss, der so tut, als wäre er ein Gericht. Gábor Paál: Der Ton, den wir als nächsten hören, hat auch damit zu tun? Maximilian Schönherr: Ganz genau. Gábor Paál: Wer ist das? Maximilian Schönherr: Hier hören wir sozusagen den Kronzeugen. Es war ja kein richtiger Prozess, deswegen kann man ihn auch nicht Kronzeugen nennen. Aber dieser Mann hier, der ist ein Überläufer. Er nennt sich Werner Hollstein, wenn ich den Namen richtig verstanden habe, es gibt nichts mehr über ihn zu finden. Aber er ist der Star dieser zweitägigen Veranstaltung, weil er bei den westlichen Polizisten dabei war, und es hat ihn auch so 4 angekotzt – er drückt sich auch sehr kräftig aus – dass er dann zur Freien Deutschen Jugend in den freiheitlichen Sektor – darunter verstand die DDR sich selbst, in Berlin – übergelaufen ist und jetzt hier als Star auftritt. Gábor Paál: Also ein Polizist als Zeuge. Werner Hollstein / Bandausschnitt: Und vor allen Dingen dabei die Bestialitäten in der Art sie auftraten, dass sich verschiedene freuten, dass sie nun auf einen wehrlosen Menschen einschlagen können, haben mich derart beeindruckt, dass ich, wie gesagt, das nicht mehr mitmachen konnte und mich so freiwillig hierher in den Ostsektor begeben habe, um hier für diese Sache einzutreten. (Applaus) Ein anderer Fall ist, in der Bernauer, äh, in der Brunnenstraße passiert, dass nachher sich ein Polizist auch noch rühmte, nachdem er einem Mädel einen Schlag über das Gesäß gegeben hatte, hätte direkt erotische Gefühle bekommen. Na, ich meine das hat mit einem polizeilichen Thema überhaupt nichts mehr zu tun. Das sind meiner Meinung nach Unmenschlichkeiten, für die ich keinerlei
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