Für Freiheit, Menschenrechte Und Demokratie

Für Freiheit, Menschenrechte Und Demokratie

511_51_58_Molt 25.05.2012 5:50 Uhr Seite 51 Konrad Adenauer Für Freiheit, und die deutsche Menschenrechte Entwicklungspolitik und Demokratie Peter Molt Vor fünfzig Jahren, im Jahr 1962, begann Als Folge der expansionistischen Politik die internationale Arbeit der Konrad- Chruschtschows nahmen die Spannun- Adenauer-Stiftung. Sie begründete da- gen um den Status von Berlin zu, die im mit in diesem Arbeitsbereich zusammen Mauerbau am 13. August 1961 und in der mit der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Konfrontation russischer und amerika- Friedrich-Naumann-Stiftung das System nischer Panzer am 17. Oktober 1961 am der politischen Stiftungen, eine „deutsche Checkpoint Charlie gipfelten. Die USA Eigenheit, die auf der ganzen Welt ihres- sahen ihre Sicherheit durch die Stationie- gleichen sucht“ (Rudolf Schloz, Deutsche rung russischer Raketen in dem unter Entwicklungspolitik, München 1979, Seite Fidel Castro kommunistisch gewordenen 107). Dieses war wiederum Teil der Insti- Kuba ernsthaft bedroht. Dazu kam die tutionalisierung der Entwicklungspolitik Schwäche Europas wegen der innenpoli- als neuer Politikbereich. Wie stand der tischen Krise Frankreichs als Folge des Namensgeber der Stiftung, Konrad Ade- Algerienkriegs und der daraus resul- nauer, in dessen letzten Regierungsjahren tierenden Schwierigkeiten der weiteren die Entscheidung für ein eigenständi- europäischen Integration. Die Auflösung ges Ministerium für Entwicklungszusam- der europäischen Kolonialreiche barg zu- menarbeit und für die pluralistische dem die Gefahr des Abdriftens der neuen Struktur ihrer Umsetzung getroffen wur- Staaten in das kommunistische Fahr- de, dazu? wasser. Die Welt stand – so sahen es Die wissenschaftliche Literatur klam- Adenauer und andere von den histori- mert bisher die Rolle Konrad Adenauers, schen Erfahrungen der beiden Weltkriege die dieser als Bundeskanzler in den ers- geprägte Politiker – vor dem Abgrund ten Jahren der deutschen Entwicklungs- eines globalen Krieges zwischen den bei- politik spielte, weitgehend aus, allen- den Supermächten. falls wird ihm mangelndes Verständnis der neuen weltpolitischen Entwicklun- Ein zweites Kuba verhindern gen zugeschrieben. Neu veröffentlichte Der damalige Boom der Entwicklungs- oder zugängliche Quellen, insbeson- politik, der in der von den Vereinten dere die vom Bundesarchiv veröffent- Nationen 1960 ausgerufenen „Ersten Ent- lichten Kabinettsprotokolle, die Akten wicklungsdekade“ zum Ausdruck kam, des Auswärtigen Amtes und Bestände war das Ergebnis der dramatischen Zu- des Archivs für Christlich-Demokrati- spitzung des Ost-West-Konfliktes. Die sche Politik der Konrad-Adenauer-Stif- westlichen Großmächte suchten die Aus- tung, führen jedoch zu einer anderen Be- weitung des Einflusses der UdSSR auf die wertung. Entwicklungsländer zu begrenzen und Die frühen 1960er-Jahre waren geprägt einen weiteren Fall Kuba zu verhindern. von dem verschärften Ost-West-Konflikt. Zweifellos waren – wider alle Entwick- Nr. 511 · Juni 2012 Seite 51 511_51_58_Molt 25.05.2012 5:50 Uhr Seite 52 Peter Molt lungsrhetorik – damit auch wirtschaft- lebenswichtig, ihre traditionellen außer- liche Interessen verbunden, letztlich ging europäischen Absatzmärkte wiederzu- es aber dabei um die Sicherheit der west- gewinnen und neue zu erschließen. Die lichen Staatengemeinschaft. USA unterstützen komplementär zum Konrad Adenauer traute Frankreich Marshallplan die deutsche Exportwirt- und Großbritannien zu, den Prozess der schaft, indem sie deutsche Firmen am Konsolidierung der neuen, aus ihrem Bau von Militärbasen vor allem in Kolonialreich entstandenen Staaten ohne Griechenland und der Türkei beteiligten Abstriche an ihrer europäischen Sicher- oder sich für Aufträge aus bi- und multi- heitspolitik zu bewältigen. Lateinamerika lateralen Hilfsprogrammen einsetzten. dagegen sah er als eine Region, die Gefördert wurden die außenwirtschaft- durch die Proliferation des „Fidelismus“ lichen Anstrengungen durch entspre- und den damals vehementen Antiame- chende Handelsverträge, durch Bundes- rikanismus in eine unmittelbar die Si- bürgschaften und -garantien und durch cherheitsinteressen der USA tangierende Mittel des aus dem Marshallplan ent- Krise geraten war. Er war zutiefst besorgt, standenen ERP-Sondervermögens. Diese dass der neue US-Präsident John F. Ken- Politik hatte Erfolg, bereits 1952 ging ein nedy und sein Außenminister Dean Rusk Drittel aller westdeutschen Exporte in dem russischen Druck zum Nachteil des Entwicklungsländer. Status von Berlin und Deutschlands nach- geben und grundsätzliche Positionen auf- Neues Mittel der Außenpolitik geben könnten. Für die Bundesrepublik Außenpolitische Interessen gewannen Deutschland hatte deshalb der Umbruch dagegen erst nach und nach an Gewicht. in den Entwicklungsländern eine er- Zunächst ging es der Regierung Ade- hebliche Bedeutung für ihre Sicherheit nauer nur darum, Deutschland wieder und nationalen Interessen. Es waren die- in die internationale Staatengemeinschaft se außenpolitischen Entwicklungen, die einzugliedern. Da die Bundesrepublik zu einer organisatorischen Neuordnung kein Mitglied der Vereinten Nationen und Verstärkung des deutschen Beitrags war, lag das Schwergewicht bei finan- zur internationalen Entwicklungshilfe ziellen Beiträgen zu UN-Organisationen führten. und -Programmen und zur Weltbank. Es hatte zwar schon zuvor deut- Mit der Gründung der EWG wurde sche Entwicklungshilfeleistungen gege- die Bundesrepublik unmittelbar mit der ben, aber sie folgten keiner einheitlichen Frage der Entkolonialisierung konfron- Zielsetzung und litten unter dem Gegen- tiert. Vor allem Frankreich und Belgien satz außen- und wirtschaftspolitischer forderten einen besonderen Entwick- Motive. Für das wirtschaftliche Engage- lungsfonds für ihre Kolonien. Als die Ver- ment in den Entwicklungsländern in den handlungen zur EWG wegen dieser Frage 1950er-Jahren gab es gewichtige Gründe. ins Stocken gerieten, setzte Konrad Ade- In der Phase des raschen wirtschaftli- nauer im Bundeskabinett gegen die Be- chen Wiederaufbaus, der Implementie- denken des Bundeswirtschaftsministers rung der Sozialen Marktwirtschaft, der die deutsche Beteiligung aufgrund der Marshallplan-Hilfe und des Beginns der übergeordneten europapolitischen Ziel- Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft setzungen durch. (EWG) war es für die deutsche Industrie Nach dieser Entscheidung ließ sich – nach dem Verlust ihrer ausländischen allerdings die Zurückhaltung der Bun- Niederlassungen und Investitionen im desregierung gegenüber bilateralen Ent- und nach dem Zweiten Weltkrieg – wicklungsvorhaben nicht mehr aufrecht- Seite 52 Nr. 511 · Juni 2012 511_51_58_Molt 25.05.2012 5:50 Uhr Seite 53 Für Freiheit, Menschenrechte und Demokratie erhalten, weil die zuständigen Ministe- der internationalen Entwicklungszusam- rien und der Bundestag als Ausgleich menarbeit drängten, zufriedenzustellen. zur multilateralen Hilfe auf ein sichtbares nationales Engagement drängten. So ent- Bonn in der Pflicht sprachen die großen staatlich garantier- Dem russischen Expansionsdrang konnte ten Kredite für Industrie- und Infrastruk- nur durch eine massive Entwicklungs- turvorhaben in Indien und Ägypten hilfe, wie im Point-Four-Programm Prä- zwar den Interessen der daran beteiligten sident Trumans 1949 versprochen, be- deutschen Firmen, sie waren aber maß- gegnet werden. Für die USA und Groß- geblich davon motiviert, die beiden Staa- britannien, die damals unter erheblichen ten von einer Annäherung an die UdSSR Zahlungsbilanzdefiziten litten, bedeutete und von der Anerkennung der DDR dies immer größere finanzielle Lasten. abzuhalten. Deshalb suchten sie nach Entlastung. In Dazu kam 1956 auf Beschluss des Bun- der Diskussion waren damals vor allem destags die Einstellung von Mitteln für ein großer zentraler Fonds bei den Ver- technische Entwicklungshilfe in den or- einten Nationen, aus dem die technische dentlichen Haushalt des Auswärtigen Hilfe finanziert werden sollte, und eine Amtes. Dieser Vorgang wird in der Lite- Bereitstellung von verbilligten Krediten ratur oft als Beginn der deutschen Ent- über die Weltbank, für die dann später – wicklungspolitik interpretiert. Das Parla- 1960 – die International Development Asso- ment habe zur Korrektur der passiven ciation (IDA) gegründet wurde. Von der Haltung der Bundesregierung die Ini- wirtschaftlich erstarkten Bundesrepublik tiative ergriffen. Tatsächlich war der An- wurde dazu ein erheblicher Beitrag er- trag einer parteiübergreifenden Gruppe wartet. Dieser müsse wegen der „inter- von Abgeordneten mit dem Auswärtigen dependence“ der westlichen Welt und als Amt abgestimmt, das vorausschauend Kompensation für die frühere Marshall- die wachsende Bedeutung der Entwick- plan-Hilfe und für die Kosten der Trup- lungshilfe erkannte und sich dafür – penstationierung erbracht werden, ver- entsprechend dem Muster der anderen lautbarten der amerikanische Außenmi- großen Industrieländer – seine Zustän- nister John Foster Dulles und sein briti- digkeit sichern wollte. scher Kollege Selwyn Lloyd im Oktober Es begründete diesen Anspruch da- 1957. mit, dass man für die Durchsetzung der Adenauer sah sich deshalb auf der 1956 verkündeten „Hallsteindoktrin“ ei- NATO-Tagung im Dezember 1957 in nen Hebel für eine systematische und Paris zu einer grundsätzlichen Zusage für präventive Deutschlandpolitik benötige größere Hilfen der Bundesrepublik ver- (Bastian Hein, Die Westdeutschen und die anlasst. Damit stellte er das Bundeskabi- Dritte Welt 2006, Seite 29–31). Die Regie- nett, in dem die Frage vorher nicht be- rungen der jungen Staaten

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