Forschungsschwerpunkt Umweltpolitik ( Internationales Institut für Umwelt und Gesellschaft - IIUG ) Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung IIUG rep 87-19 NITRATPOLITIK VOR ORT ISSN 0256-7296 WISSENSCHAFTSZENTRUM BERLIN FÜR SOZIALFORSCHUNG Forschungsabteilung ’’Normbildung und Umwelt” Reichpietschufer 50 D-1000 Berlin (West) 30 Tel.: 25 491-0 Der vorliegende Beitrag entstand im Rahmen des Forschungsprojekts: "Ökologisierung der Agrarpolitik", das zum IIUG-Projektbereich IV: "Evaluation ausgewählter Politikbereiche unter Umweltgesichtspunkten" gehört. Es wird gemeinsam vom Internationalen Institut für Umwelt und Gesellschaft des Wissenschaftszentrum Berlin und dem Institut des Hautes Etudes en Administration Publique an der Universität Lausanne unter der Leitung von Dr. üobst Conrad und Prof. Dr. Peter Knoepfel durchgeführt. IIUG - Potsdamer Str. 58, 1000 Berlin (West) 30, Tel.: (030) - 26 10 71 ÖKOLOGISIERUNG DER AGRARPOLITIK International vergleichende Untersuchung von Politikprozessen im Bereich Landwirtschaft und Umwelt - Trinkwasser-Nitratbelastung - Bei dem Forschungsprojekt handelt es sich um eine vergleichende P olitik­ analyse, in der Strukturen und Prozesse sowie Möglichkeiten und Grenzen der Ökologisierung von Politik am Beispiel der Agrarpolitik rekonstru­ iert, analysiert und evaluiert werden. In theoretischer Hinsicht zielt das Projekt auf ein verbessertes Ver­ ständnis der Handlungsspielräume der Umweltpolitik im Agrarsektor in westlichen Industrieländern ab, insbesondere auf die Bestimmung von De­ terminanten, Formen und Erfolgschancen um weltpolitischer Prozesse. In der Analyse der entsprechenden Entscheidungsprozesse über den gesamten P o li­ tikzyklu s hinweg unter der Bedingung einer größeren Zahl gegeneinander abgeschotteter Arenen ist der wesentliche politiktheoretische Beitrag des Projekts zu sehen. In praktischer Hinsicht geht es um eine Evaluation der Agrarpolitik unter Umweltgesichtspunkten und die Vorbedingungen und Ansatzpunkte einer um­ weltverträglichen Agrarpolitik, die Problemsensibilisierung der beteilig­ ten Aktoren sowie die Einschätzung ihrer Positionen und Strategien in einem gesellschaftlichen und politischen Gesamtzusammenhang. Die Leitfrage nach einer Ökologisierung der Agrarpolitik wird in drei Schritten angegangen: - Ermittlung von Themen, Aktoren, Aktormerkmalen und Regulierungen im Be­ reich Landwirtschaft und Umwelt in westlichen Industriestaaten zur Be­ stimmung von Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen nationalen Regu­ lierungsstrategien. - Analyse der zu bestimmten Handlungsprogrammen führenden Politikprozesse und Arenenstrukturen in der Phase der Politikformulierung in einigen ausgewählten Ländern am Beispiel der Trinkwasser-Nitratbelastung. - Analyse von Politikergebnissen und -Wirkungen auf regionaler und loka­ ler Ebene in Abhängigkeit von Politikprozessen, Politikprogrammen und lokalem Problemdruck in der Implementationsphase, wiederum am Beispiel der Trinkwasser-Nitratbelastung in den ausgewählten Ländern. Im internationalen Vergleich wird insbesondere untersucht, - ob die Integration von Umweltbelangen in einem etablierten Politikbe­ reich zu deren politischer Entschärfung führt; - ob eine institutionell eigenständige Umweltpolitik erfolgversprechender is t als deren Aufgehen in anderen Fachpolitiken, in diesem Fall Agrar­ p o litik ; - welche wirkungsvollen Koppelungen von Umweltschutz- und anders gelager­ ten Interessen existieren. Die Fall Studien werden zusammen mit national verankerten Länderteams im Kooperationsverbund erarbeitet. Ein Teil der Forschungsarbeiten wird durch D rittm itte l gefördert. ZUSAMMENFASSUNG Nitratpolitik vor Ort: Trinkwasserkontroverse ohne Landwirtschaft (Rheinpfalz, Landkreis Bad Dürkheim) In dieser Fallstudie wird die Nitratbelastung des Grund- und Trink­ wassers im Weinbaugebiet Rheinpfalz (Landkreis Bad Dürkheim) als umweltpolitisches Problem untersucht.Die charakteristischen Momente der örtlichen Nitratpolitik bestehen darin, daß trotz zeitweilig inten­ siver öffentlicher Diskussion sich die aktive Beteiligung daran und an der Lösung der Trinkwasserprobleme auf wenige aktive Gruppen und Vertreter von öffentlichen Institutionen beschränkte. Weinbau und Landwirtschaft wurden als Verursacher der Probleme (durch hohe Stickstoffdüngung) kaum in die Pflicht genommen, auch ist die landes­ weite Intensivierung der offiziellen Düngeberatung bei den Adressaten vor Ort nicht ausreichend angekommen. Umfangreiche wasserwirtschaft­ liche Maßnahmen (Trinkwasser-Versorgungsverbund) mußten vorerst zur Bewältigung des Problems durchgeführt werden. Zukünftig ergeben sich Chancen einer Ökologisierung des Weinbaus und der Landwirtschaft in diesem Gebiet nur bei stärkerer Einbindung der örtlichen Landwirt­ schaft in die Problemlösung durch Verbesserung der Beratungs- und Leistungsangebote (z.B. Bodenuntersuchungen) und Entwicklung einer Agrarumweltpolitik auf Landesebene, welche die bisherige Konzentration auf agrarwissenschaftliche Forschungen und Versuche überwindet. SUMMARY Local Nitrate Policy: Nitrate Controversy without Agriculture (Lower Palatinate Winegrowing Region, District of Bad Dürkheim) This case study examines nitrate contamination of ground and drin­ king water in the viticultural region of the Lower Palatinate (Rhein­ pfalz) in the West German Federal State of Rhineland-Palatinate (Rheinland-Pfalz). The nitrate problem is here considered as a prob­ lem of environmental policy. Local nitrate policy in the Lower Palati­ nate is characterized by the following features. First, despite a ra­ ther intensive public debate, active participation in this discussion and attempts to solve the problem of contaminated drinking water have been limited to only a few active environmental groups and represen­ tatives of public institutions. Secondly, viticultural or other agricul­ tural practices were hardly considered as the primary causes of ni­ trate contamination of drinking water, for example, through extensive or excessive fertilizing; moreover, the statewide intensification of offi­ cial counselling provided to local winegrowers and farmers on ferti­ lizing methods and practices has not been sufficient. Extensive water management measures (such as those that could be applied through a coordinated regional drinking water supply system) must first and foremost be directed towards overcoming the nitrate problem. Future chances for increasing environmental concern in winegrowing and agriculture in the Lower Palatinate will depend upon a more effective linking of local viticultural an agricultural activities to solutions to the nitrate problem through improved counselling and technical services, as well as through the development of an effective state level agroenvironmental policy, which must be given greater priority than agroscientific research. In h alt Seite 1. Einleitung 1 2. Beschreibung des Untersuchungsgebietes 3 2.1. Naturräumliche Lage, Klima, Boden 3 2.2. Umweltbelastungen 5 3. Landwirtschaft und Weinbau 7 4. Wasserwirtschaft und Trinkwasserversorgung 12 4.1. Grundwasserbilanz nach dem Wasserwirtschaftlichen Rahmenplan 12 4.2. Trinkwasserversorgung 16 5. Nitratkontroverse in Grünstadt-Land 19 5.1. Landes- und kommunalpolitische Nitratdiskussion 19 5.2. Verlauf der Kontroverse 21 5.3. Beteiligte und ihre Rollen 36 5.4. Exkurs: Nitratdiskussion in der Stadt Neustadt an der Weinstraße 40 5.5. Zusammenfassung der örtlichen Nitratpolitik 41 6. Nitratbelastung des Trinkwassers und Ökologisierung der Agrarpolitik 44 6.1. Die kommunale Ebene 44 6.2. Überörtliche Politik 46 Anmerkungen 50 L ite r a tu r Anhang 1: Tabellen Anhang 2: Pressedokumentation Anhang 3: Dokumente zur Fallstudie 1 1. Einleitung Die vorliegende Fallstudie zum Problemzusammenhang "landwirtschaftli­ che Stickstoffdüngung - Nitratbelastung von Grundwasser/Trinkwasser" wurde in einem Gebiet durchgeführt, in dem die landwirtschaftliche Sonderkultur des Weinbaus vorherrscht. Der Landkreis Bad Dürkheim in Rheinland-Pfalz liegt an der Nordgrenze des Weinbaugebietes "Mittel­ haardt - Deutsche Weinstraße". Nach Erkenntnissen des Umweltministe­ riums von Rheinland-Pfalz ist im nordpfälzer Raum das oberflächen­ nahe Grundwasser durch Nitrat belastet, das in erster Linie von Stickstoffdüngung in Landwirtschaft und Weinbau herrührt (s. Anhang 3 ). Die Entwicklung der Nitratbelastung von Grund- und Trinkwasser und die daraus resultierende Nitratpolitik werden "mikroskopisch", d.h. nach den Ereignissen, Maßnahmen, Handlungsweisen der politischen Akteure auf örtlicher (kommunaler Ebene) untersucht. Im Vergleich mit weiteren Fallstudien zum Weinbau und anderen landwirtschaftlichen Kulturen sollen mögliche Entwicklungspfade einer umweltverträglichen Landwirtschaft gefunden werden. Ansatzpunkte für Nitratpolitik auf örtlicher Ebene finden sich in drei institutionalisierten Politikbereichen: 1. In der Tr ink wasserpolitik gibt es rechtlich formulierte Programm­ elemente, insbesondere die Trinkwasserverordnung (TVO) mit der 1986 übernommenen EG-Trinkwasserrichtlinie, die einen Nitrat­ grenzwert im Trinkwasser von 50 mg/l verbindlich macht. Örtliche Vollzugsinstanzen sind Wasserwirtschaftsämter, Wasserversorgungs­ unternehmen und Kommunalverwaltung. 2. In der Gesundheitspolitik gibt es für die Hygienekontrolle des Trinkwassers gemäß TVO die Gesundheitsämter und Kreisverwaltun­ gen als lokale Kontrollbehörden. 2 3. In der Agrarpolitik gibt es für den Bereich der Düngemittelan­ wendung keine regulativen Programme, die für alle Anbaugebiete gelten, nur örtlich begrenzte Sonderregelungen (z.B.
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